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Ausgabe:

1955 Nr. 3

Spalte:

149-152

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Der Rig-Veda 1955

Rezensent:

Weller, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1955 Nr. 3

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Im Anhang ist kurz von dem historischen Aspekt des Johannesevangeliums
die Rede. Zu der Frage, in welchem Ausmaß
das Vierte Evangelium als historisches Dokument gewertet werden
kann, verhält D. sich vorsichtig, doch erklärt er: I believe
that the course which was taken by Leben-Jesu-Forschung during
the nineteenth Century proves that a severe concentration on
the Synoptic record, to the exclusion of the Johannine contri-
hution, leads to an impoverished, a one-sided, and finally an
incredible view of the facts — I mean, of the facts, as part of
history (S. 446). Eine gewisse Berechtigung ist diesen Worten
wohl nicht abzusprechen, doch wird sich eine sorgfältige Quellenscheidung
als unumgänglich nötig erweisen, bevor man an die
Frage der Geschichtlichkeit des Johanneischen Berichtes überhaupt
herantreten darf. Wenn es dem Verfasser des Evangeliums
darum ging, neben einem Bericht über die Passion ein „Book of
Signs" zu geben, und wenn „sign" in dem Sinne von „unseen
reality" verstanden sein will, so ist es schwer vorstellbar, wie
man darin „facts as part of history" finden soll.

Aus der Fülle und dem Reichtum des Doddsdhen Werkes sei
nur Einzelnes herausgegriffen: zu 6 äßVOS tov üeov 6 üI'qcov
l'tv ä/uagziav xou xoopov (1,29) bemerkt D„ daß es sich hier
nicht um die paulinische Idee des stellvertretenden Sühnetodes
handle, sondern daß „die Sünde der Welt hinwegnehmen" bedeute
aller Verderbtheit der Welt ein Ende zu bereiten und im
"lessianischen Sinn den sündlosen Zustand der Kreatur wiederherzustellen
. Dodd hat hier, mehr „radikal" als Bultmann (der
annimmt, daß der Evangelist „an die sündentilgende Kraft des
Todes Jesu gedacht, also das Lamm als Opferlamm verstanden"
hat), 2U einer klaren Unterscheidung johanneischer von paulini-
schen Gedanken — wie übrigens in anderer Beziehung Bultmann
selbst — beigetragen". Dodds Erklärung scheint den Vorzug zu
Verdienen; wenn man zwar versucht sein könnte, in 10, 15 die
Idee des Sühnetodes hineinzulesen, ergibt sich doch daraus, daß

seiner Absichten beim Verfassen des Evangeliums. Daraus ergibt
sich, daß Ds. Buch ein mehr einheitliches Gesamtbild zu vermitteln
in der Lage ist. Bultmanns Zielsetzung war die schwierigere.
Da er außer ideengeschichtlichen Zusammenhängen audi quellenkritischen
Fragen nachgeht, umfaßt sein Werk den bei weitem
breiteren historischen Rahmen. Dodd, der vom Gedanken der
Einheit und der Einheitlichkeit des Vierten Evangeliums ausgeht
, zeigt sich von D. F. Strauß' berühmtem Vergleich des Johannesevangeliums
mit dem hohepriesterlichen Rock beeindruckt
( — es kommen doch hier und da Stiche und Nähte zum Vorschein
! Daß der Evangelist heterogene Quellen benutzt hat, die
zusammenzuschweißen ihm nicht restlos glückte, wird sich auch
nach der Lektüre des vornehm-schönen Buches von D. nicht in
Abrede stellen lassenl). Am interessantesten ist natürlich ein
Vergleich der Einstellung beider Verfasser zur Frage des Verhältnisses
des Vierten Evangeliums zum Mandäertum und der
orientalischen Gnosis schlechthin. Dodd geht in seiner Ablehnung
„mandäischer" Einflüsse auf die Gedankenwelt des Vierten Evangelisten
auf Bultmanns Aufsatz „Die Bedeutung der neuerschlossenen
mandäischen und manichäisdhen Quellen für das Verständnis
des Johannes-Evangeliums" (ZNW XXIV, 100—146)
vielfach ein. Man kann sich dabei nicht des Eindrucks erwehren,
daß D., bei aller Vornehmheit in der Diskussion, doch Bultmann
nicht ganz gerecht wird. Die Fragestellung ist gewiß nicht, ob
die mandäischen Schriften, die wir kennen, in wie immer primitiver
und primärer Gestalt einen Einfluß auf die Denkweise des
Johannesevangelisten ausgeübt haben; die Fragestellung ist, ob
der Enosch-Uthra-Mythus der Mandäer, der Anthröpos-Mythus
des Poimandres und der Hios-tou-Anthröpou-Mythus der Evangelien
auf eine gemeinsame Urform zurückgehen, und ob diese
Urform innerhalb oder außerhalb des von synkretistischen Einflüssen
berührten Spätjudentums zu suchen ist. In ihrer Bestimmung
des geistesgeschichtlichen Hintergrundes des Vierten Evan-

es ni Z füT m"emzul"eni; ^Tr Ui, iTZ <Z W Seliums SeIanSen Bultmann und Dodd zu weitverschiedenen Er
es n.cht das Lamm sondern umgekehrt der Hirt ist der sein Le- , bnissen. während nadl g das Joha„nesevangelium in der
ben hingibt, daß D. hier richtig gesehen hat. Vollends zeigt j f. „„. , „ vnn nripnt9,ieA„ alw niAtt „JL*

ls. 13 in der Schlichtheit seiner Fassung — die Worte mögen sich
in einer vom Evangelisten benutzten Quelle auf das Schweigen

Hauptsache von orientalischen, aber nicht spezifisch jüdischen
(genauer gesagt, nicht biblisch-jüdischen) Grundvorstellungen

Iec„ j i j a u u u j„ß „;,4, ™ v;„,*=„ i ausgeht, sieht D. den geistigen Nährboden des Evangelisten in

Jesu vor dem Landpfleger bezogen haben — daß sich im Vierten | . " , , u • ci «n . ,. j 7i,i,

Fv„„ i- ic- t u ™ , „„!,.„( j„, m„„.,*.i,„i* i einem vom Judentum beeinflußten spatgriechischen „Milieu .

tvangehum keine Spur einer Lehre vom Loskauf der Menschheit Wenn ^ ^ außerkanonische jigPncfstisdle.. Judentum der

durch Jesu Tod finden laßt. I Zeitenwende mehr bekannt sdn wird> als dks heute noA def

In seiner Deutung der Fußwaschungspenkope und der sich j Fan ist> wird skh vieneicht ergeben, daß die beiden Auffassungen

daran anschließenden Belehrung der Jünger durch Jesus (13,4-10, nkht so unvereinbar sind, wie es zunächst den Anschein hat18

12—15) hätte der Vf. auf die Darstellungen Hans von Campen- I „. . ^, . .... ._„.„. ..

hai.o -7 ai „ t„u m in" /"7MW yyyti Wenn im (Jbigen in unverhaltnismaßiger Breite stellenweise

nausens „Zur Auslegung von Jon. 13,6—10 U-INW aaaü ,__,. D , " r> ij i_ * 'i. , „ £ ,

2*0 r r i rv c„ß„,„„j,„„„" /7WWYYYVIII ' davon die Rede war, was Dodd nach Ansicht des Referenten in

■"9—271), Ernst Lohmeyers „Die Fubwaschung (ZNW AAAVUI ; . „ , ., , ,

74 oa ja r.j.1 i .™ t„fl™,»A,mn seinem Buche nicht gegeben hat, so soll dies niemanden verleiten,

'4—94) und Anton Fndnchsens „Bemerkungen zur hubwaschung i- • u«- j d » -i n w r

gtot." XXXVIH 94"96) ZU VerWdSen Gelegenhdt ! ^.l^^^^^^l^rZ

Es drängt sich die Versuchung auf, Vergleiche zwischen dem
Buche Dodds mit Bultmanns „Das Evangelium des Johannes" anzustellen
. Das Bultmannsche Werk aus dem Jahre 1941 war D.
Wegen des Krieges nicht zugänglich, und die Neuauflage aus dem
Jahre 1950 war noch nicht erschienen, als Ds. Werk seinen Ab-

Nörgelsucht zu sehen. Es ist kaum möglich, diesem Werke im
Rahmen einer Buchbesprechung gerecht zu werden. Ich kenne
kein im letzten Vierteljahrhundert in englischer Sprache erschienenes
theologisches Werk, das es an Bedeutung mit diesem Buch
von Dodd aufnehmen kann. Die Spannweite des Blickes und der
Darstellung, des Verfassers Ideenreichtum und Urteilskraft, und
senluß fand. Eine Aussprache zwischen beiden Autoren, die heute j ]ast not Jeast dje Vornehmheit in der Diskussion mit Vertretern
Wle kein anderer berufen sind, Aufschluß über Wesen und Art
des Johannesevangeliums zu geben, wäre ungemein fruchtbar,
aber ein Vergleich der Werke beider ist schwer durchführbar, da
d'e Zielsetzung der Verfasser eine verschiedene war. Das Bultgegenteiliger
Auffassungen, sind über Lob und Tadel erhaben.
Es ist ein Buch, wie es in einem Lande im Laufe einer Generation
nur einmal geschrieben wird.

•"annsdie Werk ist ein Kommentar, das von Dodd eine Einfüh- | ") Mit aller Vorsicht hat Gilles Quispel seinen Standpunkt vor-
rung in die Geisteswelt des Evangelisten und eine Darstellung ^8 folgendermaßen zum Ausdrude gebracht: „Der gnostische An-

———_ thropos stammt . . . soweit wir das neue Material jetzt zu uberblicken

12) Siehe auch Maurice Goguel: Paulinisme et johannisme (Revue vermögen, aus der jüdischen Tradition" (Der gnostische Anthropo» und
d'Histoire et de Philosophie religieuses X 504-526, XI 1—19, 127 die jüdische Tradition, I.e., S. 227).
-156). _

RELIGIONSWISSENSCHAFT

G «I d n e r, Karl Friedrich, Prof.: Der Rig-Veda. Aus dem Sanskrit
ins Deutsche übers, und mit einem laufenden Kommentar versehen.
3 Teile. Cambridge: Harvard Univ. Press; Wiesbaden: Harrassowitz

195l. XIX, 490 + IV, 435 + IV, 418 S. 4° = Harvard Oriental Series
ed. by Ch. R. Lanman, Vol. 33, 34, 35.

Das Lebenswerk eines Wissenschaftlers abgeschlossen vor
sich liegen zu sehen, beglückt immer, und besonders wenn widrige
Umstände schließlich doch überwunden werden, die Lebensarbeit
eines Forschers der Fachwelt und der Allgemeinheit zugänglich
zu machen, werden alle denjenigen freudig herzlichen
Dank spenden, welche ein solches Unternehmen glücklich zu
Ende führten.