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Ausgabe:

1947 Nr. 2

Spalte:

79-82

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Brommer, Peter

Titel/Untertitel:

Eidos et idea 1947

Rezensent:

Bultmann, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1947 Nr. 2

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of creation and the divine Mind permeating the cosmos, was
identified with Jesus not as a matter of midrashic exposition
wich could be used and thrown aside, but as an eternal truth in
the realm of metaphysics" (S. 178). So ist der Weg beschritten,
der zur Theologie Nicaeas führt (c.7: heresy and Orthodoxie).

Der aus Rom geschriebene Phil, zeigt keine weitere Entwicklung
der paulinischen Theologie, sondern trägt unbekümmert
um systematische Einheit alte Eschatologie und
neue Kosmologie zusammen vor (c.8: the pauline epilogue).
Der Eph., der nicht von Paulus stammt, reproduziert die
paulinische Theologie und ist dabei weiter von hellenistischer
Sprache beeinflußt (c.9: the Ephesian continuator). — Es
folgen noch 5 Beilagen: 1. Greek writers and persian religion,
2. Jewish influences on magical literature, 3. the Mandeans
(der Verf. bestreitet jeglichen Einfluß des „Mandeism" auf
Judentum und Christentum), 4. the decent of the redeemer,
5. Paul and „Mysteries".

Das Buch ist ungeheuer reichhaltig und enthält eine Fülle
wichtigen Materials für die Geschichte einzelner literarischer
und religionsgeschichtlicher Motive und für die paulinische
Terminologie. Die Kenntnis der jüdischen und der heidnischen
Literatur des Hellenismus ist umfassend, ja bewundernswert.
Namentlich die ersten Kapitel bringen vielfach wertvolle
Einzelinterpretationen zu Stellen hellenistischer Texte, besonders
philonischer. Und es gibt gewiß nicht viele Bücher,
aus denen im Einzelnen so viel zu lernen ist. Aber für das
Paulusverständnis erstreckt sich der Gewinn im wesentlichen
auch nur auf die Interpretation einzelner Begriffe und Sätze;
die Gesamtanschauung, die der Verf. vorträgt, scheint mir
fragwürdig zu sein.

Der Verf. stellt sich die theologische Arbeit des Paulus
als eine jeweils aus aktuellem Anlaß erwachsende vor, dabei
jedoch im Einzelnen als eine reflektierte, ja berechnende. Er
fragt nicht nach einer Grundkonzeption der paulinischen Theologie
, nach leitenden Gedanken in seinem Verständnis von
Mensch, Welt und Heilsgeschehen. Er fragt auch nicht nach
der eigentümlichen Form des Christentums, mit dem Paulus
zuerst bekannt wurde, und das sich von dem der Urgenieinde
beträchtlich unterschieden haben dürfte, geschweige daß er
die Frage nach dem vorchristlichen Paulus stellt, der doch
auch schon in der Welt des Hellenismus gelebt hatte. Er läßt
ihn von Fall zu Fall zu künstlichen Gedankenbilduugen und
Kombinationen greifen, so daß nun in der Tat das Bild einer
seltsamen alchemistischen Kunst entsteht. Der Scharfsinn des
Verf. ist bewundernswert; aber in seinen Konstruktionen greift
er m.E. mehrfach fehl, indem er sich stets nach passenden
Hörern oder Gegnern des Paulus umsieht, aus deren Verfassung
die nötigen Motive der paulinischen Sätze abgeleitet
werden sollen. Für 1. Kor. 15 setzt er „more educated Corin-
thians" an (S.126; wie stimmt das zu i.Kor. 15,29 ?), für
2.Kor. nach Bedarf bald orthodoxe Judenchristen, bald hellenistische
Christen, bald Juden (S. 134.142); im allgemeinen
nimmt er für die Leser das Niveau hellenistischer Popular-
philosophie an. Es ist m.E. ein Fehler, daß der Verf. der Erfahrung
des Paulus in Athen (ganz abgesehen von der Frage
nach der Geschichtlichkeit von act. 17) eine so grundlegende
Bedeutung zuschreibt, daß von ihr aus der entscheidende
Schritt zur Kosmologisierung des eschatologischen Evangeliums
getan werde. Ich zweifle nicht, daß, so sehr die Sätze
des Paulus jeweils durch die gegebene Situation veranlaßt
sind, seine Grundkonzeption, in welcher Eschatologie und Kosmologie
eine Einheit sind, längst vor Athen, ja in gewissem
Sinne vor seiner Bekehrung feststand.

Das tiqüxov yevSos scheint mir nämlich das zu sein, daß
sich der Verf. den Gegensatz von Eschatologie und Kosmologie
zu schematisch vorstellt, indem er sich das Bild der
Eschatologie nach den jüdisch-urchristlichen eschatologischen
Vorstellungen macht, wie sie bei den Synoptikern begegnen,

und indem er andrerseits das Bild eines eschatologiefreieu
Hellenismus wesentlich aus dem Eindruck Philons und der
stoischen Popularphilosophie gewinnt. Ist es vielleicht zuviel
gesagt, daß es Eschatologie ohne Kosmologie überhaupt nicht
gibt, so gilt doch jedenfalls für die Zeit des Hellenismus, daß
Eschatologie und Kosmologie, jeweils in verschiedenem Verhältnis
, längst eng verbunden sind. Zwar braucht nicht jede
philosophische Kosmologie eine Eschatologie einzuschließen;
wohl aber enthält jede Eschatologie auch eine Kosmologie, —
was übrigens auch für die synoptische Eschatologie zu behaupten
ist. Vor allem aber gilt das für die Gnosis. Und es
scheint mir nun ein weiterer Fehler des Verf. zu sein, daß er
auf die Gnosis zwar manchmal reflektiert (sie reduziert sich
für ihn wesentlich auf Astrologie und Magie), daß er aber das
Phänomen der Gnosis gar nicht in seinem vollen Umfang und
in seiner Bedeutung in den Blick faßt. Sein Bild vom Hellenismus
hat seine Grundfarbe aus der späteren Stoa bzw. einer
durch „Poseidonios" entwickelten Stoa gewonnen; alle anderen
Motive geben nur gelegentliche Schattierungen her. Die
Gegensätzlichkeit und die Spannung, in der alte griechische,
in der Stoa gestaltete Tradition und die Motive eines die
Welt abwertenden Dualismus stehen, werden als solche nicht erfaßt
. So muß denn auch die stoisch-poseidonianische Psychologie
die paulinische Pneumalehre verständlich machen, und
deren Eigenart ist nicht erkannt. Der für Paulus zentrale
Pneuma-Begriff spielt beim Verf. überhaupt nur eine geringe
Rolle, der Begriff des Fleisches so gut wie gar keine; statt
dessen freilich der Begriff der Materie, doch so, daß er innerhalb
des griechischen Gegensatzes von Geist und Materie gesehen
ist (vgl. die Auffassung von Adams Fall S.83.99.127).
Der Verf. kann deshalb die Befreiung des Menschen nach
Paulus so verstehen, daß die Gabe des Geistes ,,reiuforced the
Spiritual dement of 'mind'", daß der Mensch erlöst wird, ,,ouly
in virtue of the union of the mind of man with the Spirit of
God" (S. 99), — was ich für schlechterdings unpaulinisch halte.
Charakteristisch ist es, daß der Verf. die Kap. 10—13 des
2.Kor., aus denen der Zusammenstoß des Paulus mit dem
gnostischen Pneumatikertum so anschaulich wird, gar nicht
behandelt. So ist es begreiflich, daß er die kosmische Gestalt
Christi bei Paulus nach Analogie der stoischen Weltseele verstehen
will. Interpretiert er andrerseits die Betonung der Auferstehung
Christi bei Paulus als dessen Festhalten an der Geschichte
, so verkennt er, daß für Paulus die Auferstehung
Christi von vornherein ein kosmisch-eschatologisches Ereignis
ist. Daher auch die merkwürdige Beurteilung von 2.Kor.5,16
und die Behauptung, daß der Christus des Paulus die konkrete
Gestalt der Evangelien geblieben sei (S. 181, s.o.).

Wie wenig der VerL die Bedeutung der gnostischen kos-
mologischen Eschatologie verstanden hat, zeigt sich auch in
seiner Interpretation von Eph. Er will z.B. die Sätze vom
Ab- und Aufstieg Christi 4, 7 ff. aus der hellenistischen Anschauung
vom ständigen Ab- und Aufstieg der Seelen zwischen
Erde und Himmel verständlich machen (S.195); oder er
meint, die Vorstellung von der Kirche als dem tivtie r^t">s
4,13 sei „drawn from Hellenistic commonplaces comparing the
state to a Single person" (S. 196). Das Bild von der Ehe
zwischen Christus und der Ekklesia sei ein „commonplace of
populär theology", dessen mythologischer Hintergrund längst
vergessen sei: „Jesus here as elsewhere assumes the character
of the divine nature immanent in the cosmos, while the place
of the element of mind which He delivers is taken by the
Church" (S.201).

Es ist bedauerlich, daß dem Verf. einige neuere deutsche
Untersuchungen offenbar nicht bekannt geworden sind, bes.
H. Schlier, Christus und die Kirche im Epheserbrief (1930) und
E.Käsemann, Leib und Leib Christi (1933). Ich möchte aber
nach solchen kritischen Bemerkungen noch einmal betonen,
daß hier ein ungewöhnlich lehrreiches Buch vorliegt.

RELIGIONS WISSENSCHAFT

Brommer, P., Dr.: Eld'os et '13ia. £tude stmantique et chronologique
des oeuvres de Piaton. Assen: van Gorcttm & Comp. 1940. 277 S. 8" =
Philosophia critica. Deel I. Fl. 5.15.

Das vorliegende Buch, das sich bescheiden eine „Etüde
semantique et chronologique" nennt, enthält in Wahrheit eine
Untersuchung der leitenden Gedanken des platonischen Werkes
und seiner Entwicklung im Laufe des platonischen Philosophierens
; eine Untersuchung, die im Gegensatz zu C. Ritter
mehr philosophisch als philologisch sein will. Der Verf. meint
nicht, aus der Sammlung und Sichtung der einzelnen Stellen,

an denen die Begriffe Mos und U4a begegnen, deren Sinn
erheben zu können, sondern begibt sich an die Einzeluntersuchung
auf Grund eines Vorbegriffes, der aus dem Eindruck
des Ganzen des platonischen Werkes gewonnen ist, um zu
sehen, wie sich dieser bei der Interpretation der einzelnen
Dialoge bewährt, wie er zu modifizieren oder genauer zu bestimmen
ist.

Als Ergebnis stellt sich heraus, daß sich der Vorbegriff
von elSoe als „Struktur" bewährt. Genauer aber ist zu sagen:
das elSos ist nicht eine gedankliche Abstraktion, es meint nicht
die bloße Form der unter einem „Begriff" zusammengefaßten
Phänomene, sondern bezeichnet die eigentümliche Einheit von
Form und Realität. Der Ursprung der Realität des $J8pt liegt