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Ausgabe:

1949

Spalte:

65-74

Autor/Hrsg.:

Jepsen, Alfred

Titel/Untertitel:

Kanon und Text des Alten Testaments 1949

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CJjeologtfdje ittcraturjettting

jttonatsfdjrift für Das gefamte (Bebtet Der Cljeoloßte und Keltgtonsünffenfdjaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack
Unter Mitwirkung von Professor D. Ernst Sommerlath, Leipzig
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR LIC. KURT ALAND, HALLE-BERLIN

NUMMER 2 74. JAHRGANG FEBRUAR 1949

Spalte

Kanon und Text des Alten Testaments.

Von Alfred Jepsen.................. 65

Jesaja unter den Weisen. Von Johannes

Fichtner........................... 75

Das Ebenbild Gottes. Von Carl Stange.. 79
Lukas 16, 1 -7. Von Herbert Preisker .. 85

Der gegen wärtige Stand der Erforschung
der in Palästina neu gefundenen hebräischen
Handschriften.

1. Die Auffindung der Rollen und Ihr Ankauf
. Die textkritische Bedeutung der
Jesaja-Rolle. Der Anlaß für das Verbergen
der Rollen. Von Paul Kahle . . 91

2. Zahl und Art der in den Rollen enthaltenen
Schriftwerke; ihre Entstehungs-
zclt und ihre religionsgcschichtliche Einordnung
. Von Otto Eißfeldt....... 95

A n 1 e r: Comes pastoralis confessarii praeser-

tim rcliglosi. 10. Auflage (R. Hermann).. 103
Bell: Kirche in der Welt (Grüber)....... 108

Spalte

Fedotow: A Treasury of Russian Spiri-
tuallty (Beth)........................ 107

Hessen: Die Philosophie des heiligen
Augustinus (R. Hermann).............. 103

Kist: Das Bamberger Domkapitel von
1399—1556 (Schornbaum).............. 102

Lenhart: Das Problem des Humanismus
in der neuzeitlichen katholischen Theologie
(R. Hermann).................... 103

Müller, Max: Das christliche Menschenbild
(R. Hermann) ........................ 103

Naab: Die katholische Beicht (R.Hermann) 103

Pius XII: Benedikt-Enzyklika „Fulgens
Radiatur" (R. Hermann)............... 103

Ritter: Luther, Oestalt und Tat. 4.Aufl.
(Kohlmeyer).......................... 101

Törnvail: Geistliches und weltliches Regiment
bei Luther (Eiert).............. 97

Berichte und Mitteilungen:

Die erste Synode der Evangelischen Kirche
in Deutschland, Bethel, 9.—13. Jap. 1949
(Rendtorff)........................... 109

Spalte

Das Programm und die Preisausschreiben
der Teyierschen Theologischen Gesellschaft

zu Haarlem für 1949 .................. 112

Umfrage der Kommission für spätantike
Religionsgeschichte der Deutschen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin....... 113

Von Personen:

Zum 80. Oeburtstag von Carl Steuernagel 113

Bibliographie Carl Steuernagel.......... 113

Bibliographie Hermann Mulert ......... 115

Bruno Doehring zum 70. Geburtstag (Jahn) 117

Bibliographie Bruno Doehring.......... 118

Albert Michael Koenigerzum75. Geburtstag

(Fendt).............................. 118

Zeitschriftenschau:

Kirchen- u. Dogmengeschichte (Steinborn) 117

Bibliographie:

Englische theologische Bücher 1939—1945.
Systematische und Praktische Theologie 123

Zum vorliegenden Heft............... 127

Die Einleitung in das Alte Testament behandelt neben
der sogenannten speziellen Einleitung in die einzelnen Schriften
die allgemeine Einleitung, d. h. die Kanon- und Text-
geschichte. Es gehört zu den besonderen Vorzügen des von dem
verehrten Jubilar bearbeiteten großen Lehrbuchs der Einleitung
in das Alte Testament, das auch heute noch die umfassendste
moderne Behandlung dieser Disziplin darstellt, daß
es diesen Fragen der allgemeinen Einleitung größere Aufmerksamkeit
zuwendet, als es sonst meist geschieht. So soll im folgenden
versucht werden, auf der vom Jubilar beschrittenen
Bahn weiterzugehen und zwei Fragen der Text- und Kanon-
geschiclite zu besprechen und zwar

1. Wie ist der Kanon des Alten Testaments entstanden ?

2. Welches Ziel hat die Textkritik am Alten Testament ?
Das gemeinsame Anliegen dieser beiden Fragen ist das

Problem, was für die Kirche, die an die Schrift sich gebunden
weiß, „Altes Testament" nach Text und Umfang ist.

1. Wenn nach dem Kanon des AT gefragt wird, so ist damit
der Kanon gemeint, der in der christlichen Kirche gültig
ist, also nicht der Kanon der Synagoge als solcher. Die Synagoge
kennt nur „Gesetz, Propheten und Schriften" oder „Gesetz
und Überlieferung" oder wie sie sonst ihren Kanon benennen
mag, aber jedenfalls kein „Altes Testament". Ein
„Altes Testament" ist nur in der Kirche möglich, weil nur sie
um ein Neues Testament weiß. Die Frage nach dem Kanon des
AT bedeutet also: Wie ist der in der Kirche gültige Kanon des
AT entstanden ? Dabei ist „Kanon" eine fest umrissene Gruppe
von Schriften, die in irgend einer Weise normative Bedeutung
hat. Diese Abgrenzung gegenüber anderen Schriften ist für den
Kanonbegriff wesentlich.

Wenn wir von diesem Kanonbegriff ausgehend nach dem in
Kirche gültigen Kanon fragen, sehen wir die bekannte Tatsache
, daß die Christliche Kirche keinen einheitlichen Kanon
des AT hat. Die reformierten und z. T. die lutherischen Kirchen
halten sich an den Kanon der Synagoge; Luther hat diesem
Kanon die „Apokryphen" als Bücher, nützlich und gut zu
lesen, aber der Heiligen Schrift nicht glcichzuachten, an-
1 gefügt. Die römische Kirche hält die „Apokryphen" Luthers
I für kanonisch, z. T. mit der Unterscheidung proto- und deu-
terokanonischer Schriften; die griechisch-katholische ist zu
fester Abgrenzung nie gekommen und hat z. T. noch mehr

Kanon und Texl des Alten Testaments

Von Alfred Jepsen, Greifswald

Prof. D. Dr. Carl Steuernagel zum 80. Geburtstag überreicht
Schriften in ihren Bibelausgaben. Der Kanon des AT ist also
für die Kirche keine einheitliche Größe und die Frage lautet
nun noch genauer:

Wie ist der alttestamentliche Kanon der Kirche in der
Mannigfaltigkeit seiner Formen entstanden ?

Schon daß die Frage in dieser Form gestellt werden muß,
zeigt, daß sie nicht beantwortet ist, wenn die Entstehung des
jüdischen Kanons geklärt wird. Wohl haben beide Kanonformen
, die der Synagoge wie die der Kirche, die meisten
Schriften gemein und gehen auf die gleiche Schriftensammlung
zurück. Die Kanonisierung der Schriftensammluug ist aber
unabhängig voneinander vorgenommen worden. Diesen Prozeß
gilt es kurz zu verfolgen, indem wir zuerst auf die Sammlung
der Schriften eingehen, dann auf ihre Kanonisierung in Synagoge
und Kirche.

2. In der „Schrift" oder den „Schriften"1 hat eine Überlieferung
Gestalt gewonnen, die mit Mose beginnt und sich
du.rcu die Jahrhunderte fortsetzt, in der die Gemeinde Zeugnis
ablegt vom Worte Gottes, das sie gehört, und von ihrer Antwort
, die sie gegeben hat.

Die Anfänge der Gemeinde liegen im Halbdunkel der Geschichte
; wo eine junge Bewegung aus ulimittelbarer Gottes-
erfahrung heraus lebt, ist kein Platz für den betrachtenden
Historiker, der die Ereignisse sorgfältig aufzeichnet. Aber was
damals geschah, wurde in der Gemeinde überliefert und weitergegeben
, freilich dabei auch erweitert und umgestaltet, doch
so, daß die Erinnerung an diese Zeit der ersten Berufung immer
erhalten blieb.

Die Gemeinde hat aber nicht nur einmal das Eingreifen
Gottes erlebt; immer neu traf sie in der Geschichte auf die
Taten ihres Gottes, behielt sie und gab sie weiter; so lernte sie,
einzigartig im alten Orient, Geschichte zu erfassen und zu erzählen
. Und was sie dort erfuhr, wurde ihr gedeutet durch
Wort und Tat der Propheten, die im Auftrage Gottes redeten
und so lebendige Zeugen Gottes wurden. Im Wort der Propheten
und im Walten der durch sie gedeuteten Geschichte
sprach Gott zur Gemeinde die Jahrhunderte hindurch.

Alles dies wurde erhalten und den späteren Geschlechtern

') So spricht das NT meist vom AT; vgl. Schrenck, Art. yoawii im
ThWzNT I, 751 f.
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