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Ausgabe:

1954 Nr. 12

Spalte:

747-749

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schniewind, Julius

Titel/Untertitel:

Abendmahlsgespräch 1954

Rezensent:

Doerne, Martin

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 12

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Daß selbst in einer nüchternen Tabelle das Interesse des
Verf. fühlbar wird — es ist den Liebeswerken der Kirche zugewandt
— ist keineswegs ein Fehler. Aber der Druckfehlerteufel
hat leider einige wichtige Zahlen und Namen in Unordnung
gebracht. Es muß heißen: Bischof Bernward von Hildesheim.
1414—1418 Konzil zu Konstanz. 1663—1727 August Hermann
Francke. 1778—1855 Claus Harms.

Für eine Neuauflage würde ich vorschlagen: Die Päpste gehören
in die kirchengeschichtliche Rubrik. Ich würde das vorsichtige „ca" noch
bei anderen Daten verwenden: beim Apostelkonzil, bei Marcion, für
den 144 vorzuziehen ist. Bei Benedikt müßte die stabilitas loci erwähnt
werden. Die „iroschottische Mission" erweckt falsche Vorstellungen
. Die „Verarmung der Frömmigkeit" während der Aufklärung
ist ein Werturteil, das in einer Tabelle fehlen kann. Für 1803 würde ich
den Reichsdeputationshauptschluß in Regensburg vorziehen. Bei der
hl. Allianz kann wiederum das Werturteil fehlen. Bei D. Fr. Strauß
überrasdit die „Leugnung der Gesdiichtlichkeit Jesu". A. Ritsehl kann
man auch bei aller Kürze nicht zur führenden Gestalt der liberalen
Theologie machen.

Jena H. Jursch

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

S c Ii n i e w i n d, Julius, u. Sommerlath, Ernst: Abendmahlsgespräch
. Hrsg. v. Edmund S c h 1 i n k. Berlin: Töpelmann 1952. 54 S.
8". DM 4.80.

Das „Abendmahlsgespräch", dessen wesentlichen Ertrag diese
leider verspätet angezeigte wichtige Schrift festhält, fand auf
Einladung der Kirchenkanzlei im Frühherbst 1947 in Frankfurt
a. M. statt. Die Gesprächsleitung hatte Julius Schniewind, beteiligt
waren G. Bornkamm, Fr. Delekat, E. Käsemann, Edm.
Schlink, E. Sommerlath, Eth. Stauffer, H. Vogel, O. Weber.
Schniewinds großliniger Gesamtbericht, mit den z.T. kritischen
Ergänzungen von E. Sommerlath der erste Hauptteil des vorliegenden
Heftes (S. 9—22), wurde, von K. Aland mit einer Voranzeige
des Ganzen eingeführt, bereits in ThLZ 1951, Sp. 187
—192 gedruckt. Hinzugekommen ist ein ausführliches Vorwort
Edm. Sdhlinks (S. 3—8), das die Ausgangslage, die Absichten und
vorläufigen Ergebnisse des Frankfurter Gesprächs erläutert, und,
mehr als die Hälfte der Schrift umfassend, der systematische
Vortrag E. Sommerlaths „Der Stand der Abendmahlsfrage"
(S. 23-54).

Der Kampf der Bekennenden Kirche in der Zeit nach 1933
hat für viele evangelische Christen und Theologen die Frage
nach einer möglichen Überbietung der Lehrgegensätze der Reformationszeit
in einem neuen Konsensus De coena Domini noch
dringlicher gemacht, und die neutestamentliche Wissenschaft hat,
mitten in der komplexen Vielheit ihrer Neuansätze zur Aufhellung
des Ursprungsbefundes, den Ernst ebenso wie die Hoffnungen
solchen Bemühens sichtbar machen helfen. — Der Zusammenklang
der biblisch-exegetischen und der kirchlich-praktischen
Impulse in Richtung auf eine „neue" Lehre vom Abendmahl
kommt in J. Schniewinds Grundbericht eindrucksvoll zu
Gehör. Eine breite Basis gemeinsamer Leitgedanken wird hier
aufgewiesen: Abkehr von der falschen Trennung zwischen „Leib"
und „Geist" Christi (9), starke Wiederaneignung des eschato-
logischen Ur-Charakters des Mahles, neues Begreifen der Einheit
von „Triumph- und Todesworten" in den verschiedenen Überlieferungsstücken
(11). „Die Einheit aller Zeugnisse liegt darin,
daß Jesus als der Sterbende zugleich der Triumphierende und in
seinem Mahle zugleich der Gegenwärtige und der sich Opfernde
ist" (13). In das von Schniewind so umrissene Gesamtverständnis
des Mahles ist also das Sakramentale ursprünglich mitbeschlossen
, und ebenso der übergreifende Lebenszusammenhang
zwischen Herrenmahl und Ekklesia, wie er sich in der eigentümlichen
Doppelbedeutung von „Leib Christi" l.Kor. K> spiegelt.
Seinen eigenen Standort innerhalb der dogmatisch-konfessionellen
Kontroverse bestimmt Sehn, mit dem Satze: „Das Personhafte
ist eins mit der Leibhaftigkeit" (17). Insoweit wird die
sog. Objektivität des im Mahle sich vollziehenden Heilsgesche-
hens bejaht. Doch weist nach Sehn, das neutestamentliche Gesamtzeugnis
hier wie überhaupt über den traditionellen Begriffsgegensatz
„objektiv — subjektiv" hinaus.

Hier geht, wie Schniewinds Schlußskizze und von der anderen
Seite her Sommerlaths „Ergänzung" zeigt, das Gespräch in
die Sachfrage „Wort und Sakrament" über, die neben der exegetischen
Primärfrage ihren eigenen Bereich hat. — Es ist tief zu
beklagen, daß Schniewind, kaum ein Jahr nach jenem Frankfurter
Gespräch abgerufen, nicht mehr die vorgesehene Abrun-
dung seines Berichts hat geben können. Wohin seine Gedanken
zielen, ist behutsam, aber klar angedeutet, wenn er sagt, alle
mögliche Rede von den „Kräften und Charismen im Abendmahlssakrament
" bedeute dies, „daß die Sündenvergebung ins einzelne
hinein entfaltet wird" (19).

Mit diesem heilspersonalistischen Verständnis des Abendmahls
gibt sich Sommerlath nicht zufrieden. Schon im Verlauf des
Gespräches seien, so schreibt er an Schniewind, die dinghaften
Bezüge des Sakraments kräftiger betont worden als sein Resume
erkennen lasse. Und vollends nachdrücklich wird dieser ins Dinghafte
hinübergreifende „Realismus" in Sommerlaths systematischem
Referat vertreten, unter entschlossener Wiederaufnahme
der kritisch-polemischen Kampfformeln des alten wie des neuen
Luthertums („Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi" S. 34 ff.,
„Objektivität" der Mahlgabe 44 ff. usw.). Von einer vorsichtigen
Abwägung des Rangverhältnisses zwischen exegetischen und
dogmatischen Lehrkriterien schreitet Sommerlath zu scharf pointierter
Neubejahung der konfessionell-lutherischen Lehrform
fort; das hier Dargebotene fällt mit seiner Interpretation der
Abendmahlslehre Luthers („Der Sinn des Abendmahls" 1930 und
„Das Abendmahl bei Luther", Beitrag in H. Sasses Sammelwerk
„Vom Sakrament des Altars" 1941) inhaltlich in eines. Als das
treibende Motiv von Luthers Lehre, aber auch ihrer Fortbildungen
und Implikationen bis ins 19. Jhdt. deckt S. einleuchtend
das vollkommene Ernstmachen mit der Inkarnation Gottes auf.
„Fleischwerdung" ist noch etwas mehr als „Menschwerdung" (20).
Jener auch von Schniewind vertretene Heilspersonalismus, dem
zufolge Jesus Christus in Person die eigentliche Heilsgabe des
Mahles ist, wird von S. weithin als eine spiritualistische Verengung
des biblischen „Realismus" beurteilt. S. beruft sich einerseits
auf die starke Betonung der sakramentalen (nicht „magischen
", vgl. 48 f.) Motive des Herrenmahls in der neueren Exegese
, andererseits auf die moderne Verneinung des Dualismus
von Natur und Geist, nebenher auch auf die Tiefenpsychologie,
die das Bewußt-Personale an den äußersten „Rand unserer Existenz
" verweise (49). Die Lehre von der materia coelestis des
Sakraments ist also die eigentlich gegenwartsgemäße, nämlich
konsequent realistische Doktrin, die letzte Verdichtung des lutherischen
Offenbarungsverständnisses gegenüber dem katholischen
, erst recht aber dem reformierten (29).

Die Lehrposition, die S. hier in der Form elastisch und gc-
sprächswillig, in der Sache unerschütterlich vertritt, hat neben
dem biblisch-exegetischen und dem dogmatischen auch noch einen
dritten Aspekt, nämlich den dogmen- und theologiegeschichtlichen
. Hier ist W. Eiert, profundester Kenner der alten Dogmengeschichte
unter Deutschlands evangelischen Theologen, kurz
vor seinem Tode mit einer bedeutungsvollen Monographie
„Abendmahl und Kirchengemeinschaft in der alten Kirche
hauptsächlich des Ostens" (Berlin 1954, Lutherisches Verlagshaus
) auf den Plan getreten. Ohne auf ihren Inhalt einzugehen,
mag man vermerken, daß Sommerlaths Berufung auf die Christo-
logie von Chalcedon bei Eiert, dem S. in der dogmatischen Haltung
nahe verbunden ist, schwerlich Bestätigung finden dürfte.
Die Rehabilitation des Monophysitismus, die ja wohl der geheime
Mittelpunkt von Elerts dogmengeschichtlicher Konzeption
ist, weist in ganz andere Richtung.

Aber die Fragen, die für eine Fortführung des Frankfurter
Gesprächs in den Vordergrund treten, richten sich an die Adresse
des Systematikers (und Apologeten) Sommerlath. Einige von
ihnen drängen sich unmittelbar bei sorgsamer Lektüre unserer
Schrift auf. Muß das von S. wohl mit Recht ins Zentrum gerückte
Interesse des Inkarnationsglaubens so nahe verknüpft werden
mit dem weltanschaulichen bzw. weltbildlichen Interesse eines
Monismus, der Geist und Natur in eines fassen will? — „Leibhaftigkeit
" der Heilsgabe — ja; aber soll die Leibhaftigkeit so
selbstverständlich auch als „Dinghaftigkeit" zu beschreiben sein,
wie Sommerlath zur Rettung der sakramentalen „Himmelsma-