Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1947

Spalte:

42-43

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Váczy, Peter

Titel/Untertitel:

Die Anfänge der päpstlichen Politik bei den Slawen 1947

Rezensent:

Spuler, Bertold

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

41 Theologische Literaturzeitung 1047 Nr. 1

„Orientalia Christiana" N. 76 (1932); A. Palmieri, Theologia dogmatica
orthodoxa, Florentiae 1911—13; L. Petit, Jeremie II. Tranos in Dictionnaire
de Theologie Catholique VIII, 1. S.886—894; /. Kapftiptj, 'Op&odol-ia.

Mtijai 1937, T6poi 1, S. 76—121; Desselben,
'MtftirtoXcä rov Jaxw[tov IlanxitH/tit; xai toi" f-)ioSouioi> Zvyofiahi,
'A&fjvai 1937; E. Benz, Wittenberg und Byzanz in „Kyrios" 4 (1939) 1 f.).
Solche Versäumnisse sind vielleicht wegen der Schwierigkeit der Zeit und
des Verkehrs zu verstehen, aber die neuere griechische Literatur wenigstens
sollte der Vf. vor Augen haben.

In der Einleitung gibt der Vf. eine knappe Schilderung von
Luthe» Stellungnahme zur „griechischen orthodoxen" (besser
zur orthodoxen, oder zur griechisch-katholischen) Kirche, von
der Rolle „griechischer Gelehrter als Vermittler zwischen der
protestantischen und der griechisch-orthodoxen Kirche", und
von den politischen Ereignissen der Zeit in Zusammenhang
mit der Renaissance (?) in Konstantinopel und der Fühlungnahme
zwischen der griechischen und protestantischen Kirche.

Etwas zu viel Sympathie schreibt er Luther für die orthodoxe
Kirche zu, denn in der Tat empfand Luther keine besondere
Sympathie für die orthodoxe Kirche, sondern in
seinem heißen Kampf gegen das Papsttum hatte er für einen
Augenblick geglaubt und gehofft, daß er in dieser Kirche und
ihrer Theologie eine Stütze für seine Ansichten finden würde.
Hätten Luther und seine ersten Mitarbeiter die orthodoxe
Kirche näher studiert, dann hätte er eventuell zu ihr in heilsame
Beziehungen kommen können und seiner Bewegung
einen höheren welthistorischen Charakter geben können. Das
war aber nicht Luthers Absicht, der seinen reformatorischen
Plan, abgesehen von gewissen Schwankungen und zeitweiligen
Zweifeln, im Rahmen seiner Weltanschauung und seiner kirchlichen
Konzeption fast von Anfang an fertig gefaßt hatte. Die
Leipziger Disputation (vgl. S.4—6) zeigt ganz klar, daß Luther
in dem von ihm über die griechische Kirche Gesagten lediglich
nach einem Argument für seine Sache trachtete, und nicht
nach einer Aussprache unzeitiger Sympathie für die „Griechische
Kirche" ohne tieferen Gruna. Darum kann man das
(in S.7) Gesagte, Luther legte „so oft er mit der griechischen
Kirche in Berührung kam (er selbst kam ja zu keiner), eine
freundschaftliche christliche Gesinnung und eine gründliche
theologische Kenntnis der Kirche (welcher?) an den Tag",
nur als übertrieben charakterisieren. Die in den folgenden
Paragraphen gegebene historische Schilderung ist, abgesehen
von einzelnen ITngenauigkeiten, sehr dürftig.

Im I.Kapitel über die Beziehungen zwischen Griechen
und Protestanten im i(>. Jahrh. wird ohne tieferen ('.rund auf
einen stärkeren Einfluß der neuen protestantischen Kirche
(die der Vf. eine neue Religion [sie !J nennt) auf die orthodoxe
Kirche hingewiesen. Auf S. 16 will wohl der Vf. vom Patriarchen
Joasaph II. (nicht Joseph) sprechen, von dem auch die Rede
auf S.11 ist, wobei das Epitethon ,,fuyuko7iQt7tTii!" nicht mit
„großem" wiederzugeben ist. Von einer Universität in Kon-
stantinopel kann man zu dieser Zeit überhaupt nicht reden!
und dieser nicht existierenden Universität und ihrer Theologischen
Fakultät schreibt der Vf. gelegentlich die Abfassung
der Jeremiasbriefe zu, obschon er in S. 20 jene Gelehrten nennt,
die wahrscheinlich die Verfasser der Briefe sind, aber ohne auf
diesen Punkt genauer einzugehen. Der historische Berieht in
diesem Kapitel wie im II. über die Stellungnahme des Patriarchen
zur CA. ist gut, aber der Vf. ist im Irrtum, wenn
er glaubt, daß man zu dieser Zeit zu einer Einigung hätte
kommen können, deren Mißerfolg er sogar bedauert! (S.45.)
Wie übertrieben die ganze Schilderung ist, zeigt das vom Vf.
(S.47) Gesagte, daß „die Tübinger Professoren über den Zusammenbruch
ihrer Hoffnungen sehr enttäuscht waren, denn
sie hatten eine Einigung der Kirchen nicht ihrer eigenen Vorteile
wegen gewünscht, sondern auch um der griechischen
Kirche und um der Christenheit willen" (!). Die Tübinger
Theologen würden bei näherer Kenntnis der orthodoxen Kirche
eller eine Überraschung als eine Enttäuschung empfunden haben
. Der Vf. in seinem Enthusiasmus sieht in M. Crusius einen
großen Vertreter des Philhellenismus. So schildert er ihn im
III. Kapitel seiner Arbeit. In Wirklichkeit war Crusius ein ausgezeichneter
Humanist, der sich vor allen Dingen für die Gewinnung
der orthodoxen Kirche für die protestantische Sache
interessierte; dies Interesse machte ihn den Griechen gegenüber
wohlgeneigt. Als Humanist fand er auch eine besondere
Freude darin, mit den Griechen in Berührung zu kommen,
denn dies hatte seine griechischen Kenntnisse verstärkt und
sie durch das lebende Element der Sprache (die doch nicht
eine tote Sprache wie das Lateinische war) neu belebt. Crusius
als begabter Gelehrter und Amateurtheologe wie auch seine
theologischen Kollegen konnte schon ganz gut bemerken, daß
die Griechen zu dieser Zeit trotz der erstaunlichen theologischen
Kenntnisse, die der Patriarch Jeremias und seine Ge-

42

hilfen zeigten, doch nicht so tief theologisch gebildet waren,
um ihre Orthodoxie gründlich zu vertreten und zu behaupten.
Darum haben die Orthodoxen — wie auch in späteren Jahren
des Niedergangs — breiten Gebrauch von der einfacheren
Uberlieferung gemacht, die sich als große Macht für die Bewahrung
des orthodoxen Glaubens erwiesen hatte. Crusius in
der richtigen Abschätzung dieser Tatsache glaubte, daß sein
sonst freundliches Benehmen die naiven Griechen für die
größere Sache leichter gewinnen würde und darin hat er sich,
gerade in Bezug auf die Macht der Überlieferung getäuscht!
Abgesehen davon kann man mit Recht Crusius als einen Phil-
hellenen charakterisieren, jedoch nicht schon als einen Vorläufer
des Philhellenisinus der späteren Zeit und im späteren
Sinne. Der Philhellenismus des ig. Jahrhunderts hatte
ganz andere Gründe und Voraussetzungen, und ist übrigens
in Deutschland nie so wie in anderen Ländern Westeuropas
lebendig gewesen. Sehr interessant sind die Anhänge,
insbesondere Anhang II, der ein chronologisches Register zu
Crusius' Briefwechsel mit hohen griechischen Klerikern und
Laien enthält und, sehr zweckmäßig für das Thema des Verfassers
, aus den Diarien Crusius' ausgezogen ist. Eine Verglei-
chung dieses Registers mit den in den Archiven aufbewahrten
Dokumenten wäre sehr wünschenswert. Sonst sind diese Register
der beste Teil der Arbeit, denn sie werden die Erforschung
des nocli unedierten Materials sehr erleichtern.

Zum Schluß seien mit Genugtuung die Beigaben genannt
, die die kleine Schrift verzieren und die Bildnisse des
Patriarchen Jeremias und Crusius' sowie Schriftproben des
letzteren enthalten.

Athen Hamilcar S. Alivisatos

Väczy, Peter v.. Die Anfänge der päpstlichen Politik bei den Slawen.

Budapest. (Vertrieb außeihalb Ungarns:) Leipzig: 1 larrassowitz 1942.
62 S. gr 8°. = Ostmitteleurop. Bibliothek, hrsg. v. Emmerich Lukinich Nr. 43
= Sonderdruck aus Archivum Europae Centro — Orientalis VIII. (1942)
Heft 3/4. RM 6.—.

Der durch seine Forschungen zur ungarischen Frühgeschichte
bekannt gewordene Verfasser greift mit der vorliegenden
Untersuchung erneut das Problem der „Slawenapostel
" auf. Ausgehend von der Verbreitung des Christentums
in den heute slowakischen und westungarischen Gebieten,
die meist durch wandernde „Chorbischöfe" betrieben wurde,
schildert er den wachsenden Widerstand der slawischen Fürsten
gegen den deutschen Einfluß. Das Hauptanliegen der
Fürsten Rostislaw von Mähren und Pribina und Kozel von
Pannonien war nach Väczys Auffassung die Gründung einer
selbständigen christlichen Kirche in ihrem Gebiete, nicht das
Streben nach einer slawischen Liturgie. Angesichts der damaligen
Spannung zwischen Rom und Konstantinopel versuchten
sie — ebenso wie die Bulgaren — durch wechselseitige
Fühlungnahme mit den beiden kirchlichen Mittelpunkten ihre
Bestrebungen durchzusetzen, und Konstantinopel glaubte,
durch die bewährten Missionare Kyrill und Method die südlichen
Westslawen in seinem Sinne beeinflussen zu können.
Scholl bald vermeinten diese aber, in Rom mehr Gehör für
ihre Forderungen zu finden, und traten so im Einverständnisse
mit den westslawischen Fürsten, die durch die südostdeutsche
Mission schon lange in Berührung mit der abendländischen
Form des Christentums standen, mit den Päpsten
in Verbindung. Hieraus entwickelte sich das von Väczy unter
sorgfältiger Heranziehung der Quellen und des einschlägigen
Schrifttums ausführlich wiedergegebene Wechselspiel, das
schließlich den Anschluß der „Mährer" und der pannoni.scli.en
Slawen an die westliche Kirche unter Ausschaltung deutscher
hierarchischer Ansprüche zur Folge hatte. Der Verf. kommt
zu der Überzeugung, daß ein slawisches Nationalbewußtsein
damals noch kaum vorhanden war und also der Wunsch nach
einer slawischen Liturgie nur wenig Widerhall fand. Die Haltung
des mährischen Herzogs Rostislaw, der nach Methods
Tode 885 die in dessen Sinne arbeitenden Priester abschob,
verleiht dieser Annahme eine gewisse Wahrscheinlichkeit,
wenn auch nicht gesagt ist, daß diese Haltung nicht mehr von
realpolitischen Erwägungen als von nationalen Gefühlen bestimmt
war (war doch Method trotz wiederholter Rechtfertigung
immer ein Stein des Anstoßes geblieben). Indem Väczy
seinem Buche den oben genannten Titel gegeben hat, weist
er ja — mit Recht — darauf hin, daß bei der Bekehrung der
südlichen Westslawen tatsächlich die Politik im Vordergrunde
stand. Die politischen Wünsche der Päpste und der mährischen
und pannonischen Fürsten konnten nur dann iu Erfüllung
gehen, wenn beide Teile einander entgegenkamen. Ein Teil
dieses Entgegenkommens mag auch Rostislaws Haltung nach
Methods Tode gewesen sein. Eine Erfüllung fanden Methods