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Ausgabe:

1948 Nr. 2

Spalte:

75-88

Autor/Hrsg.:

Gerster, Ernstwilhelm

Titel/Untertitel:

Römischer Palast und Dionysos-Mosaik in Köln 1948

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 2

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werde, was da geschrieben steht", die Brücke zu allem Vorhergehenden
geschlagen wird. Und in den Evangelien selbst
reiht sich eine Sinngebung an die andere. Jedes Evangelium
ist von seinem Ende aus zu verstehen, auf das hin alles angelegt
ist, und alle vier von dem letzten, dem Johannesevangelium
aus, in dem erst die letzten Schleier fallen, die das
wahre Wesen dieses Jesus Christus, das sich in den Evangelien
entfaltet, enthüllen. Und dann faßt Paulus das Ganze zusammen
und öffnet den Blick auf den großen Zusammenhang
von Adam bis Christus und von ihm bis ans Ende der Welt
als ein großes Sinngebilde, das sich durch alle Sphären und
Zeiten von der Tiefe der Gottheit durch die Welt- und Menschheitsgeschichte
bis zur Aufhebung alles Irdischen und Himmischen
in Gott und in seiner Ewigkeit erstreckt.

In diesem Ganzen und aus ihm erhält jeder christliche
Grundbegriff seinen vollen Sinn und Inhalt, und alles Reden in
christlichen Begriffen bleibt unverstanden und wirkungslos,
wenn es nicht aus dem Ganzen heraus geschieht, und wenn der
Hörer selbst nicht in ftiesem Ganzen lebt und dazu bereitet ist,
jedes christliche Wort aus ihm heraus zu verstehen. Es zeugt
von unchristlichem Sinn und von einem Mangel an Verständnis
nicht nur für das Wesen des Christentums, sondern das
Wesen einer Religion überhaupt, wenn man nach diesen oder
jenen außerhalb dieses Ganzen liegenden Gesichtspunkten
dieses Sinnganze beschneiden,einen Teil von ihm wegnehmen
oder eine Auswahl aus ihm treffen will.

Zu alledem kommt noch etwas, das den christlichen Begriffen
ihre besondere Eigenart gibt und sie von allen philosophischen
oder ,.weltanschaulichen" Begriffen unterscheidet.
Jede Religion, und so auch die christliche, stellt sich dar und
hat ihr eigentliches Leben im Kultus, und daher sind alle
wesentlich christlichen Begriffe zugleich auch kultische, heilige
Worte des Gottesdienstes der Kirche und der Gemeinde. Das
Wort Gottes erklingt im heiligen Raum und zur Stunde der
Andacht. Das ganze christliche Universum mit dem Menschen,
der in ihm Sünde und Gnade, Schöpfung und Neuschöpfung,
Erlösung und Seligkeit und alles, was sich in ihm vollzieht,
erlebt, ist anwesend im Sakrament, das kein Sakrament wäre,
wenn es nicht das innerste Wesen dieses Ganzen in sich zusammenfaßte
. Und daher haben alle christlichen Grundworte
nicht nur einen so viele Sphären umspannenden Sinngehalt,
sondern sie sind zugleich auch emotionale oder „numinose"
Begriffe, so daß ihr profaner Mißbrauch jeden verletzt und
empört, für den sie noch zum Heiligen gehören.

Das gilt nicht nur für die metaphysischen, die mystisch-
symbolischen und die theologischen Begriffe im engeren Sinne,
sondern auch für die ethischen, die im Christentum nicht nur
einen moralischen, sondern einen ihn nicht aufhebenden, sondern
vertiefenden und in den religiösen Bereich versetzenden
erhalten. Dies hat Rudolf Otto gerade an dem Begriff der
Sünde herausgearbeitet1, der uns hier als Beispiel für seinen

alle Sphären des christlichen Universums umfassenden Gehalt
diente: „Die unsittliche Handlung wird zum religiösen
Vergehen. Diese Ubersteigerung ins religiös Normwidrige und
damit das Hineinwachsen in einen seltsam neuen Wertungsbereich
fühlen wir allgemein, wenn uns die Begriffe des zunächst
nur Widersittlichen jene seltsam neue Färbung und
jenen unheimlich tiefen Klang gewinnen, sobald wir nicht
mehr von gesetzwidrig, sondern von Frevel, nicht nur von
schlecht, sondern von verrucht, nicht mehr von lasterhaft
, sondern von verloren, nicht vom bloß Verbrecherischen
, sondern vom Verfluchten reden. Und am deutlichsten
zeigt sie sich in dem allerdings fast ganz abgegriffenen,
aber ursprünglich rein religiös gemeinten Ausdruck: heillos.
,Heil' ist in dieser Zusammensetzung der rein religiöse Wert,
und zugleich der objektive Wert, der hier nicht das ,Heil für
mich', nicht das Heil als subjektiven Wert meint, sondern das
Ideale und Seinsollende in sich selber. Und das Heillose ist
hier nicht das der Glückseligkeit oder Seligkeit Beraubte,
sondern das, was den schlechthin unvergleichlichen objektiven
Wert des Sacrosanctum antastet. — Nicht durch
Satzung eines Willens, auch nicht des göttlichen Willens, ergeben
sich die objektiven Werte mit ihrer unbedingten Forderung
, sondern aus dem Urwerte des Göttlichen selber quellen
sie und sind seine Entfaltungen. Gott selber, nicht nur seinen
Willen, tastet an, wer sündigt . . . Rein spiegeln sich diese Verhältnisse
im Bekenntnisse des verlorenen Sohnes: Vater, ich
habe gesündigt in dem Himmel und vor dir. Das sittliche Vergehen
greift zugleich ,in den Himmel' selber, tastet das Heilige
selber an, ist nicht nur schlecht, sondern verrucht."

Lenken wir nun die Aufmerksamkeit wieder zurück zu
den Bedenken, die aus der modernen Welt und ihrem Zeitgeist
heraus über die zweifelhafte Wirkung der christlichen
Terminologie auf das „Leben" geäußert wurden, so scheint
die Lage, in der sich die Kirche mit ihrer Wortverkündigung
heute befindet, nach diesem Durchdenken des Wesens der
christlichen Begriffe noch hoffnungsloser zu sein, als sie es so
schon ist. Eine fremde Welt erhebt sich inmitten der Welt des
modernen Alltags wie der mittelalterliche Dom in einer unserer
Großstädte, der umbraust ist von einem Leben, das ihn nichts
angeht, und doch weiß jeder oder ahnt zum mindesten, was
er bedeutet und daß seine Türen ihm jederzeit offen stehen.

Es wurde hier über die christlichen Grundbegriffe nicht
viel mehr gesagt, als was eigentlich jeder weiß oder wissen
könnte; es wurde nur als ein Ganzes und mit ein wenig anderen
als den üblichen Worten zum Bewußtsein gebracht. Und gerade
hierauf kommt es wohl in unserer Zeit und unter den Menschen
an, die nach allen den Erfahrungen, die sie in den letzten
Jahren gemacht haben, dem Christentuni, der Theologie und
der Kirche mit aufgeschlossenen und neuen Erwartungen entgegentreten
und nach dem suchen, was sich in den zeitbedingten
Formen durch die Jahrtausende als das unbedingt
Gültige und alle Katastrophen Uberdauernde erhalten hat.

Römischer Palast und Dionysos-Mosaik in Köln

Ein Berieht über die Ergebnisse der Ausgrabungen am Kölner Dom

Von Ernstwillielm Ger st er,
Burg Hemmersbach bei Horrem (Bez. Köln).

Die Ereignisse des Krieges und die durch ihn verursachten
Einschränkungen jeglicher Art, die eine immer mehr zunehmende
Beeinträchtigung insbesondere des kulturellen
Lebens in Deutschland zur Folge hatten, erklären hinlänglich
die Tatsache, daß manche wissenschaftlichen Entdeckungen
und Errungenschaften, bisweilen sogar solche von größter Bedeutsamkeit
, weiten Kreisen von Interessierten, ja selbst von
Fachgelehrten unbekannt geblieben sind. Diese Ungunst der
Verhältnisse wirkte sich auch auf jenen Fund, von dem hier
Mitteilung gemacht wird, aus und dies um so mehr, als seine
Entdeckung in die ersten Wochen des damals mit Rußland begonnenen
Krieges fiel und infolgedessen seinerzeit nur wenig
Beachtung fand und inzwischen wieder in Vergessenheit geraten
ist.

Im Sommer 1941 sah sich die Stadt Köln zur Anlage eines
Luftschutzbunkers an der Südseite des Domes, also auf dem
Gelände des Domhügels, genötigt. Dieses Terrain, dessen
starkes Gefälle nach dem östlich rund 350 m entfernten Rheinufer
nicht so sehr auf natürliche Bodenerhebung, als vielmehr
auf eine über Jahrtausende verteilte künstliche Aufschüttung

■) Sünde und Urschuld, 1929, S. 184f.

von .Kulturschutt' zurückzuführen' ist, zog von jeher die Aufmerksamkeit
der Archäologen auf sich, denn hier2 — in der
Nordosteckc der römischen Colonia Agrippiucnsis (die nördliche
römische Stadtmauer lag fast in gleicher Flucht wie die
Nordwand des heutigen Domes!) — vermutete man repräsentative
Bauten öffentlichen3 oder sakralen Charakters. Verstärkt
wurde diese Annahme einmal durch die iiischriftlich4

') Vgl. Voigtei, Bonner Jahrbücher (Jahrbücher des Vereins von Altcr-
tumsfreunden im Rheinlande, Bonn) [im Folgenden mit BJb. bezeichnet] 53/54.
1873. 199. — J. Klinkenberg, Das Romische Köln (Kunstdenkmäler der
Rheinprovinz VI, 2) 227.

■) Die frühere Ansicht, daß sich hier einst eine Burg befunden hätte
(vgl. zuletzt Boisseree, BJb. 12. 1848. 133 Anm. 10), wurde von Düntzef
(BJb. 39/40. 1866. 112) widerlegt. — Vgl. auch Klinkenberg a.a.O. 227.

•) Da sich hier Im Mittelalter eine Oerichtsstätte befand, glaubte
Düntzer(Der Domhof und das römische Forum in Köln, BJb. 43. 1867. 107),
hier auch das römische Forum annehmen zu müssen.

') Vgl. die i. J. 1866 bei der Trankgasse, nordöstlich vom Dom gefunden'
Bauinschrift (CIRh. 2040; Düntzer, Verzcichniss der Römischen Alter-
thümer des Museums Wallraf-Richartz in Köln« [1885] II nr. 7): (MERC)VRIO
AVGVST(ALES) / (IMPER)ATORIS TITI CAESARI(S AVO) / TEMPLVM-