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Ausgabe:

1954 Nr. 2

Spalte:

122-123

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Müller, Caspar Detlef G.

Titel/Untertitel:

Die alte koptische Predigt 1954

Rezensent:

Müller, Caspar Detlef G.

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 2

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als materia conscicntiae erreicht die fortschreitende Erhebung des humanen
ethischen Elementes als Prinzip der Ethik ihren Höhepunkt. Die
Lehre von den „Krankheiten" des Gewissens, conscientia errans, vul-
nerata etc., macht aber die lex positiva unentbehrlich. Dannhauers
Ethos kann daher bezeichnet werden als die freie Gefolgschaft dem den
Menschen innerlich treibenden Dekalog nach, soweit es Wissen und
Gewissen zulassen, und nicht über die Grenze hinaus, die der äußerlich
entgegengesetzte Dekalog aufrichtet.

Teil 1, 3 gibt an, wie die Grundlagen der Ethik, Dekalog und Gewissen
, in der speziellen Ethik zur Ausbildung einer Tugendlehre und
einer Kasuistik führen, diese als praktische Anwendung der Lehre vom
Gewissen, jene als praktische Anwendung der Lehre vom Dekalog. Für
die Tugendlehre wird entscheidend, daß Dannhaucr die Tugenden des
1. Gebotes, „Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen",
nur primi inter pares sein läßt, weil er den Dekalog grundsätzlich moralisch
versteht. Dies dürfte eine Folge des Mißverständnisses des Verhältnisses
von Gesetz und Evangelium sein. In der Kasuistik hält er
wie in der Tugendlehre das in der Prinzipienlehre entwickelte Ethos
im allgemeinen durdi.

Teil II, 1 mißt dem katholischen Einfluß nur formale Bedeutung
bei. Es handelt sich hauptsächlich um Übernahme der Termini Technici
für die Gewissenslehre aus den scholastischen Systemen.

Teil II, 2 stellt in der Gewissenslehre weitgehende Übereinstimmung
mit dem Wittenberger Theologen Balduin fest, verschiebt jedoch
eine Entscheidung darüber auf II, 3. Dagegen wird gezeigt, daß Dannhaucr
in den wichtigsten speziellen ethischen Fragen von Gerhard und
Balduin stark beeinflußt ist.

Teil II, 3 zeitigt als wichtigstes Ergebnis die Ableitung der wesentlichen
Punkte der Dannhauerschen Prinzipienlehre von dem in Holland
wirkenden englischen Puritaner Amesius, welcher wiederum ein
Schüler Perkins', des Haupttheologen des englischen Puritanismus, war.
Der Einfluß auf Dannhauer gestaltet sich somit auf viererlei Weise:
1. liefert die Scholastik einige Termini der Gewissenslehre, 2. gelangen
die grundsätzlichen Linien der Ethik, die Autorität des besonders mit
dem Dekalog verbundenen Gewissens, entweder vom Puritanismus durch
Amesius direkt zu Dannhauer, oder sie erreichen ihn 3. von Perkins
auf dem Umwege über Balduin, und schließlich ist 4. eine beträchtliche
Beeinflussung in speziellen ethischen Fragen von Gerhard und Balduin
festzustellen.

Der Anhang weist nach, daß Spener wohl in speziellen ethischen
und kirchlichen Fragen stark von Dannhauer beeinflußt ist, Luther aber
grundsätzlich besser verstanden hat, als Dannhauer dies vermochte.

M o I t m a n n, Jürgen: Gnadenbund und Gnadenwahl. Die Prädestinationslehre
des Moyse Amyraut, dargestellt im Zusammenhang der
heilsgeschichtlidi-föderaltheologischen Tradition der Akademie von
Saumur. Diss. Göttingen 1951.

Die hugenottische Theologie der Akademie von Saumur ist neben
dem Coccejanismus die bedeutendste dogmatische Neubidung an der
Grenze zwischen Orthodoxie und Aufklärung. Von einer streng heilsgeschichtlich
aufgebauten und förderaltheologisch konzipierten Systematik
her ist hier der Versuch unternommen, die seit der Dordrcchter
Synode 1618/19 in einer Aporie enden wollenden Diskussion um
Universalismus und Partikularismus der Gnadenwahl zu klären. Während
Coccejus am Problem der Prädestination seine neue heilsgeschichtliche
Methode zurückstellt und die orthodoxen, infralapsaristischen Formeln
nachspricht, ist man in Saumur von ähnlichen Voraussetzungen her gerade
auf diesen Punkt konzentriert.

Die Untersuchung setzt ein bei dem geistigen Haupt der Akademie,
dem Schotten John Camero (1 581 — 1625). Ohne seine Theologie
ist weder die Prädestinationslehre Amyrauts, noch die Bibelkritik Louis
Capelles, noch die Erbsündenlchre des de la Place, noch die eigenartige
Verbindung von r.tmistischcr Philosophie und Förderaitheologie,
die für Saumur kennzeichnend ist, zu verstehen. Er ist ferner als der
theologische Vater des neuen „legitimistischen Geistes" im Hugenotten-
tum gegenüber dem Absolutismus Richelieus anzusehen. Camero sah
seine Aufgabe darin, ein „Systeme de conciliation entre l'arminianisme
et le gomarisme" zu entwerfen. Auf Grund welcher neuen Perspektive
sah er Möglichkeiten der Vermittlung? — Die Untersuchung weist
nach, daß seine Theologie weder — wie Arminianer und Lutheraner
sagten — im orthodoxen Calvinismus, noch — wie Gomaristen behaupteten
— im Arminianismus, sondern in der „deutschreformierten
Tradition" wurzelt. Camero hat in Heidelberg studiert und sich dort
1608 mit einer Thesenreihe über den dreifachen Bund Gottes mit den
Menschen in die deutschreformierte Tradition mclanchthonischer Prägung
gestellt. Diese Thesen sind für die ganze Akademie von Saumur
programmatisch geworden. Er hat ferner die Gutachten der Dordrcchter
Mittelpartei, vor allem die der Bremer Deputierten M. Martinius und
L. Crocius, aufgenommen und weiterentwickelt. Die Untersuchung widerlegt
damit die These H. Heppes, daß die „deutschreformierte Tradition"
gegen Ende des 16. Jahrhunderts vom orthodoxen Calvinismus assimiliert
worden sei. Die Tradition hat in der Theologie von Saumur
vielmehr einen vollendeten Ausdruck gefunden und weiterhin folgenschwer
den Übergang von der Orthodoxie zur Aufklärung beeinflußt.

Der zweite Teil der Untersuchung gilt dem größten und bekanntesten
Theologen der hugenottischen Kirche im 17. Jahrhundert, dem
Schüler Cameros und nach ihm Professor in Saumur: Moyse Amyraut
(1596—1664). Amyraut entwickelte die Ansätze seines Lehrers
zur Versöhnung jener Gegensätze weiter und verband sie mit einer
energisch gegen die Genfer und Leydener Schule, gegen Beza und Goma-
rus, vorgetragenen Calvinrenaissance. Aus seiner neuen Formulierung
der Prädestinationslehre, in der ein universaler Gnadenbund mit einer
partikularen Gnadenwahl heilsgeschichtlich verbunden ist, wird deutlich
, warum die große Alternative der reformierten Orthodoxie nicht
schon von den Reformatoren empfunden wurde und warum Calvin und
Melanchthon vielmehr um ein optime convenire beider Aussagen der
Sdirift wußten. So stellt sich seine Vermittelungstheologie dar als eine
Wiederaufnahme reformatorischer Gedanken, die in den großen Schulsystemen
der Orthodoxie keinen Platz gefunden hatten.

Am Problem der Prädestination wandelt sich aber auf der anderen
Seite die reformatorische Olfenbarungslheologie Amyrauts zu einer
Theologie der Heilsgeschichte. Die föderaltheologische Idee einer stufenweisen
Offenbarung unter der Paedagogia Dei wandelt sich zu der
religionsphilosophischen Vorstellung der Aufklärung von einer fortschreitenden
Erziehung und Läuterung des Menschengeschlechtes. Dieser
Übergang wird bei Amyraut an folgenden Punkten greifbar: Die von
der altreformierten Orthodoxie neu formulierte Lehre von der immanenten
Trinität wird aufgelöst zur Lehre von den drei Zeitaltern, des
Vaters und des Sohnes und des Geistes. Der Naturbund, der Gesetzbund
und der Gnadenbund werden als Offenbarungszeiten Gottes eingeordnet
und relativiert auf die verborgene „Weisheit" der göttlichen
Pädagogie, während entsprechend die Offenbarung des Erwählungsrat-
schlusses aus dem Gnadenbund ausgeklammert und zu einer Sache des
Eschatons gemacht wird. Der Begriff der Akkommodation Gottes, der
in der Religionsphilosophie der Aufklärung eine so große Rolle spielt,
ist schon hier bestimmend. Gegenüber Calvin ist auch der Gnadenbund
verstanden als eine Akkommodation Gottes auf dem Wege zum
Ziel der Heilsgeschichte.

Einflüsse des Amyraldismus lassen sich u. a. in Frankreich bei seinem
Schüler Claude Pajon, in England bei Richard Baxter und in
Deutschland vor allem bei Joachim Lange in Halle nachweisen. Ein Teil
der Ergebnisse dieser Untersuchung ist durch den jetzt veröffentlichten
dritten Band des Werkes von H. E. Weber „Reformation, Orthodoxie
und Rationalismus" bestätigt.

Müller, C. Detlef G.: Die alte koptische Predigt (Versuch eines
Überblicks). Diss. Heidelberg 1953.

Die Arbeit hat ein zwar wichtiges, aber bisher nur wenig beachtetes
Teilgebiet der Predigtgeschichte zum Gegenstand. Da alle Vorarbeiten
fehlen, handelte es sich darum, zunächst überhaupt mit der
koptischen Predigtliteratur bekanntzumachen. Wortgetreue Übersetzungen
kamen wegen der oft unwahrscheinlichen Länge der Predigten
nicht in Frage. Ausführliche Inhaltsangaben ersetzen ihre Stelle. Der
Stoff wurde in 4 Teile gegliedert: Homilien über biblische Themata,
über die Engel, über die Jungfrau Maria und über die Heiligen. Jedes
Kapitel macht in den Einleitungen mit den einzelnen Homilien und der
Person des Verfassers bekannt. Die nötigen historischen Erklärungen
werden gegeben; textkritische Bemerkungen schließen sich an. Eine
möglichst große Anzahl von Predigten wird vorgeführt; bei dem Rest
wird der Inhalt wenigstens kurz skizziert. Eine Analyse der Predigtform
folgt: Einleitungs- und Übergangsformeln, Anrede der Hörer durch
den Prediger, Ermahnungen, Lasterkataloge, Lobpreisungen, Beziehung
zwischen Prediger und Gemeinde, biblische und außerbiblische Zitate.

Homilien bis etwa zum 9. Jahrhundert wurden berücksichtigt, arabische
jedoch nur erwähnt. Herangezogen werden konnte nur publiziertes
Material. Wichtige unpublizierte Manuskripte wurden nach Möglichkeit
genannt. Vollständige Erfassung der zugänglichen Überlieferung
wurde erstrebt. Ein großes, praktisch so gut wie unbekanntes Material
wird so dem Kirchen- und Dogmenhistoriker zur Verfügung gestellt.

Zur Orientierung geht ein Kapitel über die griechische Predigt,
vornehmlich des 4. Jahrhunderts, voraus. Es gibt einen Überblick über
die wichtigsten Prediger von der apostolischen Zeit an und soll die
Einordnung der koptischen Predigt in die gesamtkirchliche Predigtgeschichte
erleichtern.

Das Schlußkapitel über die «ars praedicandi» der koptischen Kirche
stellt noch einmal die Bemerkungen zu den einzelnen Predigten in
einen großen Zusammenhang und weist dabei auf die griechische Predigtkunst
hin. Es folgt der Versudi einer kurzen Charakterisierung