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Ausgabe:

1943

Spalte:

22-24

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Reallexikon für Antike und Christentum 1943

Rezensent:

Schneider, Carl

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rheologfeche Literaturzeitung 1943 Nr. 1/2

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sen standen. Eine Geschichte der Stadt Augsburg kann
nur dann geschrieben werden, wenn die Akten der beiden
Wesen zu Grunde gelegt werden. Die Erbitterung,
mit der beide Konfessionen um die Erreichung dieses
Zieles gerungen hatten, läßt es verständlich erscheinen,
wenn die Parität als Grundlage der städtischen Politik
Jahrhundertelang mit aller Zähigkeit festgehalten wurde
. Erst der Untergang der Reichsunmittelbarkeit setzte
auch sie außer Geltung, allerdings zunächst nur in rechtlicher
Hinsicht; in anderer Hinsicht bestimmte sie noch
lange das Verhältnis beider Konfessionen.

'Bei dieser Saohlage bedarf es keiner Begründung,
wenn in der vorliegenden Arbeit eine Übersicht über die
Bestände wenigstens eines der beiden Wesensarchive,
nämlich des evangelischen gegeben wird. Eine kurze
Übersicht zeigt die Bedeutung des hier vorliegenden Materials
. Zunächst sammelten die evangelischen Stadt- |
pfleger all das Material, das die Entstehung der Rechtsgrundlage
, der Parität, betraf; die vielen Reichstagsver-
handlungen füllen umfangreiche Faszikel; man war sich j
aber auch der Pflicht bewußt, das Erreichte unter allen
Umständen zu behaupten; deshalb verfolgte man die
Verhandlungen des Reichstages und des schwäbischen
Kreises mit regem Interesse und zog überall Erkundi-
gunngen ein, so daß man durch Relationen und Akten- j
abschritten über viel Bedeutsames im Bilde war. Über
die Privilegien und kaiserlichen Begnadigungen der Stadt
war man ebenso orientiert wie über ihre Verwaltung,
ihre Akten geben Aufschluß über die Tätigkeit sämtlicher
städtischer Ämter, über die Steuerverhältnisse der
Einwohner, über die Ordnungen des handwerklichen Lebens
. Auch das kulturelle Leben der Stadt wie Bibliotheken
und Kunstsammlungen beachteten sie. Den evangelischen
Stadtpflegern stand auch das jus circa und in
sacra zu. Hier handelten sie in voller Selbständigkeit;
darum sind die darauf bezüglichen Akten im Unterschied
von den eben angeführten meist Originale. Sie regelten
die Anstellung und Ordination der Geistlichen nebst deren
Besoldung; sie ordneten den äußeren Gang des
kirchlichen Lebens (Feste, Friedensfest); aber auch Agende
und Gesangbuch unterlagen ihrer Aufsicht. Bücher-
zensur, Ellegerichtsbarkeit vor allem aber die Aufsicht
über das Vermögen der den Evangelischen zustehenden
Zechpflegen waren ihnen anvertraut. Die Rechnungen
der evangelischen Kirchen zu den Barfüßern, St. Georg,
h. Kreuz, h. Geist, St. Jakob, St. Ulrich sind hier deponiert
. Daran schließt sich eine umfangreiche Aktenserie
über die evangelischen Schulen, das Gymnasium
und Kolleg St. Anna. Die alten Stiftungen waren in
katholischer Hand geblieben; aber der evangelische Teil

flieh das bald aus. Auch hier zeigt sich die fördernde
ätigkeit der evangelischen Kirchenpfleger, die ihre Fürsorge
besonders auch den evangelischen Anstalten wie
dem Waisenhaus zukommen ließen. Auf evangelischer
Seite muß man schon frühe den Wert urkundlicher Belege
erkannt haben. Darum sammelte man auch die Urkunden
, die den evangelischen Kirchen aus katholischer
Zeit seit 1272 verblieben waren, darum sammelte man
auch Akten, welche die Geschichte des evangelischen
Glaubens in Augsburg aufzehellen im Stande waren, die
früheste aus dem Jahr 1522 (Akt. Nr. 650).

Das evangelische Wesensarchiv war nach mancherlei
Irrfahrten seit 1903 im städt. Archiv zu Augsburg gelandet
. Seine Bedeutung war längst erkannt; aber einer
Auswertung stellte sich die mangelnde Ordnung, die auch
Bemühungen Joachimsens Bichl hatten heben können,
entgegen. So war es eine schöne Leistung, wenn in wenig
Monaten eine Beamtin des landesk. Archivs in Nürnberg
dieses desiderium erfüllte. Das Archiv zerfällt in
ein Urkundenarchiv und Aktenarchiv. An Urkunden enthält
es 491 Nummern und 1 Salbuch, aus den Jahren
1272 bis 1805. Es sind zumeist die Urkunden der Zechpflegen
und deshalb güterrechtlicher Art. Doch finden
sich auch Stiftungen vom ewigem Licht, von Seelmessen
und Jahrtagen, zur würdigen Begleitung des Sakraments

bei der letzten Ölung, zum Unterhalt der Glocken. I lei-
ratsabreden und Testamente, Vollmachten, fehlen nicht.
Aus evangelischer Zeit stammen Reverse der Geistlichen.
Die Aktenabteilung umfaßt 1866 Nummern. Auf ihren
Inhalt ist oben hingewiesen worden. Auch in bayr. Zeit
bekam die Aktenserie noch Zufluß, so 1877 durch Einfügung
des Ingolstädter Sonntagsblattes und 1900 durch
Einfügung von Flugblättern des evangelischen Bundes.
Die Regesten der Urkunden sind knapp, aber alles wichtige
bietend; mit Absicht ist auf gute Diktion besonders
Gewicht gelegt worden. Die Aufschriften der Faszikel
sind zumeist beibehalten worden, weil sie kongruent dem
Inhalt erfunden wurden.

Druckfehler: Akt. 81 dürfte zu lesen sein; Annistitii. y3: Civila-
tum. Akt. 583: Sustentai.ronsbeiträ^e. Akt. 625: P»(ifikations We<en.
Urk. 561: Benzenzimmern. Il)7: Ehefrau. 367: Maria. 455; Christoph

474: Christin*.

Nürnberg K. Schornbau m

KIRCH ENG ESCH IC Hl E: SPÄT ANTIKE

Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbtich zur
Auseinandersetzung d. Christentums mit d. antiken Well. In Verh.
m. Franz Joseph Dälger f u. Hans I.intimtim f unter bc . MltW.
v. Jan Hendrik Wa-szink u. Leopold Wender hrsg. v. Theodor
K1 a u s c r. Lf g. 3: AUar (Forts.)-AnuhU. Leipzig: Hiergetnanli
[1<)41|. (Sp. T21—480). 4». RAI 3.50

Die dritte, wiederum unerwartet rasch erschienene
Lieferung bedeutet in manchen Beziehungen einen Fortschritt
über die beiden ersten hinaus, was aus der Einzelbesprechung
hervorgehen wird. Leider hat das Werk
durch den Tod Lietzmanns einen neuen, schweren
Verlust erlitten. Folgende Sachgruppen und Artikel sind
enthalten:

Regionales: Antiochia am Orontes (Kollwitz)
enthält alles Wichtige mit lückenlosen Quellen und
ausreichenden Literaturangabeu. Geschichte und Bevöl-
kerungsverhältnisse werden von der Gründung bis zum
Ende der Stadt verfolgt, richtig ist der griechische Charakter
für die entscheidenden Jahrhunderte betont. Außer
der eingehenden Kirchengeschichte der Stadt ist auch
eine Aufzählung der für die Antiocheia besonders wichtigen
Märtyrergeschichten und -legenden beigegeben, ferner
ein Überblick über die christliche Literaturschichte
und den christlich-archäologischen Befund der Stadt.

Hellenistische Religio nsge schichte: Zuerst
zu nennen ist Leipoldts bedeutender Artikel Antisemitismus
. Was hier auf geringstem Raum nicht
nur an Quellen und Material zusammengebracht ist, sondern
auch an Überschau größerer Zusammenhänge, ist
geradezu erstaunlich. Annona (Kalbsbach) gibt zwar
eine vollständige Geschichte der römischen Getreideversorgung
, die für die christliche Zeit, in der die
Kirche die alte Form der Getreidelieferungen fortsetzte
, sogar manches Neue und bisher kaum Bekannte
enthält, doch fehlt jeder Hinweis auf die sehr interessante
religiöse Personifizierung der Annona und ihre
Entwicklung zur Göttin, die auch für die christliche Sym-
bolsprache nicht unwichtig ist.

Medizin: Eine solide Zusammenstellung ist Anatomie
(F. W. Bayer) sowohl im nichtchristlichen wie
im christlichen Teil. Zum mindesten beachtlich ist die
Hypothese, daß das Aufkommen menschlicher Sektionen
erst durch die Abwertung des Leibes durch die platoni-
sierendc Philosophie möglich und veranlaßt wurde. Ob
sie richtig ist? Im ptolemaischen Alexandreia, wo die
menschlichen Sektionen aufkamen, spielte der Platonis-
mus in dieser Form keine Rolle. Einen Konkurrenten
des Asklepios, Amphiaraos, behandelt R. Herzog
in gewohnter Sachlichkeit und Kürze, für das Christentum
hat er nur in der Apologetik Bedeutung.

Personen: Ein feines historisches Verständnis für
Tatsachen und Zusammenhänge ohne Konstruktionen
weist Stiers Antoninus Pius auf. Geglückt scheint
mir der Rekonstruktionsversuch des historischen Kernes