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Ausgabe:

1949 Nr. 4

Spalte:

221-228

Autor/Hrsg.:

Eissfeldt, Otto

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen Hebräischen Handschriften 1949

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Theologische Literaturzeitung 1949 Nr. 4

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?em" (S. 9). Aber auch hier haben wir neben der unmittelbaren
, praktischen Anwendung die Verankerung des alttesta-
mentlichen Buches in der Gesamtbotschaft der Bibel. DerExe-
get und Theologe wird das Buch mit Dank und Freude lesen
und es für eine kostbare Gabe halten.

Die Psalmenauslegung von Wilhelm Vischer enthält Predigten
, die meist 1942/43 in St. Jakob zu Basel gehalten worden
sind. Berücksichtigt werden 18 Psalmen. Die Predigten
sind für Hörer und Leser nicht so leicht aufzunehmen, wie das
bei den vorgenannten der Fall war. Doch muß gleich hinzugesetzt
werden, daß es wohl leichter ist, Propheten theologisch
korrekt auszulegen als Psalmen, die ja viel mehr Echo der
Botschaft sind als Botschaft selbst. Mit dieser Schwierigkeit
ringt der Verf.; das aber macht den Predigtband gerade bedeutsam
und interessant. Eine der besten Predigten ist die
über Ps. 91. Die Problematik des Psalms wird hier gegenwarts-
mächtig gezeigt und von Christus her gelöst, nämlich so, daß
das Licht Christi gleichsam hinter dem Psalm steht und dieser
transparent dafür wird. Dadurch rückt sich überhaupt manches
zurecht, z. B. bei Ps. 1, aber auch bei Ps. 22, II (Oster-
predigt). Zu fragen ist, ob überall in rechter Weise das „Noch
nicht" des Alten Testaments deutlich wird. Wohl finden sich
die Umrisse des Kommenden; aber es sind doch nur Umrisse,
und als solche sind sie aufzuzeigen. S. 63 steht der Satz: Wir
sollen „wohl bedenken, daß wir kein Wort in der ganzen Bibel
verstehen, wenn wir nicht Jesus Christus in diesem Wort finden
". Der Satz ist zumindest überspitzt und zweifellos mißverständlich
. Richtiger könnte man etwa — in Abwandlung
des berühmten Rankewortes — sagen: Das Alte Testament ist
immer zu Christus. Um des Alten und des Neuen Testamentes
willen darf die Grenze zwischen beiden nicht verwischt werden;
das war ein Gedanke, der sich schon beim ersten Erscheinen
von Vischers „Christuszeugnis" aufdrängte1. Die Anwendung
der Texte ins Politische hinein, und zwar ins Schweizerisch-
Innenpolitische und ins Außenpolitische, mutet mitunter etwas
kurzschlüssig an; die eigene politische Linie des Verf. ist gelegentlich
bemerkbar, was besser vermieden wäre.

Bei dem Jonabuch von Robert Brunner ist dies Letztere
nicht der Fall. Man merkt diesen Predigten überhaupt nicht
an, in welcher Zeit sie gehalten worden sind. Lediglich die
..Botschaft des Buches Jona" soll entfaltet werden. Das geschieht
In vier predigtartigen Betrachtungen, für jedes Kapitel
eine. Man kann nicht sagen, daß dies in einer Weise vor sich
gehe, die hundertprozentig dem Gegenstand gemäß ist. Auf
der einen Seite hängt sich der Verf. zu sehr an Kleinigkeiten
und Einzelheiten fest. So wird zu den Worten „Jona, Sohn des

') Vgl. ThLZ 61, 1936, S. 435^J39.

Amitthai" ein Räsonnement angestellt über die Bedeutung
des Herkommens — „er hat also auch einen Vater gehabt" —
— und über die Erbsünde. „Wer Ohren hat zu hören, der kann
an dieser Stelle das leise Klingen der Weihnachtsbotschaft
deutlich vernehmen"; vor dem Erscheinen des Brunner'schen
Buches wird das an dieser Stelle wohl kaum jemand vernommen
haben. Auf der anderen Seite hätte man gern mehr
die eigentliche Botschaft des Buches von der Langmut göttlicher
Liebe herausgebracht gesehen. Der kostbare Gedanke
des Schlußverses mit dem Blick Gottes auf Kinder und Tiere
wird nicht einmal erwähnt. Sonst aber, z. B. in der Predigt
über Kap. 3, finden sich ansprechende und feine Gedanken,
so daß das Büchlein schon ein Beitrag dazu ist, das Kerygma
eines viel zu wenig beachteten, in erstaunlicher Nachbarschaft
des Neuen Testaments stehenden Buches dem Menschen von
heute nahezubringen. —

Was in diesem Referat an neuen Erscheinungen über die
Auslegung des Alten Testaments berücksichtigt worden ist,
wird gewiß nicht alles sein, was in der Gegenwart an derartigen
Veröffentlichungen in Frage kommt. Es müßte von Interesse
sein zu sehen, was in Skandinavien, England und Amerika auf
diesem Gebiet herausgekommen ist. überblickt man das hier
Vorliegende, so wird man Folgendes sagen müssen. Es wird
ernsthaft darum gerungen, die Botschaft des Alten Testaments
aus ihrem rein historischen Verständnis herauszuheben,
sie theologisch zu deuten und der hörenden Gemeinde weiterzugeben
. Dabei wird mitunter erheblich übers Ziel hinausgeschossen
. Wenn wir richtig sehen, liegt das an zwei immer
wieder zu beobachtenden Tatsachen. Einmal daran, daß nicht
immer eine saubere Exegese getrieben wird, und zweitens daran
, daß die Frage nach dem Verhältnis des Alten Testaments
zum Neuen nicht in richtiger Weise biblisch-theologisch durchgedacht
wird. Wir haben uns in der Zeit des Kirclienkampfes
dagegen gewehrt, daß Leute, die weder das Wesentliche des
Alten noch des Neuen Testaments verstanden, zu der Sache
Altes Testament die Stimme erhoben und natürlich Entsprechendes
zu Tage förderten. Das betraf damals zum großen
Teil Außenseiter. Wir müssen heute dafür Sorge tragen, daß
nicht aus den eigenen Reihen heraus die guten Ansätze, die die
theologische Erfassung des Alten Testaments uns in den letzten
15 Jahren gebracht hat, in Wildwuchs ausarten und damit die
Arbeit am Alten Testament, wie sie jetzt notwendig und erst
lieute möglich ist, in Mißkredit gerät. Daß das nicht so zu sein
braucht, geht aus mehr als einer Veröffentlichung hervor, die
diesem Referat vorgelegen hat, aber auch aus vielem, was
heute an Vorträgen, Predigten, Bibelarbeiten und Meditationen
dargeboten wird. Heute ist es möglich, das Alte Testament
wirklich der Gemeinde auszulegen; es muß darüber gewacht
werden, daß es recht geschehe.

Der gegenwärtige Sland der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

von Jahwe in der dritten Person die Rede ist, es also rtWOim
„und er läßt dich fahren" und nDb"ONm >.und er gibt dir zu
essen" heißt.

Tiefer als Derartiges greift der Ersatz einzelner Worte
und Wendungen durch ihnen synonyme oder doch verwandte
Größen in den Textbestand ein. 9, 16 beginnt in MT: „Darum
seiner jungen Mannschaft freut sich (maiD?) nicht der Herr",

J-R aber hat statt „freut sich" VnatT „verschont". 30, 6 weist
J-R statt MT orTO ..von ihnen" in „Im Lande der Not und

Drangsal, Löwe und Leu von ihnen (nrn?)" auf Ü^t2 yiO

„und kein Wasser", was jedenfalls besseren Sinn zu geben
scheint als die Lesart des MT. 39, 2, in der Erzählung von der
Bereitwilligkeit, mit der König Hiskia den Gesandten des
babylonischen Königs Merodach Baladan alle seine Schätze
und Rüstungen zeigt, lautet MT am Schluß: „Nichts gab es,
was ihnen Hiskia nicht gezeigt hätte in seinem Hause und in
seiner ganzen Herrschaft (ifib/ia?^)''. während J-R an der

Stelle des letzten Wortes das synonyme -irobtatO ..(in
seinem ganzen) Reiche" bietet, was keine Änderung des Sinnes
mit sich bringt. 45, 7 lautet die Selbstprädizierung Jahwes in
MT: „der ich Heil faiblE) niache und Böses schaffe", in

J-R heißt es aber statt „Heil" yQ „Gutes". Wie hier J-R

im zweiten Glied der Aussage ein zum ersten Glied besser
passendes, weil ihm deutlicher entgegengesetztes Wort bietet
als MT, so kommt auch 45, 20 der Parallelismus in J-R schärfer
und klarer zum Ausdruck als in MT. Dieser hat: „Sammelt

3. Varlanten der Jesaja-Rolle

Von Otto Eißfeldt, Halle/Saale
^ Die in seinem Aufsatz „Variant Readings of the Isaiah
^anuscript" (Bulletin of the American Schools of Oriental
Research [ = BASORJ, Nr. in, S. 16—24) vorgelegten Variandi
'.1 Jesaja-Rolle, auf die Paul Kahle in seinem Beitrag zu
bi*Sei Aufsatzreihe zu sprechen gekommen ist (oben Sp. 92
iiK 93'' llal Mi'lar Burrows in einem zweiten, wie der erste

'Verschriebenen Aufsatz (BASOR, Nr. 113 [February 1949].
g' 24—32) durch Mitteilung einer stattlichen Anzahl weiterer
*Nonderheiten dieser Rolle ergänzt. Eine ganz kleine Auswahl
2™, dinen sei hier wiedergegeben. Verhältnismäßig häufig

eist diese Rolle bei Verbalformen und bei Personalsuffixen

"ie andere Person auf als der masoretischc Text (- MT).

4- 25 heißt es im MT: „Und es schwindet von ihnen (orrb^)
s«n Joch, und seine Last weicht von seiner Schulter (173312) "•

I" (UT Jesaja-Rolle (- J-R) aber steht hier statt „von ihnen"
' ipp^y^ „Vpn euch" und statt „seiner Schulter" rD723TD
Ial> " Scl»ulter". 49, 5, wo MT lautet: „Und jetzt spricht
J »we, der mich gebildet M] von Mutterleib sich zum
Knecht", bietet J-R "pjp „der'dich gebildet". 58, 14 MT:
[iP^nn haat du deine Lust an Jahwe, und ich lasse dich fahren
v*rr05-irn) über die Höhen der Erde und gebe dir zu
essen (7r-<ribr)t*m) das Erbe deines Vaters Jakob", ist in
»isofern umgestaltet, als hier den ganzen Vers hindurch