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Ausgabe:

1949 Nr. 10

Spalte:

595-600

Autor/Hrsg.:

Eissfeldt, Otto

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen Hebräischen Handschriften 1949

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 10

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Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

6. Neue Nachrichten über die im Frühjahr 1949 vorgenommene
Untersuchung der Fundhöhle

Von Otto Eißfeldt, Halle/Saale
Uber die in der zweiten Hälfte des Februar und in den
ersten Tagen des März 1949 vorgenommene Untersuchung der
Fundhöhle, über die im April-Heft des laufenden Jahrgangs
unserer Zeitschrift einige vorläufige Mitteilungen gegeben werden
konnten, sind inzwischen nähere Einzelheiten bekannt geworden
. Zunächst hat der Direktor der American School of
Oriental Research in Jerusalem O. R. Seilers, der die Expedition
mehrfach besucht und ihre Arbeit kräftig gefördert hat,
in BASOR Nr. 114, April 1949, S. 5—9 einen „The Excavation
of the Manuscript Cave at 'Ain Fashkha" überschriebenen
Artikel veröffentlicht und in ihm dargelegt, wie es nach
mannigfachen vergeblichen Versuchen zur Identifizierung der
Höhle gekommen, wie dann alsbald eine wissenschaftliche Expedition
dahin entsandt worden ist und welche Ergebnisse
diese erzielt hat. Ein auf der Universität Löwen ausgebildeter
und doch wohl von daher für die Bedeutung alter hebräischer
Handschriften aufgeschlossener belgischer Offizier, Leutnant
Philippe Lippens, der Ende 1948 und Anfang 1949 im Auftrag
der Organisation der Vereinigten Nationen zuerst in Jerusalem
, dann in Amman tätig war, wies den Direktor der transjordanischen
Altertümer-Verwaltung in Amman, Gerald Lankester
Harding, auf die Notwendigkeit einer Untersuchung
der Fundhöhle hin und regte die Heranziehung der in Transjordanien
stationierten Arabischen Legion zur Lösung dieser
Aufgabe an. In Auswirkung dieser Anregung begab sich ein
Offizier der Legion, „Captain Akash Bey", in die Gegend der
am Nordwestende des Toten Meers sprudelnden Fesha-Quelle,
("Ain Fosha) bei der, wie man wußte, die Höhle zu suchen
war, fand nach vergeblicher Prüfung anderer 12 km südlich
von Jericho und 2 km westlich vom Westrand des
Toten Meeres eine ziemlich hoch am Felsenhang gelegene
und daher schwer zugängliche Höhle, die ihm die richtige
zu sein schien, und ließ zu ihrer Bewachung einen militärischen
Posten zurück. Bei seinem bald darauf folgenden
Besuch der Stätte konnte Harding an Hand der in der
Höhle liegenden Manuskript-Fragmente und Tonscherben
die Richtigkeit der Identifizierung bestätigen. Wenig später,
am 15. Februar 1949, begann dann die von ihm und R. de
Vaux, O. P. gemeinsam durchgeführte, außer von der
American School of Oriental Research auch von dem Palestine
Museum in Jerusalem geförderte Untersuchung der Höhle, die
bis zum 5. März dauerte und, wie bereits im April-Heft der
ThLZ angedeutet, zwar keine vollständige neue Rolle, wohl
aber eine — zur Zeit noch nicht abgerollte und daher ihrem
Inhalt nach noch nicht bestimmbare — unvollständige und
Hunderte von Manuskript-Fragmenten sowie eine Menge
von Keramik-Scherben und einige Stücke des zur Einhüllung
der Lederrollen verwendeten Leinenstoffes zutage
gefördert hat.

Seilers' Angaben erfahren Bestätigung und Ergänzung,
in Einzelheiten auch Modifizierung durch das, was von anderen
über die Untersuchung der Höhle in den letzten Monaten veröffentlicht
worden ist. G. Lambert, S. I. hat — gestützt
auf einen Bericht, den G. Ryckmans im Auftrag der Ausgräber
am 8. April 1949 der Pariser Academie des Inscriptions
erstatten konnte, — in der Nouvelle Revue Theologique, April
1949, S. 414—416 seinen in dem März-Heft dieser Revue erschienenen
Aufsatz ,,Les manuscrits decouverts dans le desert
de Juda" durch eine „Note complementaire" ergänzt, aus der
hier dreierlei mitgeteilt sein mag. Zunächst ist es nach Lambert
nicht der von Seilers genannte „Captain Akash Bey",
sondern der englische „colonel Ashton", Sachverständiger
für archäologische Fragen im Hauptquartier der Arabischen
Legion, gewesen, der — freilich auf Veranlassung von „general
LashBey, commandantde la 3c brigadedela Legion Arabe de
Transjordanie" — sich um die Identifizierung der Höhle bemüht
, am 28. Januar in sie eingedrungen ist und ihre militärische
Bewachung angeordnet hat. Weiter weiß Lambert zu
berichten, daß eins der neu gefundenen Fragmente Spuren
von griechischen Buchstaben aufweist, und schließlich gibt er
an, daß die mit althebräischen Buchstaben von der Art der
auf den Lachis-Ostraka stehenden beschriebenen Fragmente
Teile aus Lev. 19—22 enthalten.

In der 2. Nummer von Band XII des Biblical Archaeolo-
gist, die so gut wie ganz dem neuen Handschriften-Fund gewidmet
ist, nämlich S. 26—31 nach den Erinnerungen und der
Augenzeugenschaft des Syrischen Erzbischofs (Metropoliten)

von Jerusalem und Transjordanien Mar Athanasius Y. Samuel
von „The Purchase of the Jerusalem Scrolls" berichtet
und damit vor den Augen des Lesers die mannigfach bewegten
Geschehnisse lebendig werden läßt, die den einen Teil der 1947
gefundenen Rollen und Fragmente in den Besitz des Erzbischofs
oder des ihm unterstehenden St. Markus-Klosters in
Jerusalem, den anderen aber in den des Altertümer-Museums
der Hebräischen Universität in Jerusalem geführt haben, und
S. 36—46 aus der Feder von Frank M. Gross, Jr., unter der
Uberschrift „The newly discovered Scrolls in the Hebrew
University Museum in Jerusalem" eine sehr willkommene englisch
geschriebene Inhaltsangabe und Würdigung des ja
hebräisch abgefaßten Buches von Sukenik bringt, kann der
Herausgeber G. E. Wright auf S. 32—36 auch über die im
Frühjahr 1949 zutage gekommenen Fragmente berichten und
von einigen der schon 1947 gefundenen mitteilen, daß sie inzwischen
ihrem Inhalt nach bestimmbar geworden sind. Von
den jetzt aufgetauchten Fragmenten gehören viele zu den
Rollen von 1947. Aber nicht wenige haben sich als Reste
anderer Rollen oder Schriftwerke herausgestellt, nämlich als
Teile der hebräischen Texte von Gen., Lev., Dtn., Jude, und
des Buches der Jubiläen. Daß von diesen die in altliebräischer
Schrift geschriebenen Stücke aus Lev. 19—22 besonders wichtig
sind, ist schon hervorgehoben worden. Aber die den Fragmenten
des hebräischen Jubiläen-Buches zukommende Bedeutung
ist nicht minder groß. Das Jübiläenbuch war ja bisher
nur aus einer vollständigen äthiopischen und einer zu
einem Drittel erhaltenen lateinischen Übersetzung einer ihrerseits
auf den hebräischen Urtext zurückgehenden griechischen
Vorlage bekannt. Da ist uns eine Spur, mag sie auch noch so
gering sein, dieses Urtextes ganz besonders willkommen. Im
Zusammenhang mit diesen Angaben über einige der jetzt neu
gefundenen Fragmente erinnert Wright daran, daß sowohl der
Syrische Erzbischof als auch das Museum der Hebräischen
Universität neben den ihnen gehörigen Rollen aus dem Fund
von 1947 eine stattliche Zahl von Fragmenten in ihrem Besitz
haben, und teilt mit, daß John C. Trever drei der dem Erzbischof
gehörigen als Teile des biblischen Daniel-Buches hat
bestimmen können. Zwei von ihnen, zur selben Rolle gehörend
und Stücke des aramäischen Textes von Dan. 3, 23—3°
enthaltend, stehen paläograplüsch der Jesaja-Rolle nahe, sind
also knapp ein Jahrhundert nach der allgemein für 165 v. ühr.
angenommenen Abfassung unseres Daniel-Buches geschrieben.
Das dritte, Dan. 1, 10—16; 2, 2—6 umfassend, ähnelt in seiner
Schriftart der Habakuk-Rolle, und so wird die Rolle, von der
es herrührt, wie jene um die Wende der Zeiten geschrieben,
also ein knappes Jahrhundert jünger sein als die erste Daniel-
Rolle.

Ein von Meir Wallenstein (Semitics Department, Manchester
University) für den Manchester Guardian geschriebener
und von diesem am 1. Juli 1949 gebrachter kurzer Artikel
über „The recent Judean Finds. Hebrew Scrolls in a Cave'
deckt sich im wesentlichen mit Seilers', Lamberts und
Wrights Angaben, kann aber über eine der bisher nicht abgerollten
Rollen im Besitz der Hebräischen Universität die
folgende — auf eine Information von Dr. Zulay (Forschungsinstitut
für Hebräische Poesie in Jerusalem) zurückgehende ■—
wichtige Mitteilung hinzufügen: „Diese Rolle ist inzwischen
geöffnet und als Jesaja 48ff. enthaltend bestimmt; sie umfaßt
etwa 11 Kapitel. Dieser Jesaja befolgt, anders als der Jesaja
im Besitze der Syrer, die in dem gewöhnlichen hebräischeö
Text zu findende Schreibung".

Weiter stimmt das, was G. Lankester Harding in seineiU
von den Times am 9. August 1949 gebrachten Artikel ,,A liible
Discovery. Earliest known Texts of the Old Testament" sagt'
mit den Angaben der bisher genannten Gewährsmänner IS*
wesentlichen überein. Nur gibt er als Kommandanten des zu?
Lokalisierung der Höhle ausgesandten kleinen Kontinge»ts
der Arabischen Legion „Captain Akkash el Zebn" an.

Der in „The Listener" vom 25. August 1949, S. 322—3^3
erschienene Artikel „Newly found Hebrew Scrolls from P»'e'
stine" von Jacob Leween bringt neben bereits bekannt61'
Dingen eine Mitteilung, die ihrer Bedeutsamkeit wegen hie
im Wortlaut wiedergegeben sein mag; sie bezieht sich auf cH'
der im Frühjahr 1949 gefundenen Fragmente und lautet
„Dies enthält ein paar Verse des Deuteronomiums. Es wuru
alsbald klar, daß einer dieser Verse (31,1) eine Lesart biete >
die von der Masoretischen Bibel abweicht, aber mit der gr,<--
chischen Septuaginta-Ubersetzung völlig übereinstimmt. U*j
mit begegnet uns zum ersten Male in der Geschichte der Bi''
eine hebräische Deuteronomiums-Rolle, in der tatsächlich e