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Ausgabe:

1943

Spalte:

163-164

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Krings, Hermann

Titel/Untertitel:

Ordo 1943

Rezensent:

Köhler, Walther

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163

Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 5/6

164

Christi Tod hat daher satisfaktorischen Charakter, wobei
freilich der Fehler der Orthodoxie des 17. und 19.
Jahrhunderts zu vermeiden ist: eine „Gleichgewiclitsbe-
rechnung von Leistung Christi und Gnade" (263). „Die
Vergebung ist auch nach dem Strafleiden Christi noch
ein Wunder" (264).

Die eindringende Studie, zugleich gründlich und fesselnd
, ebenso klar wie behutsam, verdient hohes Lob
und ernste Beachtung. Ich selber stimme dem Vf. in
seinen Hauptthesen zu. Aber auch wer das etwa nicht
vermag, wird durch die ausgezeichnete Abhandlung reich
gefördert werden in der Erkenntnis der Probleme des
Versöhnungsdogmas.

Erlangen A 11 h a U a

Krings, Hermann: Ordo. Philosophisch-bist. Grundlegung einer
abendländ. Idee. Halle: Niemeyer 1941. (182 S.) gr. 8° = Philosophie
u.Geisteswissenschaft. Buchreihe. Bd. 9. RM 7—; geb. RM 9 —

Wie fruchtbar es ist, die um einen Begriff kreisende
Ideenwelt systematisch zu verfolgen und tri klarem Aufbau
vorzuführen, zeigt vorliegende Untersuchung. Indem
Krings den Begriff Ordo herausgreift, sich dabei hauptsächlich
(nicht ausschließlich) an Augustin, der ja eine
Schrift De ordine verfaßte, und vor allem Thomas von
Aquino orientierte, gibt er nicht nur die „philosophischhistorische
Grundlegung einer abendländischen Idee",
sondern einen sehr wertvollen Beitrag zur mittelalterlichen
Weltanschauung und darüber hinaus; es wird
deutlich, wie anscheinend ganz moderne Probleme schon
im Mittelalter angetönt sind. Es ist an dieser Stelle unmöglich
, die mit einer geradezu zwingenden Logik vorgeführten
Ausführungen im Einzelnen nachzuzeichnen;
es seien nur einige der behandelten Themata genannt.
„Kein Lebendiges ist Eins, immer ist's ein Vieles", man
könnte das Goethewort an den Anfang stellen, wenn
der Ausgangspunkt bei dem Satze gewonnen wird: kein
Seiendes ist vereinzelt, sondern ein Ganzes geordneter
Teile. Was heißt ordo ontologisch, was heißt ordo
metaphysisch? Schon das Denken ist ordo gegenüber
dem unmittelbaren Erleben, cogito = ich habe bewußt
geordnetes Etwas. Das Denken über den ordo entzündet
sich an der Zahl (hier kommen die Pythagoräer zu ihrem
Rechte). Die Realwelt hat eine Ordnung an sich und
bekommt sie nicht erst durch das Denken hineingetragen
— dann ist Geschichte nicht „Sinngebung des Sinnlosen",
sondern tragt Ordnung und Periodisierung in sich, wie
das Troeltsch auch annahm, es fragt sich dann nur,
ob und wie weit man sie erkennen kann. Ordo intellec-
tuum = die nach Ordnung schaffende Bewegung des
Geistes; sie ging bei Hegel so weit, daß sie die Seinsordnung
aufhob in sich. Wenn sich im erkennenden
Verstände nach Empfang der Vorstellungsbilder eine
neue Welt aufbaut, so entsteht die Frage nach dem Verhältnis
von ordo naturae zu ordo intellcctuum. Ordo
ist Hinrichtung («oö? ti) eines Dinges auf die anderen
Dinge und auf sein letztes Ziel: der Begriff der Relation
. Wie steht es mit Gott? Einerseits steht er außerhalb
jeder Ordnung, anderseits ist er ganz in Ordnung
eingetaucht und Prinzip des ordo, von ihm geht der
ordo creationis aus, nicht etwa von unserem Denken.
Das Ganze des durch Beziehungen verwobenen ordo
strebt zur letzten absoluten Einheit. Dann kann Augustin
sagen: nihil est ordinatum quod non sit pulehrum,
und der ordo in finem wird zur Providentia (zum Verständnis
der Schrift Zwingiis De Providentia dei bieten
die Ausführungen von Krings sehr viel; man wird nicht
nur die Antike, sondern auch Thomas v. Aquino —
Zvvingli war Schüler des „alten Weges" — heranziehen
müssen). Die gubernatio dei ist die Ordnung in der
Zeit; die Ordnung wird das Medium des Tuns Gottes in
der Welt. Ein besonders interessantes Kapitel bieten die
Ausführungen über das Übel und das Böse als Verkehrung
der Ordnung, perversitas, iniustitia (im ontolo-
gischen Sinne), Artfremdheit (der Begriff des alienum!).
Hier gehen Thomas und Augustin stellenweise auseinander
, Augustin denkt dualistischer als der die Überordnung
Gottes auch über die Unordnung nicht vergessende
Aquinate; das führt dann bei diesem auf anderem
, Wege zur Prädestination (wie bei Zwingli in De provi-
i dentiia dei auch). Aber die Versuche, das Übel und Böse
| für das Nkhtseiende zu erklären, oder es in das Gute
j aufzulösen, wollen nicht recht gelingen: „das Böse kommt
j aus einer Tiefe, deren Grund unserem Blick entschwindet
. Ist der Mensch diese Tiefe? Oder Gott?" (S.
154).

Vf. bezeichnet einmal (S. 131) „ordo" als „den tiefsten
und universalsten Gedanken, der ein abendländisches
Jahrtausend trug." Davon gibt sein Buch einen
j starken Eindruck. Als Ergänzung möchte ich hinweisen
auf die vielfach mit ihm sich berührende, ebenfalls sehr
j gedankenreiche Untersuchung von Max Walther: PondllS,
dispensatio, dispositio, 1941.

Heidelberg W. Köhler

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Eichert, Ellynor: Das geistliche Spiel der Gegenwart in
Deutschland und Frankreich. Berlin: Junker und Dünnhaupt
1941. (317 S.) gr. 8° = Neue Deutsche Forschungen, hrsg. von Hans
R. G. Günther u. Erich Rothacker, Band 298. Abt. Vergl. Literaturwissenschaft
, hrsg. von Kurt Wais, Bd. 2. RM 13—.

Das geistliche Spiel der letzten Jahrzehnte in Deutschland
verdient durchaus die Aufmerksamkeit der Literaturwissenschaft
, und der Zeitpunkt, sich damit zusammenhängend
zu beschäftigen, ist gekommen, da die Ent-

| wicklung einigermaßen abgeschlossen zu sein scheint.
Ellynor Eichert unterzieht sich dieser Aufgabe, setzt sich

! aber zum besonderen Ziele, einen Vergleich zwischen

j dem geistlichen Spiel in Deutschland und dem in Frankreich
zu geben und dabei Wesensverschiedenheiten der

1 deutschen und französischen Seele zu finden (daher
erschienen in der Abteilung: Vergleichende Literaturwissenschaft
). Aber das Werk als ganzes ist nicht im

I mindesten auf einen solchen Vergleich hin ausgerichtet.

j Verglichen wird nur ganz zum Schluß, und das Ergebnis
des Vergleichs ist dürftig (s. u.). Das Vergleichs-

[ material ist ja auch völlig ungleichartig, da es sich auf

! deutscher Seite um eine Fülle von Stoff, um die verschiedensten
Dichter und „Richtungen" handelt, auf französischer
Seite im wesentlichen nur um zwei Dichter. Das
Buch hat seinen Schwerpunkt und seinen Wert in der
Darstellung des geistlichen Spiels der letzten Jahrzehnte
, besonders des deutschen, nicht in dem lose
augehängten Vergleich, der nichts Entscheidendes aufdeckt
.

Mit Recht sucht Ellynor Eichert das geistliche Spiel
begrifflich vom Drama scharf zu trennen, obwohl
praktisch eine Trennung nicht völlig durchführbar ist
(E. E. stellt selbst nachher bei manchen Spielen Merkmale
fest, die dem Drama zugeschrieben wurden, z. B.
„Verknotung"). Während das Drama — führt E. E.
aus — eine Begegnung entgegengesetzter Kräfte darstellt
und Schürzung und Lösung eines Konfliktes enthält
, umfaßt das Spiel eine Reihe von Zuständen und
Lebenslagen, bei denen der Mensch Vollstrecker eines
ihn transzendierenden Willens ist; es kämpfen zwei
Mächte miteinander, und zwar seien dies immer sittliche
Prinzipien, „also Gut und Böse" (S. 8). Das
letztere möchte ich nicht unterschreiben, es ist zu eng,
und an diesem Punkt scheint mir Fritz Rostosky, der
sonst „Spiel" zu sehr in seiner wörtlichen Bedeutung
nimmt, mehr im Recht zu sein. Dagegen kann man wohl,
wenn man „ethisch" weit faßt, mit E. E. sagen, daß das
Spiel nicht einen Wirklichkeitsabschnitt darslelle oder
die äußere Struktur des wirklichen Lebens wahre wie
das Drama, sondern eine in einem symbolischen Geschehen
veranschaulichte ethische Forderung au das Leben
sei. Während das Drama Zusainmenballung, Verknotung
und Lösung bringt, finden wir im Spiel eine