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Ausgabe:

1943

Spalte:

97-98

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Dehnhardt, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Metaphorik der Mystiker Meister Eckhart und Tauler in den Schriften des Rulman Merswin 1943

Rezensent:

Koepp, Wilhelm

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durch Elsbeth Stagel vermittelter zuverlässiger Angaben
gar nicht abzustreiten, um es für ausgeschlossen, ja nicht
einmal für wünschenswert zu erklären, daß Seuse eine
solche Heiligenlegendc über sich selbst mitverfaßt oder
redigiert hätte. Da niemand, auch Gröber nicht, um die
Annahme einer Endredaktion von anderer Hand herumkommt
und einigermaßen sichere Grenzen dafür ziehen
kann, sollte man ruhig bei dem wahrscheinlichsten Eindruck
bleiben, daß wir es mit einer Leistung von späterer
dritter Hand zu tun haben, die in gewohnter
klösterlicher Weise dem großen Meister (und seiner
Schülerin) mit gutem Material und manchen Legenden,
die sich um ihn gebildet hatten, ein Denkmal setzen
"wollte. Vielleicht führt eine Untersuchung der literarischen
Motive noch einmal etwas weiter. Die Bewertung
durch Bihlmeyer: „das erste Beispiel einer vom
Melden selbst herausgegebenen Autobiographie in deutscher
Sprache" (Gröber S. 117) reiht die Vita in einen
falschen literarischen Zusammenhang.

Eine Untersuchung von Seuses Mystik selbst bietet
Gröber nicht. Auch das abschließende, mehr mit formalen
Kategorien arbeitende Kapitel: „Der Mystiker
der göttlichen Liebe" und die als Anhang beigefügten

an sich feinsinnigen — Bemerkungen des Pfarrers
Karl Wild bilden dafür keinen Ersatz. So wird das Buch
auf seinem abgegrenzten Gebiet einen nützlichen und
dankenswerten Dienst leisten, bis die Zeit gekommen ist,
von den neuen Fundamenten der Eckhartforschung aus
auch die Gestalt seines treuen, ihm aber in vielem so
wesensfremden Schülers noch einmal mit schärferen kritischen
Maßstäben und aus umfassenderer theologischer
Siclit in Angriff zu nehmen.

Leipzig Heinrich B o r n k a in in

Dehnhardt, Ernst: Die Metapliorik der Mystiker Meister
Hxkhart und Tauler in den Schriften des Rulman Merswin
Marburger Dissertation (Prof. Dr. Helm). 1940. (124 S.) gr. 8°.
Das Thema dieser Dissertation ist scharf begrenzt
und doch bedeutungsvoll. Die philologische Arbeit macht
einen sehr sauberen Eindruck und erhält eine Auswertung
zu klaren Ergebnissen. Der erste Teil sammelt
den Metaphernschatz Merswins mühsam und umsichtig
Bildkreis für Bildkreis im einzelnen und geht ihn durch
unter eingehendem Vergleich mit Eckhart und Tauler.
Der zweite Teil sucht von da aus sorgfältig abwägend
zu allgemeinen Urteilen über den mystischen Gehalt
und über die Ausdruckskraft in der Bildsprache Merswins
vorzudringen.

Der Verfasser faßt am Schluß selbst seine Ergebnisse
so zusammen: Merswin übernimmt zwar die in
der Mystik gebräuchlichen Metaphern, aber deren mystische
Gehalte sind bei ihm nur noch in blassen Andeutungen
vorhanden. Er ist gar nicht mehr mystischer
Kontemplation und eingezogener Stille zugewandt, sondern
strebt auf ein naturalistisches Erlebnis im religiösen
Bezirk, dessen höchste Formen ihm Visionen und sinnlich
greifbare Symbole sind. Zugleich hat die Verwirklichung
der Werte einer primitiven Frömmigkeit im
Kampf mit Welt und Sünde bei ihm eine überragende
Bedeutung. So ist Merswins inystikvci wandte Sprachgebarung
nur eine äußere Hülle. Im Grunde ist seine
Sprache trocken und nüchtern, ohne Anschaulichkeit und
Innerlichkeit. Es mangelt dieser Laienliteratur überhaupt
der Geist der Mystik. Merswin ist beeinflußt
durch Bildgebrauch und Satzfügung der Mystiker, aber
e>" ist nur trockener Nachbeter. Seine Sprache ist mystischer
„Jargon" ohne die Innigkeit und Kraft Eckharts
und Taulers.

Auch dem Theologen als Frömmigkeitsgeschicht-
ler wird dieses Ergebnis von hohem Interesse sein.
Wir werden an viele Erscheinungen die Sonde zu legen
haben, wie viel echtes mystisches Erlebnis sei, und
wie viel mystischer Aufputz, und gegebenenfalls auch
nach dem Zwecke des letzteren fragen. Die Geschichte

der Mystik würde von hier aus recht bereichert. Zugleich
aber wünschte man, daß die vorliegende Dissertation
, so sehr das über ihren Rahmen hinausginge, tiefer
in die Geschichte der Mystik eingetaucht sei. Einmal
erwähnt der Verfasser selbst die Spätmystik des 17.
Jahrhunderts; aus Quellen und Literatur, auch theologischer
, zu dieser Zeit hätte er noch in ganz aiiderm
Maß an Parallelen lernen können. Der Eindruck, daß
die Ergebnisse nicht immer mit den richtigen Nuancen
ausgewertet sind, würde sich dann vielleicht berichtigen.
Auch scheinbar sehr frisch und jung iiuellcr.de Mystik
schöpft oft außerordentlich stark aus Bildschatz und Vor-
stcllungswelt des großen mystischen Erb^tromes. Der
Verfasser weiß das von Grete Luers her auch für
Eckhart. Aber er wägt es nicht stark genug. Die modernen
theologischen Arbeiten zur Einstellung Eckharts
in den Erbstrom auch der Scholastik und ihrer Problematik
würden das noch scharf beleuchten und zu einer
neuen Abwägung des ganzen mystischen Ausdrucksguts
und seiner Entfärbungen zu Moralismus und Naturalismus
führen. — Die noch viel schwierigere Frage, ob und
wie weit in der Deutschen Mystik des Mittelalters
germanisch- deutsch es S e e 1 e n t u m gegenüber
einem aus der Mittelmeerantike kommenden Denken wieder
auflebt, eine Umfärbung alter Bilder bringt, neue
Gedanken und Bilder denkt, rühre ich nur an; die Dissertation
läßt sie ganz außen. —

Diese Bemerkungen möchten den Wunsch einmal
wieder betonen, daß überhaupt germanistische philolo-
gisch-sprachgeschichtlichc Arbeit und frömmigkeitsgeschichtlich
-theologische Untersuchung sich noch weit
mehr, als gegenwärtig üblich, durchdringen; es wäre
auf beiden Seiten ein Gewinn. Aber die Bemerkungen
möchten keineswegs den Wert der Arbeit des, übrigens
blinden, Verfassers herabsetzen. Die Arbeit bringt ihr
Thema in seiner Begrenztheit zu einem sehr bemerkenswerten
Ertrag, der mit Gewinn in größere Zusammenhänge
eingestellt werden kann.

Greifswald Wilhelm Kocpp

Hieron im us, Konrail V.: Das Hochstift Hase! im ausgehenden
Mittelalter. Basel: Verlag der Historischen und Antiquarischen
Gesellschaft, Universitätsbibliothek Basel, 1938. (IV, 624 S.) Lex. 8°.

Schw. Fr. 25—.

Im Jahre 1517 verfaßte der Basler Münsterkaplau
Hieronymus Brühiger ein „Ceremoniale Basiliensis epis-
copatus", eine Besehreibung „cerimoniarum ac laudabi-
lium consuetudinum, quibus insignis ecclesia Basiliensis
. . . semper claruit ac famosa fuit". Das Werk bietet
eine überaus wertvolle Darstellung des ganzen kultischen
Lebens, wie es sich an einer spätmittelalterlichen Kathedralkirche
durch das ganze Kirchenjahr hindurch zu
entfalten pflegte.

Die Schrift war bis jetzt nur handschriftlich erhalten,
in der auf dem Geuerallandesarchiv Karlsruhe befindlichen
Originalhandschrift Brilingers und in einer auf
der Universitätsbibliothek Basel ruhenden Kopie. Da beauftragte
im Jahre 1922 die Historische und Antiquarische
Gesellschaft von Basel Herrn Oberstleutnant a. D.
Konrad W. Hieronimus in Lörrach, das wichtige Dokument
für die Veröffentlichung bereit zu stellen. Ait unermüdlicher
Hingabe machte sich Hieronimus ans Werk,
und das Ergebnis seiner Arbeit ist der vorliegende umfangreiche
, reichhaltige Band.

In einer stattlichen Einführung behandelt Hieroninius
zunächst „Verfassung, eigentümliche Kultformen
und wirtschaftliche Organisation des Hochstifts Basel
im ausgehenden Mittelalter". Dann folgt als Hauptteil
der Abdruck des „Ceremoniale" im lateinischen Original
und in einer deutschen Übersetzung. Ihm schließt sich
eine historische Darstellung der „Altäre und Kaplaneien
des Münsters zu Basel im ausgehenden Mittelalter" an.
Im Ganzen handelt es sich um 60 Altäre mit 77 Kaplaneien
; die bekanntesten sind die Altäre und Kaplaneien