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Ausgabe:

1954 Nr. 12

Spalte:

737-741

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kraus, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Gottesdienst in Israel 1954

Rezensent:

Rendtorff, Rolf

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Theologische Literaturzeitung 1954 Nr. 12

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und hier die Aufgabe für die Kirche gesehen werde, „middle
axioms" zwischen allgemeinen Grundsätzen und konkreten Forderungen
zu finden. — Dies ist die Spannung zwischen Spontaneität
und Programmatik.

Es ist zu bedauern, daß in den beiden besprochenen Werken
außer dem Mennschen Beitrag und der anschaulichen Schilderung
der „stewardship" in den lutherischen Kirchen der USA von
Dietrich die weittragenden Anstöße und Aufgaben, die uns durch
das diakonische Denken und Handeln in der Ökumene gegeben
sind, nicht ausführlicher zu Worte kommen. Durch sie ist die
diakonische Besinnung in Deutschland einfach in einen weltweiten
theologischen Rahmen hineingenommen und zugleich das
Handeln unserer Kirchen unter eine ökumenische Verantwortung
gestellt worden. So möchte man auf folgende Fragen Antwort
haben: Wie weit ist die sozialethische Arbeit von „Life and
Work", die in dreißig Jahren geleistet wurde (und in der die
Fragen etwa der „rettenden" und der „gestaltenden" Diakonie,
der sozialpolitischen Verantwortung der Kirchen usw. gründlich
verhandelt worden sind), Voraussetzung für das revolutionäre
Erscheinendes ökumenischen Hilfswerks seit 1945? Welches sind
die letzten charismatischen und eschatologischen Antriebe darin?
Hier wäre neben der Darstellung der Brüdergemeine und der Lutheraner
Amerikas auch eine über die Mennoniten und die Church
of the Brethren, deren übergroße Leistungen sehr eng mit ihren
geistlichen Fundamenten zusammenhängen, sehr erwünscht. Wie
steht es mit Diakonie und Kirche, Charisma und Amt draußen?
Was bedeutet schließlich dieses ökumenische Hilfswerk selbst als
ein eschatologisches Zeugnis? Das alles müßte eine diakonische
Besinnung in Deutschland sehr gründlich einbeziehen. Gewiß ist
uns die Frage noch immer im Sinne des Wichernschen Rufs in
eine von staatskirchlichem Erbe belastete Situation gestellt. Aber
werden wir die Antwort finden, wenn wir nur immer die Dialektik
dieser Frage umkreisen?

Die drei besprochenen Werke lassen erkennen, worin die
diakonische Besinnung uns über das neunzehnte Jahrhundert
hinausgeführt hat:

1) Die Kirche selbst, und damit ihre Diakonie, werden wieder
eschatologisch gesehen. In ihrem verkündigenden
wie tathaften Handeln setzt der erhöhte Herr durch Martyrie,
Liturgie und Diakonie sein prophetisches, hohepriesterliches und
königliches Werk fort und richtet er die Zeichen seines kommenden
Reiches auf. In der diakonischen Tat muß die Kirche ihre
Heilshoffnung gegenüber den säkularen Eschatologien des Marxismus
und Liberalismus bezeugen, in dem Wissen, daß sie damit
das Reich Gottes selbst auf Erden nicht aufrichten wird.

2) Das spiritualistische Kirchenverständnis, nach dem ein
„geistliches" Amt neben einer dem Säkularen entlehnten äußeren
Ordnung bestehen konnte, ist überwunden. Die Kirche wird
ebenso pneumatisch wie leibhaft gesehen. Jeder ihrer
mannigfachen Dienste von der Verkündigung bis zur Diakonie
des einzelnen ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Damit ist es
möglich geworden, der urchristlichen Fülle der Ämter in der
Kirche wieder gerecht zu werden, ohne einem falschen Amtsbegriff
zu erliegen. Die Diakonie ist eins dieser geistlichen Ämter
. Auf der anderen Seite wird das Recht charismatisch berufener
Bruder- und Schwesternschaften neben der Gemeinde gesehen.
Die Diskussion um „Kirche" und „Verein" ist grundsätzlich am
Ende und hat nur noch an historischen Restbeständen ihren Gegenstand
.

3) Die der Gemeinde anvertrauten Dienste sind in ihrem

ALTES TESTAMENT

Kraus, Hans-Joachim: Gottesdienst in Israel. Studien zur Geschichte
des Laubhüttenfestes. München: Kaiser 1954. 132 S. gr. 8" = Beiträge
zur evang. Theologie. Theol. Abhandl., hrsg. v. E.Wolf, Bd. 19.
Kart. DM 8.25.

Die Untersuchung beschäftigt sich — wie der Untertitel sagt
— mit dem Laubhüttenfest, und zwar nur mit dem zentralen Kult
des Zwölfstämmeverbandes. Sie will in bewußtem Gegensatz zu

Gottesdienst zentral verankert. Sie darf keinen, schon
gar nicht den der Diakonie durch „Delegation" auf freie Institutionen
aus ihrer Mitte entfernen.

4) In der ökumenischen Bruderhilfe bezeugen
die Kirchen der Welt ihre pneumatisch-eschatologische Einheit.

5) Das erste Kennzeichen der Diakonie ist das charismatisch
spontane, unprogrammatische, von der Barmherzigkeit
bewegte Handeln am Nächsten in seiner Not. Bereits
dieses Handeln erfordert aber in den weiten Räumen der
Christenheit den planvollen Einsatz der Mittel und Kräfte.

6) Darüber hinaus aber ist der Diakonie die (nicht weniger
der Gabe des Geistes und der Barmherzigkeit bedürftige) Aufgabe
gestellt, auf das „Löschen von Brandherden" in der Welt
bedacht zu sein und die Quellen des Unheils zu verstopfen, d. h.
sozialpolitische Einsichten zu erarbeiten und
danach in den überindividuellen Bereichen des Lebens zu handeln.
Um diese Ziele planvoll zu verfolgen, muß eine soziale Programmatik
gewagt werden, die jedoch an der eschatologischen
Grundhaltung der Diakonie gemessen und gegen die naturrechtlich
gebundene katholische Sozialpolitik theologisch abgegrenzt
werden muß.

7) Als Geistesgabe ist die Diakonie eigenen Ranges.
Obwohl eins mit dem gesamten Zeugendienst der Kirche, ist sie
eine eigene Tat des Gehorsams gegen das Gebot der Liebe. Sie
ist darum kein Mittel zum Zweck, kein Umweg, keine „Vorhofsarbeit
" für die missionarische Verkündigung. In ihrer Absichts-
losigkeit liegt ihre Zeugniskraft.

8) Der Bereich der „gestaltenden" Diakonie (im
Unterschied von der jedermann deutlichen „rettenden") ist
grundsätzlich noch wenig geklärt. Worte der Kirchenleitungen
etwa zum Lastenausgleich oder zur Familienpolitik, die Arbeit
unserer theologischen Sozialethiker oder die sozialpolitische der
Evangelischen Akademien sind im Grunde ebenso diakonisches
Handeln wie Aktionen einer Kirchengemeinde bei ihrer Stadtverwaltung
und wie letztlich viele Predigten. Und wo ist die
Grenze diakonischen Handelns zu ziehen, wenn es um das Recht
des Nächsten, um kulturelle, um innen- oder außenpolitische Fragen
geht? Beschränkt sich die Diakonie auf die helfende Hand,
oder ist ihr auch das Nachdenken aufgetragen? Wie ist in diesem
Rahmen die Aufgabe eines eigenen diakonischen Amtes abzugrenzen
?

9) Es ist ferner verwunderlich, daß eine Frage, die für die
Alte Kirche und für zahlreiche Kirchen der Ökumene selbstverständlich
zu bejahen ist, bei uns überhaupt nicht gestellt wird:
ob nicht die Diakonie des einzelnen Christen, soweit sie das
Opfer seiner Güter für die Sache seines Herrn betrifft, und zwar
für die Verkündigung daheim, die Heidenmission und die Liebestätigkeit
eine Einheit und somit die Verwaltung dieser „Handreichung
" insgesamt Sache des Diakonats, der „stewardship"'
ist, wie differenziert die Zweckbestimmungen der Opfer immer
sein mögen. Sollte der staatskirchliche Rest unseres Kirchensteuersystems
doch so stark sein, daß er uns am Denken hindert, und
daß wir uns dabei beruhigen, daß der eigene Kirchturm und der
eigene Pfarrer zwar von „Steuern", die Mission und die Liebestätigkeit
aber mit „freien Gaben" erhalten werden, daß letzteres
wohl, ersteres aber nicht mit Diakonie zu tun habe? Und wenn
schon harte historisch gegebene Notwendigkeiten von heute auf
morgen nicht zu ändern sind, sollten wir nicht wenigstens das
Ziel der rechten diakonischen Struktur der Kirche klar im
Auge behalten?

den heute verbreiteten „kultischen Pauschaltheorien" Wellhausens
Frage nach der G e s c h i c h t e des alttestamentlichen Gottesdienstes
wieder aufnehmen. Deshalb werden in der „Einführung
" (S. 9—17) die Thesen der „Prolegomena" Wellhausens über
die Geschichte des israelitischen Gottesdienstes referiert. Ihre
Fragestellung soll gegenüber neueren Forschungsmethoden — Mo-
winckel, die neuere skandinavische Forschung, Weiser — festgehalten
werden, wenn auch die Ergebnisse heute auf Grund der
Entdeckung der altisraelitischen Institutionen, der form- und überlieferungsgeschichtlichen
Fragestellung, der Vergleichsmöglich-