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Ausgabe:

1948 Nr. 10

Spalte:

597-599

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hyatt, James Philip

Titel/Untertitel:

Prophetic religion 1948

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1948 Nr. 10

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Den Aufgaben der U. gilt der zweite Hauptabschnitt,
Dreierlei verlangt sie: Unterricht für die besonderen Berufe.
Bildung, Forschung. Sie ist Fachschule, ist Bildungswelt, Forschungsanstalt
. Wenn auch immer wieder die Auflösung der
Pi in Fachhochschulen, Bildungshochschulen und Forschungsanstalten
sich nahezulegen scheint: In der Idee der U. bilden
diese drei eine untrennbare Einheit, sind Momente eines
lebendigen Ganzen. — Aus dem Reichtum an Gedanken, den
die Abschnitte über Forschung, Erziehung, Unterricht enthalten
, kann nur Weniges herausgeholt werden. Verbindung
Von Forschung und Lehre ist das hohe und unaufgebbare
Prinzip der U. Nur wer selbst forscht, kann „Wesentliches"
'ehren. — Die beste Ausbildung für die besonderen Berufe ist
nicht das Erlernen eines abgeschlossenen Wissens, sondern die
Schulung und Entfaltung der Organe zu wissenschaftlichem
Denken. Nicht das Wissen hilft, sondern die Fähigkeit zu
fragen und das Einzelne in Beziehung auf ein Ganzes erfassen
2u können. — Aus der Einheit von Forschung und Lehre erwächst
organisch der Bildungsprozeß, echte akademische Bildung
ist nicht ein gewolltes Ziel — das Suchen nach dem Erziehungsziel
ist hoffnungslos —, sondern sie ist Frucht der
Teilnahme an dem geistigen Leben der U. In der somatischen
Erziehung des grenzenlosen Fragens und des Nichtwissens im
Absoluten wächst die Ehrfurcht, wächst die Freiheit und
Selbständigkeit, die Verantwortung allein vor der Wahrheit,
die Bescheidenheit.

Die U. erfüllt ihre Aufgaben im Rahmen ihrer Institution,
Mi der die Idee der U. ihren Leib gewinnt. Der Leib hat Wert
m dem Maße, wie sich die Idee in ihm verwirklicht, er wird
Wertlos, wenn die Idee ihn verläßt. So kann es nicht ausbleiben,
daß eine ständige Spannung besteht zwischen der Idee und den
gängeln der institutionellen und korporativen Verwirklichung.
°>e Tendenz zum Absinken ist gegeben: Alles neigt zur Erstarrung
; die Verwaltungsorganisation will als solche beharren;
Konkurrenz und Eifersucht führen bei Berufungen leicht an
den besten Männern vorbei zu den Zweitbesten; die Herrschaft
der Schulhäupter überschattet die Auswahl des Nachwuchses
. Und doch ist die Institution Notwendigkeit und hat
Anspruch auf unsere volle Dankbarkeit und Liebe. Trotz aller
Spannungen sollen Student und Professor wissen, daß die Persönlichkeit
des Einzelnen und die Institution aufeinander angewiesen
sind. Die Institution freilich soll sich weise beschränken
auf die Erdenkung und Handhabung der Formen,
die den Unterbau bilden für das Leben des Geistes.

Die Gliederung der Fakultäten ist nicht aus einem Prinzip
konstruiert, sondern gewachsen. Jede in ihnen vertretene
Wissenschaft stellt eine auf das Ganze gehende Erkenntnis-
Bewegung dar. Darum überschneiden sie sich, gliedern sich
auf ein Ganzes hin. Das Ziel kann nicht säuberliche Abgrenzung
sein. Gerade diese Bewegung miteinander, dieses
Leben aus dem Ganzen, aber in je besonderer Gestalt auf das
Ganze hin, macht das Wesen der U. aus. Jede der drei alten
Fakultäten ist erwachsen aus einem bleibenden Grundbereich
praktischen, geistigen Tuns: Die Theologie aus dem Verstehen
der religiösen Offenbarung, die Jurisprudenz des positiven
Rechts- und Staatslebens, die Medizin der Natur des Menschen.
Die Philosophische Fakultät bietet für sie alle die Grundlage,
sollte deshalb ihre Einheit wahren oder wiederzugewinnen
suchen. Eine echte Fakultät braucht als Grundlage ein echtes
Lebensgebiet. Damit ist der Maßstab gegeben für alle Fragen
der Ausdehnung und Angliederung. Ein neues, echtes Lebensgebiet
ist bisher nur in der Technik gegeben. Jaspers stellt
die Frage, ob nicht von hier aus der Weg zu einer neuen Fakultät
führen müsse, die einem menschlichen Grundanliegen der
modernen Welt Recnnung trage, nämlich der Grundidee der
„Daseinsformung", d. h. der Formung des menschlichen Daseins
in der Beherrschung der Naturkräfte, in der technischen
Welt. „Vielleicht ist das Heil des Geistes, dem die U. dient, und
das Heil der Technik davon abhängig, daß beide sich treffen."

Den Daseinsvoraussetzungen der U. ist das letzte Kapitel
gewidmet, das voll ist von praktischen, wegweisenden Gedanken
. Gehandelt wird u. a. von den Menschen (Begabungen,
Auswahl, Examina); von Staat und Gesellschaft (über den
Sinn der staatlichen Verwaltung); über Wahrheit, Forschung
und Politik (unbedingte Lehrfreiheit, aber nur in wissenschaftlicher
Absicht, in strenger Bindung des Forschers an die Wahrheit
) ; über die ökonomischen Grundlagen (Maßstab für die
Beurteilung aller besonderen Realitäten der Institutionen und
ihrer Daseinsnotwendigkeiten soll die Idee der U. sein, in der
und aus der zu leben den Sinn der Hochschule ausmacht). Die
unbedingte Folgerichtigkeit, mit der dieser Grundsatz durchgeführt
"wird, ist wohl der wichtigste Dienst, den diese bedeutende
Schrift uns in einem Augenblick zu tun berufen ist,
wo die Frage der Universitäts-Reform auf die deutschen Universitäten
im Osten und Westen zukommt. Jaspers hat unbedingt
Recht: „Wir tragen die Verantwortung für das, was aus uns
werden soll. Nur unser tiefster Ernst kann noch verwirklichen,
was möglich ist".

ALTES TESTAMENT

**yatt, J. Philip: ProphetiC Religion. New York-Nashville: Abingdon-

c°kesbury Press 1947. 188 S. 8>. $ 1.75.
_ Der Verf., der als Professor für AT an der Vanderbilt-

niversität in Nashville (Tenn.) wirkt und seit kurzem Herausgeber
des Journal of Biblical Literature ist, hat sein Buch
p der Absicht geschrieben, weiteren Kreisen Zugang zu dem

lätiomen der Prophetie zu verschaffen; das wird schon in
2** Widmung des Buches angedeutet, das der Verf. dem Ge-

«chtnis seines Vaters dargebracht hat, „a Christian layman,
, ho believcd deeply and lived courageously". Das Buch
g°nnte für die amerikanische Öffentlichkeit daher ähnliche

edeutung haben wie in Deutschland seinerzeit Duhms
^.Sr-'iels Propheten". Das praktische Anliegen des Buches
j*rd unterstrichen durch gelegentliche Beispiele aus ameri-
s5"''scher Gegenwart sowie doch auch dadurch, daß grund-
jtzlich und effektiv Jesus in die Reihe der Propheten mit-
'"gestellt wird. Die Diktion ist schlicht und gut verständ-
immer wieder begegnen ausgezeichnete Einzelformu-

da(fUin£en' Auf Scliritt "ncl Tritt ist dem Buc1' anzumerken,
JS "Ter ein Kenner des Gegenstandes spricht, der jeden ein-
1 '^en Abschnitt durch eigene Arbeit unterbaut hat. Die über-
jKeiie Handhabung des Stoffes prägt sich auch in der schein-
J"en Leichtigkeit aus, mit der die Dinge dargestellt werden.
An* 'st zweifellos etwas, was der deutsche Wissenschaftler vom
jj^etikaner lernen kann; hier steht, bei aller wissenschaft-
li0rlen Gründlichkeit, (lje schwerwissenschaftliche Formu-

"ng nicht, wie so oft bei uns, zwischen Verf. und Leser,
•naf ^e''* "'cnt den historischen Weg, sondern ordnet syste-
(]„ ':Sch an. Er verzichtet daher — wohl auch um seine Leser
heit 1 ''aS Vi,'lcrlei nicht zu verwirren — darauf, die Gesamt-
die r Prophetie darzubieten, sondern beschränkt sich auf
Jtz "Kfoßen" Propheten Arnos, Hosea, Jesaja, Micha, Jeremia,
U'i'lt ie' Und Deuterojesaja. Das Buch ist in 11 Kapitel ge-
• Das erste, die Prophetie vor Arnos betreffend, soll von

der Genesis der Prophetie her deutlich machen, was ein Prophet
ist: das ist der einzig richtige Weg. Dann schließt sich im
2. Kapitel „The great prophets" eine kurze Charakterisierung
der sieben genannten Propheten an. Die kritische Haltung
gegenüber den Heilsweissagungen (s. u.) fällt hier bereits auf.
In der Ez.-Interpretation spricht sich H. für I. G. Matthews
aus (Ezekiel, 1939): das in Palästina geschriebene ursprüngliche
Prophetenbuch wurde in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts
durch einen in Babylonien lebenden, mehr priesterlich
eingestellten Schüler Ez.s herausgegeben und später durch
Fremdvolkreden und eschatologische Partien ergänzt. Dem
Deuterojesaja rechnet er Jes. 35 zu. — Durchaus zutreffend
schließt sich als 3. Kapitel „The called of God" an: „We must
first try to understand their own coneeption of their mission".
Vom 4. Kapitel an wird dann die prophetische Botschaft entfaltet
, angefangen mit „The prophetie criticism of life". Hier
wird die umfassende Art prophetischer Schau dargestellt,
gegenüber der „narrowness of vision" bei den Zeitgenossen.
Neben dieser Engsichtigkeit sind es „false leadership", „abuse
of economic power" und vor allem „pride", wogegen sich die
prophetische Kritik besonders richtet. Die Hoffart wird dabei
als Wesentlichstes herausgestellt, was theologisch bedeutsam
und richtig ist. In dem Zusammenhang wird es abgelehnt, die
Propheten als Vertreter einer bestimmten Klasse oder als
Sozialreformcr anzusehen und zu rubrizieren.

Die Abschnitte 5 und 6 befassen sich mit der prophetischen
Geschichtsschau, der eine in bezug auf die Vergangenheit
, der andere auf die Zukunft. Die Linien werden vom
Jahwisten an gezogen, der als der eigentliche pater historiae
hingestellt wird. Hoseas und Ezechiels Beurteilung der Vergangenheit
wird stark gewürdigt, dem Deuterojesaja die meistentwickelte
„theology of history" zugesprochen. Für alle Propheten
gilt: Geschichte hat Sinn, weil sie unter Gott ist. Von
daher kommt es auch zur „special mission" Israels, dessen
Auswahl nicht im Sinne eines „Herrenvolkes" mißzuverstehen
ist. Das Problem, wie es sich mit der prophetischen Zukunftsschau
verhält, wird als das schwierigste innerhalb des Prophe-