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Ausgabe:

1952 Nr. 6

Spalte:

343-348

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Moortgat, Anton

Titel/Untertitel:

Tammuz 1952

Rezensent:

Unger, Eckhard

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Theologische Literaturzeitung 1952 Nr. 6

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der Texte, die~an sich auf Berücksichtigung wohl Anspruch
hätten, bedeutet jede Auswahl notwendigerweise einen Verzicht
auf Beispiele, für deren Mitteilung sich beachtenswerte
Gründe ins Feld führen ließen. So soll, wenn in dieser Hinsicht
einiges gesagt wird, das nicht eigentlich als Kritik gelten,
sondern nur dazu dienen, die Art der hier getroffenen Auswahl
etwas klarer zu machen.

Der Vergleich des vorliegenden stattlichen Bandes mit
Greßmanns „Altorientalischen Texten zum Alten Testament
", von denen Pritchard sagt (S. XV), daß sie ihm und
seinen Mitarbeitern bei der Behandlung der Frage nach der
aus den Texten zu treffenden Auswahl, wenn auch nicht als
Vorbild, so doch als Diskussionsbasis gedient hätten, zeigt,
daß, während dort auch Altsüdarabische Inschriften und eine
stattliche Anzahl norwdestsemitischer Texte gebracht werden,
im vorliegenden Bande Altsüdarabische Inschriften ganz fehlen
und von den Nordwestsemitischen Texten manche bei G r e ß -
mann zu findenden, etwa die aus Sendschirli, hier fortgelassen
, auch nicht etwa, wie man vielleicht hätte erwarten
können, durch die inzwischen entdeckten Karatepe-Inschriften
ersetzt worden sind. Anderseits weist die neue Sammlung - dem
in der seit dem Erscheinen von Greßmanns Buch verflossenen
Zeit wesentlich vermehrten Bestand an Texten entsprechend
— ihm gegenüber ein sehr erhebliches Plus an ägyptischen
, sumerischen, akkadischen und hethitischen Texten
auf. Hethitische Texte fehlten bei Greßmann so gut wie
ganz, und — um nur diese zu nennen — bei den sumerischen
sind neben anderen einige von Gilgamesch handelnde Dichtungen
, die sowohl um ihrer selbst willen wichtig sind als auch
Vorstufen des umfassenden Gilgamesch-Epos aus Assurbani-
pals Bibliothek darstellen und so dessen Vorgeschichte erhellen
helfen, sowie Lipit-Ischtars Gesetzeskodex hinzugekommen.
Unter den hier erstmalig einem breiteren Leserkreis zugänglich
gemachten hethitischen Texten aber befinden sich „Der Mythus
vom Königtum im Himmel" und „Das Lied von Ullikum-
mis", die beide zur Zeit im Mittelpunkt wichtiger Erörterungen
über die Zusammenhänge zwischen churitisch-hethitischen,
phönizisch-kanaanäischen und griechischen Mythen stehen
und vielleicht auch unmittelbar zum Verständnis eines Ausschnittes
aus dem Alten Testament beitragen können. Denn
man darf wenigstens die Frage auf werfen, ob zwischen den vier
sich in der "Weltherrschaft ablösenden Göttern Alalus, Anus,
Kumarbis, Wettergott und dem das Regiment des zuletzt Genannten
bedrohenden Steinungeheuer Ullikummis, von denen
die beiden hethitischen Texte erzählen, einerseits und
dem in Daniel 2 mitgeteilten Traum Nebukadnezars von der
die vier Weltreiche symbolisierenden Statue, die durch einen
sich vom Berge lösenden Stern zerschmettert wird, anderseits
nicht irgendwelche Beziehungen bestehen.

Der Herausgeber des vorliegenden Bandes und seine Mit"
arbeiter dürfen des Dankes aller Freunde des Alten Testaments
und des Alten Vorderen Orients für die reiche Belehrung
, die sie ihnen mit dem vorliegenden Bande ermöglicht
haben, gewiß sein. Zwei Wünsche gesellen sich diesem Danke
hinzu. Bei der gegenwärtigen Weltlage wird es in manchen
Ländern den einzelnen Studierenden und auch den einzelnen
Dozierenden nur selten möglich sein, sich dieses Buch anzuschaffen
. Um so notwendiger ist es, daß die Bibliotheken der
Seminare für Alttestamentliche Wissenschaft, für Orientalistik
und für Alte Geschichte es ihren Beständen einreihen und
ihren Besuchern zur Verfügung stellen. Der andere Wunsch
aber geht dahin, daß den jetzt erschienenen Texten bald in
gleicher Vollendung Bilder folgen möchten, die ebenfalls den
entsprechenden Band von Greßmanns Werk, nämlich seine
„Altorientalische Bilder zum Alten Testament", ersetzen und
überbieten können.

Halle Saale Otto Eißfeldt

Moortgat, Anton: TammilZ. Der Unsterblichkeitsglaube in der altorientalischen
Bildkunst. Berlin: de Oruyter 1949. VIII, 155 S. m. 60 Abb.,
62 Tat. gr. 8°. Hlw. DM 24.—.

In diesem Buch läßt M. zweimal die gesamte bildende
Kunst Vorderasiens Revue passieren, um seine Idee von „Tam-
muz und dem Unsterblichkeitsglauben in der Altorientalischen
Bildkunst" plausibel zu machen. Er hat sich also eine umfangreiche
Aufgabe gestellt. Es ist daher eine nicht minder
große Aufgabe, seine Behauptungen zu prüfen und die reli-
gionswissenschaftlichen, archäologischen und keilinschrift-
lichen Gesichtspunkte hierzu ins rechte Licht zu stellen, nach
dem Stande unsrer tatsächlichen Kenntnisse.

Es ist sehr bedauerlich, daß M. sich bei der Interpretation
der Keilinschriften vollständig auf Philologen, die kerne Archäologen
sind, verlassen muß (vgl. Vorwort und seine „Vorderasiatischen
Rollsiegel", Berlin 1940), und daß auch diese
Abhandlung eine selbständige und eigene Beurteilung der Inschriften
vermissen läßt. Hierzu kommt die bestimmte Äußerung
von Carl Frank (Kultlieder aus dem Istar-Tamuz-Kreis,
Leipzig, Harrassowitz, 1939, S. Vf.), der sich, als ausgezeichneter
Philologe und Kenner der vorderasiatischen Archäologie,
gerade auch mit dem Tamuz-Problem beschäftigt hat und
schreibt: „Auffallend ist ferner, daß es keinerlei bildliche Darstellung
dieses Gottes und seines reichhaltigen Mythos gibt."
Denn es steht m. W. fest, daß noch kein Bild oder Symbol
mit einer Beischrift auf Tamuz bezüglich gefunden ist.
Auch die hebräische Namensform „Tammuz" ist in Mesopotamien
unbekannt. Vielmehr gibt es einen Gott Dumu-zi („das
rechte Kind") und den nach ihm benannten Monat Du'uzu.
Ein weiterer heißt „Dumu-zi-apsu" („das rechte Kind des
Ozeans"), ein dritter Gott heißt Da-mu. Diese Kulte lassen sich
in altsumerischer und neusumerischer Zeit durch Inschriften
und Personennamen nachweisen, bis in die altbabylonische
Periode (Rim-Sin von Larsa) hinein, wo die Tamuzlieder kopiert
und bis in späteste Zeiten vervielfältigt wurden. Seit etwa
1800 v. Chr. spielt der Gott nur im Kult und in medizinischen
Texten der Beschwörungskunst eine verhältnismäßig nebensächliche
Rolle. Für die Religionswissenschaftler hatte bereits
vorsichtig und grundlegend der Assyriologe Heinrich Zimmern
in sehien „Tamuzliedern" und 1909 in „Der babylonische Gott
Tamuz" (ASGW 27) das Wesentliche gesagt, was wir über
diesen Gott wissen. Knut Tallqvist hat dann 1938 in seinen
„Akkadische Götterepitheta" S. 279, 469 an Hand weiterer
Inschriften unsre Kenntnis zusammengefaßt. Doch läßt sich
durch schärfere Beleuchtung dieser Texte noch mehr Klarheit
über das Wesen des sog. Tamuz gewinnen, vor allem über die
sumerische Religion.

M. beginnt jedesmal, bei seiner zweimaligen Wanderung
durch die Denkmäler, in der Vorgeschichte, die, mangels
Inschriften, stumm und schweigend die Bilder übermittelt.
Ihre Auslegung ist daher unbekannt. Jede Forschung aber geht
vom Bekannten zum Unbekannten. Da nun M. aber über Tamuz
und seinen Mythus alles das heranzieht, was bis in die
griechisch-römische Zeit über ihn überliefert ist, so erblickt er
bereits in den vorgeschichtlichen Bildwerken allerlei Motive
für den Unsterblichkeitsglauben, für „Stirb und Werde", und
gibt zunächst die Vorzeichen für seine Ideen über Tamuz
in seinem I. Kapitel (S. 3—26) mit der Tonart: „Zeitlos,
überzeitlich, übervölkisch". Hierbei muß man feststellen,
daß bisher überhaupt noch kein Stück eines Tamuz-Epos bekannt
ist. Es ist fraglich, ob „Istars Höllenfahrt" (Gressmanu,
AT AT, S. 206) hierzu gehört, da Istar hier dieHauptrolle spielt,
als ob sie selbst ein Tamuz wäre. M. gibt nun folgende Motive
an: 1. Lebensbaum mit 2 Haustieren. — 2. Held alsTierbezwin-
ger-Tamuz als Schützer des Viehs. — 3. Stier und Löwe im
Kampf (Kampf zwischen Gut und Böse). — 4. Symposion
(Trinkszene mit Musik). — 5. Tierkapelle. — 6. Erweiterung
und L'mwandlung der Motive (Wagenkampf, Jagd, Flügelsonne
). — Dies seien die Motive für Tamuz und den L'nsterb-
lichkeitsglauben.

In der 2. Reihe, Kap. II—IV geht M. die vorderasiatische
Bilderwelt im einzelnen durch und bespricht den „Tamuz-
Glauben" im Mythus und Kultus der Sumerer, auch im Totenglauben
, den der Semiten (Kap. III), der „Bergvölker" und
der Assyrer (Kap. IV). M. endet sogar in der romanischen Zeit,
um 1200 n. Chr. M. hätte auch noch bis 1949 gehen können.
Das „Uberzeitliche" der Motive ist lediglich eine Übernahme,
l'mwandlung und Wanderung der Motive, die jedoch im allgemeinen
mit dem mesopotamischen Tamuz und seinem Mythus
nichts zu tun haben. Dies möchte ich an einigen Beispielen
nachweisen.

Zu Motiv 1, „Lebensbaum mit 2 Haustieren". Es zeigt in ältester Zeit
je 2 Schafe, Ziegen, Rinder oder Antilopen seitlich eines Strauches mit achtblättrigen
Blumen und Knospen, später sind diese Sträucher zu Palmen umgewandelt
, zuletzt auf assyrischen Reliefs mit geflügelten Genien, die den König
schützen (Taf. 54). Sie bedecken die Wände zum Schutz gegen Dämonen, so
auch im Thronsaal (B) des Zentralpalastes von Kalchu, unmittelbar beim
Thron des Königs Assurnassirpal II. (Gruppe a), was M. unverständlich blieb
(Abb. 59, S. 163). Die Lösung dieses Problems ergibt sich aus der Fundlage
der beiden, hinter einem Strauch stehenden Ziegenböcke aus dem Grab PO
1237 in Ur, mit den 74 Toten, meist Frauen (Abb. 4, Taf. 25, b). Beide Ziegenböcke
fanden sich zu beiden Seiten des Oberkörpers der Königin im Grabe,
in der Ostecke. Sie waren Apotropäen, aufgestellt als List gegen das Eindringen
von solchen wirklichen Dämonen. Diese wurden durch das Vorhandensein
der beiden Figuren getäuscht, daß schon ihresgleichen anwesend seien.
Sie würden daraufhin abziehen, ohne dem Toten Schaden zuzufügen. Hier-