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Ausgabe:

1956 Nr. 9

Spalte:

552-556

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Adler, H. G.

Titel/Untertitel:

Theresienstadt 1941 - 1945 1956

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 1956 Nr. 9

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die mit einer kritischen Gesamtausgabe der Werke des Duns
Scotus beauftragte Kommission des Franziskanerordens erst
1950, nach mehr als zwanzigjähriger Vorbereitung1, die beiden
ersten Bände der Öffentlichkeit zugänglich machen konnte. Die
unter der Leitung von Carl Balic2 arbeitende Kommission hat
sich entschlossen, die Werke des Doctor Subtilis nicht in chronologischer
Reihenfolge zu veröffentlichen, sondern zuerst das
Hauptwerk des Ordenslehrers herauszugeben. Die Kommission
hat es sich dabei im Unterschied zu allen früheren Herausgebern
zum Ziele gesetzt, den authentischen Text des Duns Scotus zu
rekonstruieren.

Die drei bisher vorliegenden Bände der „editio Vaticana"
enthalten den Prolog und die Quaestionen zu den drei ersten
Distinktionen des ersten der vier Sentenzenbücher. Nach Erscheinen
der nächsten beiden Bände wird das erste Buch der scotischen
Ordinatio vollständig vorliegen.

Die Hälfte des ersten Bandes (329 Seiten) wird von einer
umfassend angelegten „Disquisitio historico-critica" eingenommen
. Die Entstehung der Ordinatio, sowie ihr literarischer Zusammenhang
mit den anderen Werken des Duns Scotus werden
genau untersucht. Die 103 der Ausgabe des ersten Buches zugrundeliegenden
Codices sowie die bisherigen Ausgaben werden
beschrieben und in Klassen geordnet. Entscheidend für die Möglichkeit
einer Rekonstruktion des authentischen scotischen Textes
ist die Tatsache, daß in Assisi eine Abschrift des im 14. Jhdt.
am Original korrigierten Exemplars des sog. „Opus Oxoniense"
erhalten ist. Die Textfassung dieser Handschrift liegt der Ausgabe
als i. allg. maßgebend zugrunde, außer wenn deren Lesart
„nullum aut erroneum sensum fundat", in welchem Falle sie von
den Herausgebern als nicht genuin angesehen wird (p. 278*).

Von den Varianten werden nur die wichtigsten im Apparat unter
dem Text angegeben; die übrigen werden im Appendix B mitgeteilt.
Eine Vorstellung von dem Variantenreichtum vermag die Tatsache zu
geben, daß der Appendix B nur des zweiten Bandes bereits 53 Seiten
beansprucht! Daher haben die Herausgeber beim dritten Band die Zahl
der berücksichtigten Handschriften mit Recht eingeschränkt und stellen
für die nächsten Bände eine weitere Einschränkung des Variantenapparates
in Aussicht. — Die Randbemerkungen des Autors werden teils
in den Text aufgenommen, teils unter dem Text angeführt. Kurze Ein-
schübe von zweiter Hand werden ebenfalls unter dem Text, längere am
Schluß des Bandes im Appendix A mitgeteilt. — Die Quellen der im
Text entwickelten Gedanken werden durch einen weiteren doppelten
Apparat sichtbar gemacht: einerseits die von Scotus zitierten Quellen,
andererseits die implizit vorliegenden Abhängigkeiten von anderen,
vor allem scholastischen Autoren. Besonders diese letzteren Quellenhinweise
, die z. T. ausführliche Auszüge aus sonst schwer erreichbaren
scholastischen Werken bieten, können das historische Verständnis der
scotischen Gedanken ganz erheblich erleichtern. — Hervorgehoben sei
das Bemühen der Herausgeber, den Text übersichtlicher und mehr den
Absichten des Autors entsprechend zu gliedern, als es in den bisherigen
Ausgaben üblich war. Das ist in Werken, bei denen man oft nicht weiß,
ob man ein Referat über eine fremde Lehrmeinung, einen Einwand oder
die eigene Ansicht des Autors vor sich hat, besonders wichtig. — Am
Schluß eines jeden Bandes finden sich Indices der zitierten Namen und
Autoren. Hier bleibt ein Wunsch offen: Sollte es nicht möglich sein,
vielleicht am Ende der Edition jeweils eines Buches, auch ein eingehendes
Sachregister zu bieten, wie es etwa die Herausgeber der Sentenzenglosse
Alexanders von Haies in vorbildlicher Weise erstellt haben? Die
Herausgeber würden damit der Erschließung des Werkes für die wissenschaftliche
Arbeit einen weiteren dankenswerten Dienst leisten.

Für die Erforschung der Theologie und Philosophie des
Duns Scotus und damit für die Erforschung der Scholastik überhaupt
ist die langerwartete, kritische Edition der Werke und unter
ihnen vor allem der Ordinatio des Doctor Subtilis von großer
Bedeutung. Das zeigt schon ein Vergleich mit dem Textbestand
der bisher üblichen, auf L. Wadding zurückgehenden Ausgabe:
Allein in der zweiten Distinktion des ersten Buches stellten sich
121 Textstücke als Interpolationen heraus, 39 als nachträglich
von Scotus getilgte Stellen. Von den 23 von Scotus stammenden

*) Über die Geschichte der Ausgabe berichtet ausführlich P. Dr.
Valens Heynck OFM, in: Franziskanische Studien 33 (1951), p. 286 ff.

2) Carl Balic ist der Verfasser der bedeutendsten literargeschicht-
lichen Untersuchung über die verschiedenen scotischen Sentenzenkommentare
: Les commentaires de Jean Duns Scot sur les quatre livres des
Sentences, Louvain 1927.

Zusätzen berücksichtigt Wadding nur 14. Zu den interpolierten
Texten gehören ganze Quaestionen, wie z. B. die distinctio 39
des ersten Buches, die die Lehre vom göttlichen Vorherwissen
enthält.

Carl Balic hat einige Beispiele dafür gegeben'1, daß der Text
der kritischen Ausgabe der Ordinatio wichtige scotische Thesen
in neuem Lichte erscheinen läßt. Für die Verhältnisbestimmung
von Theologie und Philosophie ist die Frage wichtig, ob für Scotus
wie für Thomas die quidditas rei materialis das Erstobjekt
des menschlichen Intellektes sei. Scotus steht in dieser Frage Tho mas
näher, als man bisher annehmen konnte. Die der thomisti-
schen Analogielehre entgegengesetzte These des Doctor Subtilis
von der univocatio entis zeigt nach den neuen Texten eine gewisse
Unabgeschlossenheit; Scotus gibt in einer Randbemerkung
eine von ihm geplante, aber nicht mehr ausgeführte Neufassung
des Problems an. Auch das Verständnis des scotischen Voluntarismus
wird neu überprüft werden müssen; hier haben sich Formulierungen
, die man bisher als ausschlaggebend für die Meinung
des Duns Scotus ansah, als Interpolationen herausgestellt.

Der neue Text der Ordinatio des Duns Scotus wird zwar
kaum ein gänzlich neues Bild seiner Lehre entstehen lassen. Das
ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil die interpolierten Stücke
größtenteils auf die Vorlesungen des Autors zurückgehen. Aber
für eine genauere Erfassung seiner Gedanken, für die Fragen der
Lehrentwicklung und namentlich für das Verständnis der die heutige
Forschung besonders interessierenden, die einzelnen Lehraussagen
leitenden Intentionen des Doctor Subtilis werden durch
die „editio Vaticana" entscheidende Voraussetzungen geschaffen.

Heidelbere W. Pannenberg

3) Carl Balic, Circa positiones fundamentales Joan. Duns Scoti, in:
Antonianum 1953, 261—306.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Adler, H. G.: Theresienstadt 1941—1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft
. Geschichte, Soziologie, Psychologie. Tübingen: Mohr
1955. XLVI, 773 S. 8°. DM 34.-; Lw. 38.-.

Der Verfasser des Werkes lebte bei der Besetzung Böhmens
in Prag und wurde nach einem fünfmonatigen Aufenthalt in einem
tschechischen Konzentrationslager auf 32 Monate nach Theresienstadt
deportiert. Seine Frau — Ärztin und Chemikerin —
leitete dort als Deportierte das medizinische Zentrallaboratorium.
Am 12. 10. 1944 wurde das Ehepaar mit der Mutter der Frau
nach Auschwitz geschleppt, wo zwei Tage darauf die Frauen durch
Gas ermordet wurden. In der Widmung des Buches, die Dr. Gertrud
Adler dargebracht ist, heißt es von ihr: „Menschenwürde
hat in ihr den Sieg der Demut über die Anfechtung der Schande
täglich gefeiert." Der Verf. mußte noch durch zwei Nebenlager
Buchenwalds gehen und war am 22. 6. 1945 wieder in Prag. Er
hat bald Theresienstadt wieder aufgesucht und dort von Dr. Leo
Baeck, dem ehemaligen Berliner Ober-Rabbiner, der in Theresienstadt
„im Zentrum einer sittlichen Widerstandsbewegung gegen
die Korruption und Erbärmlichkeit der jüdischen Leitung" gestanden
und „das Gewissen des Lagers" verkörpert hatte, eine
Mappe geretteter Dokumente empfangen. Baeck hat „durch tätige
Hilfe" und „nie versagenden Rat" das Zustandekommen des
umfangreichen Werkes gefördert. Das Vorwort hat Adler 195 5
in London geschrieben.

Über die Quellen erfahren wir, daß sie' aus „Zehntausenden
von Archivalien" bestehen, die aus dem Ort des Grauens
geborgen sind, „der Rest eines unübersehbaren vernichteten Gesamtwerkes
". Der erste Grundstock der Sammlungen war vom
Jewish Agency in Prag zusammengebracht; dies Material kam
1946 nach Palästina, Duplikate und Kopien ins Jüdische Museum
in Prag, den wichtigeren und reichhaltigeren Bergungsort der Dokumente
. „Der Hauptteil der Sammlung im Museum wurde von
mir aus der Theresienstädter Liquidationsmasse gerettet." Erwähnt
werden noch Sammlungen der Wiener Library in London.

Die L i t e r a t u r liste, 355 Nummern umfassend, dürfte
für die zukünftige Erforschung der größten Judenverfolgung in