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Ausgabe:

1951 Nr. 2

Spalte:

91-95

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Echter-Bibel: Die Heilige Schrift in deutscher Übersetzung 1951

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1951 Nr. 2

02

im Alten Testament festzustellen und zu deuten. Er hat sich in
das Alte Testament nach Kräften einzuarbeiten bemüht, legt
im allgemeinen für das kanonische Alte Testament sowie für
Apokryphen und Pseudepigraphen den „Kautzsch" zugrunde
und hat sich auch sonst in der wissenschaftlichen Literatur
umgesehen; allerdings hat er leider für das Alte Testament
und vor allem für das Gebiet der altorientalischen Religionsgeschichte
vielfach ältere und teilweise wissenschaftlich veraltete
Literatur herangezogen. Die geschichtlichen und reli-
gionsgeschichtlichen Irrtümer, die das Buch aufweist, beeinträchtigen
freilich die Sache, um die es dem Verf. geht, nur
wenig; im großen ganzen hat der Verf. sich mit dem Gegenstand
des Alten Testaments auch in wissenschaftlicher Hinsicht
einigermaßen vertraut gemacht.

Der Verf. sucht nun alles das zusammenzustellen, was im
Alten Testament mit Mutter-Göttin-Kult zusammenzuhängen
scheint. Er weist mit Recht darauf hin, daß dieser Kult in der
„kanaanäischen" Welt und darüber hinaus im ganzen alten
Orient eine große Rolle gespielt hat und daß dieser Hintergrund
auch im Alten Testament hie und da noch sichtbar wird
in einigen offenbar übernommenen Vorstellungen vom Schöpfungsgeschehen
, von „Mutter Erde" und Unterwelt, von der
Heiligkeit von Bäumen usw., ferner auch in allerlei Elementen
kultischen Handelns. Er weist darauf hin, daß der alttesta-
mentliche Glaube im ganzen sich diesem Wesen gegenüber
strikt ablehnend verhalten hat, daß es also nur mehr am
Rande und vor allem in allerlei vom Alten Testament selbst
verurteilten „abgöttischen" Praktiken in Erscheinung tritt
und stärker erst in der nachkanonischen Literatur auftaucht.
Trotz dieser sachgemäßen Zurückhaltung geht er in seinen
Kombinationen doch gelegentlich zu weit, so in der Ausdeutung
von Gen. 1, 2b, in der Behauptung, daß in Ex. 20, 12a
ursprünglich nur von der Mutter die Rede gewesen sei, und vor
allem in der Deutung der Lade als eines von Haus aus muttergöttlichen
Symbols tellurischen Charakters, und zwar einer
„Stilisierung einer Erdspalte" (S.101). Mit Hinweisen auf

I. Sam. i, ioff. (wo von der Lade gar nicht die Rede ist);
6,7ff. (Kühe!) und 2. Sam.6, 5, 14 (Tanz) läßt sich diese kühne
These keinesfalls begründen. Auch daß in das Wesen Jahwes
selbst einige muttergöttliche Züge Eingang gefunden hätten
(S.71), kann man aus der bekanntlich so dunklen Stelle
Ex. 4, 24—26 durchaus nicht erschließen.

Das eigentliche Anliegen des Buches aber ist eine psych-
analytische Erklärung für die vom Verf. stark betonte und
sachlich zutreffende Tatsache der starken Abwehr alles Muttergöttlichen
im Alten Testament im auffälligen Gegensatz zu
der religionsgesctiichtlichen Umwelt des Alten Testaments und
zum großen Bereich der menschlichen Religionsgeschichte
überhaupt. Da mir ein Urteil über psychanalytische Argumentationen
nicht zusteht, beschränke ich mich darauf, die These
des Verf.s mitzuteilen. „Die einzigartige religiös metaphysische
Begabung des hebräischen Volkes" (S.159), die den alttesta-
mentlichen Glauben geprägt hat, muß bestimmt gewesen sein
durch „einen seelischen Konflikt des hebräischen Mannes",
der zu einer ständigen „Rivalität zwischen der jahwetreuen
Religion und ,dem Weibe'" geführt hat (S.149). Dieser Konflikt
(„Israels Urkonflikt") aber wird darauf zurückgeführt,
daß Israel in seinen Anfängen keine feste Beziehung zu einem
bestimmten Kulturlande gehabt hat; so kam es zu einem dann
schließlich „irreversibel" (S.155) gewordenen Zerwürfnis mit
dem Wirkungsbereich der Magna Mater.

Bonn Martin Noth

Echter-Bibel. Die Heilige Schrift in deutscher Übersetzung. Das Alte
Testament, hrsg. v. Prof. d. Dr. Friedrich Nötscher. Würzburg: Echter-
Verlag 1948/49/50. gr. 8°.

6. Lfg.: Ziegler, Joseph, Prof. Dr.: Ezechiel. 147 S. Nötscher, Friedrich,
Prof. d. Dr.: Daniel. 70 S. Kart. DM 6.60.

7. Lfg.: Rehm, Martin, Prof. Dr.: Die Bücher Samuel. 124 s. Die Bücher
der Könige. 136 s. Kart, dm 7.20.

8. Lfg.: Rehm, Martin, Prof.Dr.: Die Bücher der Chronik. 142S. Harnp,
Vinzenz, Dr: Das Buch der Sprüche. 86 S. Kart. DM 6.90.

9. Lfg.: Junker, Hubert, Prof. Dr.: Genesis. 146 S. Kart. DM 4.80

10. Lfg.: Rehm, Martin, Prof. Dr.: Esra — Nehemias. 62 S. Fischer,
Johann, Prof. Dr.: Das Hohe Lied. 31 s. Rut. 15 s. Das Buch der Weisheit
. 55 S. Kart. DM 5.20.

II. Lfg.: Stummer, Friedrich, Prof. d. Dr.: Das Buch Tobit. 35 S. Das
Buch Judit. 42 s. Das Buch Ester. 34 s.Hamp, Vinzenz, Dr.: Baruch.

26 S. Kart. DM 4.80.

Die Bibelerklärungen des Echter-Verlages sind in ihrer
allgemeinen Haltung und Bedeutung bereits an dieser Stelle
(74. Jg., 1949, S.214 — Lieferung 1—4 — und 215 — Lieferung
5) gewürdigt worden. Was dort gesagt worden ist, gilt
ebenfalls von den 6 seither erschienenen Lieferungen. Je mehr

Bände in der Sammlung erscheinen, um so deutlicher treten
die a. a. O. charakterisierten Kennzeichen hervor: Güte und
Verläßlichkeit der Ubersetzung, Stellung zum Text in einer
mild-kritischen UnVoreingenommenheit, konservativere und
vorsichtigere Haltung zu den Einleitungsfragen, Sorgfalt in
der Einzelerklärung, besonders zu den historischen und geographischen
Tatbeständen. Im Unterschied von ähnlichen
Sammelwerken im evangelischen Lager ist hier die Uniformität
stärker. Die Bücher machen fast den Eindruck, als seien sie
vom gleichen Verf. geschrieben, und mau muß schon genau
hinschauen, um die verschiedenen Individualitäten zu entdecken
. Verhältnismäßig wenig tritt die theologische Deutung
hervor; offenbar will die Anlage des Ganzen den Text einfach
sprechen lassen und mit den erklärenden Bemerkungen lediglich
eine Hilfsstellung geben.

Zu den einzelnen Arbeiten genügen einige Bemerkungen.
Zieglers Ezechielerklärung bringt eine nüchterne und besonnene
Einleitung. Die Frage einer etwaigen Abfassung in
späterer Zeit, als die Tradition voraussetzt, wird nicht erörtert
. Die Behauptung eines jerusalemischen Aufenthalts des
Propheten vor 587 lehnt Ziegler ab und entscheidet sich für
Annahme eines „Fernspruches". Dabei wird die These, daß
der Prophet „an krankhaften, pafaphysischen Zuständen gelitten
hat", abgewiesen. In der Textgestaltung arbeitet der
Verf. stark mit LXX und ist auch sonst in dieser Hinsicht
keineswegs unkritisch. Mit dem Buche Ezechiel liegt das prophetische
Schrifttum bereits vollständig in der Echterbibel vor.

Daniel ist mit Ezechiel zu einer Lieferung verbunden
und von Nötscher behandelt worden. Begreiflicherweise muß
dies Buch dem katholischen Verf. einige Not machen. Nötscher
wählt sehr richtig als Ausgangspunkt die Darstellung des
Unterschiedes von Prophetie und Apokalyptik und schildert
von daher den apokalyptischen Charakter des zweiten Teils
und seine „ungelösten geschichtlichen Schwierigkeiten". Er
erklärt sich das Werden des Buches so, daß ältere ,,Tatsachen -
und Visionsberichte" später zusammengefaßt und verarbeitet
worden sind; „nichts hindert anzunehmen, daß nicht nur Stoff
und Inhalt, sondern auch die Fassung der Einzelberichte an
die exilische Zeit heranreicht" (S.6). Die Unrichtigkeiten im
Text (Belsazer als König, Darius der Meder u. a.) werden
natürlich nicht verschwiegen; diese Problematik „bedarf der
geschichtlichen Klärung". Immerhin: „Auch traditions-
bewußte Erklärer rechnen . . . damit, daß ein in der Makka-
bäerzeit lebender Bearbeiter von ihm selbst bereits Miterlebtes
in die älteren Weissagungen miteinfließen ließ" (S.51). In
dieser Weise verläuft die Exegese; bemerkenswert ist, daß die
apokryphen Stücke in die Auslegung mithineingenommen und
dem Kap. 3 bzw. als Kap. 13 und 14 („Drei Erzählungen aus
dem Leben Daniels") beigefügt werden.

Die Samuelbücher, die mit denen der Könige in einem
Band vereint sind (Lieferung 7), sind wie diese von Rehm bearbeitet
worden. Als „religiöse Gesamtabsicht" des Werkes
wird angegeben, „das Walten Gottes in der Geschichte und
im Menschenleben aufzuzeigen". Daß „ältere Geschichtswerke
benützt" worden sind, wird angenommen (S.21: „Uber die
Entstehung des Königtums lagen dem Verf. zwei ältere Darstellungen
vor, die er unter möglichster Schonung ihres Bestandes
zusammenfügte"), ebenso auch die Beifügung von
Zusätzen „nach Fertigstellung des Buches" (so 1. Sam. 6, 15).
Die Bemerkungen betreffen meist sachliche Einzelheiten des
Textes, gelegentlich findet sich eine theologische Deutung. Die
Ubersetzung ist gewollt einfach; sie bemüht sich um kurze,

Elastische Sätze. Auf Neuerkenutnisse wird hier so wenig wie
ei den anderen Kommentaren Wert gelegt. Die Bearbeitung
der Königsbücher (als 3. und 4. Buch der Könige benannt;
dann hätte aber auch in Sam die entsprechende Kennzeichnung
gewählt werden müssen!) geht in gleicher Arbeitsweise vor
sich. Gelegentlich finden sich apologetische Absichten. Grundsätzlich
heißt es: „Die religiöse Zweckbestimmung geschieht
in keinem Fall auf Kosten der Wahrheit" (S.6). Maaka wird
zur „Großmutter" des Asa (I 15, 13); die Möglichkeit, daß
„sein Sohn" in 15, 8 Textfehler sei, wird nicht erwogen. Zu I
18, 40 wird bemerkt: „Das folgende Kapitel belehrt Elia, daß
sein scharfes Vorgehen nicht dem Willen Jahves entsprochen
hätte." Mehr noch als bei Sam fällt hier das gute Unterrichtetsein
über die biblisch-archäologischen und topographischen
Tatbestände auf. Aber es bleibt eben doch beim Einzelnen;
ein Versuch, zu einer Gesamtdeutung fortzuschreiten, wird
nicht gemacht. Auch fehlen Bemühungen, etwa die Herkunft
der überlieferten und verwendeten Stoffe aufzuzeigen. Man
sieht daran deutlich das obengenannte Anliegen dieser
Sammlung, den Text brauchbar übersetzt darzubieten und
dem Leser Handreichungen zu geben.