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Ausgabe:

1943

Spalte:

263-267

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Kjöllerström, Sven

Titel/Untertitel:

Missa lincopensis 1943

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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'263

Theologische Literaturzeitung 1943 Nr. 9/10

In sehr gründlicher und sauberer Auswertung der
Texte geht die Arbeit den vielfältigen Zügen des Bildes
des geistigen Menschen bei Arndt nach; sie bringt
zunächst, sich eng an die oben genannten Schriften anschließend
, eine Darstellung des Bildes der historischen
Entwicklung geistiger Bildung, wie Arndt es zeichnet,
und weiter seiner Kritik an den Typen geistiger Menschen
in dem durch die Jahre von 1802—1813 umgrenzten
Zeitraum. Die von Arndt abgelehnten Tendenzen geistigen
Menschentums werden als aufklärerisch oder früh-
romantisch bestimmt, eine Sympathie wird dagegen zu
der naturphilosophischen, auf Sendling fußenden Richtung
der frühromantischen Bewegung festgestellt. Ein
zweiter Hauptteil schildert die Stellung des geistigen
Menschen zu Volk und Staat; die „Verbindung von po-
tischem Menschen und geistiger Persönlichkeit" (S. 83)
erscheint als das Idealbild der künftigen Gebildeten.
Dieser neue ideale Typus des geistigen Menschen wird
schließlich in einem Schlußteil in seiner Verkörperung
in bestimmten Persönlichkeiten der deutschen Erhebung
(Stein, Gneisenau, Reimer) und in der Gestalt Arndts
selbst untersucht: Geistiger und politischer Kampf Arndts
sind nicht voneinander zu trennen; „Leben und Lehre
fließen in seiner Person zur Einheit zusammen" (S. 96).

Diese am Schluß ausgesprochene Erkenntnis hätte
Verf. dazu führen müssen, schon im Verlauf der Untersuchung
dem „Leben" Arndts stärkere Aufmerksamkeit
zuzuwenden. Ihr zu enger und schematischer Anschluß
an die Texte, die oftmals systematisierend und ohne genügende
Beachtung des für das Verständnis Arndts
so außerordentlich wichtigen Momentes der Zeit verwertet
werden, läßt die Arbeit an dem Wörtlichen des
Textes haften bleiben. Hinter den Schriften stehen aber
immer bestimmte „Lcbensstrebungen" (vgl. Fahrner,
Arndt, 1937, S. 82), die ihre Form bedingen, und in
denen und hinter denen verborgen allein Arndt selbst
zu erfassen, ist; und nur im Wesen Arndts läßt sich das
eigentliche Problem des geistigen Menschen bei ihm erkennen
und einer Lösung zuführen. Auf die hinter den
Texten stehende Geistigkeit Arndts selbst ist die Arbeit
nicht eingegangen, so nahe dies etwa bei der Erkenntnis
der „Sympathie" Arndts für die Naturphilosophie
der Frühromantik (S. 58) gelegen hätte. So sind wichtigste
Fragen nicht berührt (um nur e i n Beispiel zu
nennen: die Behandlung der Stellung des geistigen Menschen
zu Volk und Staat läßt eine Untersuchung von
Führerbild und Führersehnsucht Arndts völlig vermissen
), und die Arbeit erhält den Charakter einer Vorstudie
, die aus den Schriften Arndts übersichtlich und
mit großer Sorgfalt das Material zusammenstellt für eine
Darstellung des Bildes des geistigen Menschen bei Arndt,
die die in seinen Schriften wirksamen ursprünglichen
Motive zu erkennen und die mit ihrem Verstehen gegebene
weitergreifende Aufgabe zu lösen vermag.

Jena, z. Zt. im Wehrdienst Wilh. H auliold

LITURGIEWISSENSCHAFT

Kjöllerström, Sven: Missa Lincopensis. En liturgi-historisk
Studie. Mit e. Zusammenfassg. in dt. Sprache. Stockholm: Svenska
Kyrkans Diakonistyrelses Bokförlag [1941]. (166 S.) gr. 8° = Acta
historico-ecclesiastica Suecana 4. Kr. 4—.

In einem Sammelbande T. 280 der Stifts- und Landesbibliothek
Linköping mit Abschriften von Akten,
welche dem Gegner der Liturgie Johannes III. (der Liturgie
des „Roten Buches"), Smalander (f 1619), wichtig
erschienen waren, fand Professor Kjöllerström (Lund)
zwei Abschriften von älterer Hand als der Smalanders,
enthaltend ein Hirtenschreiben des Bischofs von Linköping
, Johannes Magni (nicht zu verwechseln mit dem
Erzbischof von Uppsala Johannes Magnus) und seines
Domkapitels, und ein bisher unbekanntes Meßformular.
Das Hirtenschreiben, vom 5. November 1536, teilte
den Geistlichen des Bistums die Beschlüsse mit, welche
der Erzbischof, die Bischöfe und Prälaten des Landes

1536 in Uppsala gelegentlich ihrer Versammlung zur
Krönung der neuen Königin gefaßt hatten (Abdruck
I Kjöllerström S. 148). Das Meßformular (Erstdruck Kjöl-
I lerström S. 149—158) steht in dem Sammelband vor
I dem Hirtenschreiben; Kjöllerström (im folgenden Kj.)
I nennt es Missa Lincopensis (im folgenden ML); über
dieses Meßformular (und auch über das Hirtenschreiben)
schenkt uns nun Kj. in seinem Buch eine liturgiewissenschaftliche
Studie von Gewicht, von Gewicht nicht bloß
für die Erforschung der schwedischen Liturgiereformation
, sondern auch für die Erforschung der deutschen
Reformationsliturgien.

Die ML erweist sich a!s eine Art Votivmesse De Passione Domini;
dein entsprechend wird Oloria in excelsis und Credo nicht gebetet,
und es ist nur eine einzige Kollekte vorgesehen; da8 am Schill SM
der ML (vor dem Segen) eine Oratio super populum hinzugefügt
wird, das gehört in die Liste der Eigentümlichkeiten, welche die
FeriaJmessen vom Aschermittwoch bis zum Mittwoch der Karwoche
aufweisen. Der Gang der ML ist durchaus der der römischen Messe
in der Tradition des Bistums Linköping, wie sie zwar nicht aus einem
gedruckten Linköpinger MissaJe, aber aus dem 1493 gedruckten
Breviarhnn Lincopense zu entnehmen ist. Inhaltlich freilich ist
vieles ueugeformt, weil alles dem Standpunkt der Bibel und dem
Wortlaut der Bibel angenähert ist, so wie es die Forderung der reformatorischen
Bestrebungen damaliger Zeit verlangte. Im Contiteor,
Aufer a nobis, im Kleinen und Oroßen Kanon, im Embolismus,
in den Orationen ist alles getilgt, was an Fürbitte der Heiligen,
Marias, an Reliquienverehrung anklang; der Oedanke an menschliche
Verdienste vor Gott fehlt; für die Toten wird nur biblisch gebetet;
erst recht ist alles entfernt worden, was die Messe als ein Opfer
erscheinen ließe, und mit Strenge wird überall so gebetet und gesprochen
, daC als Opfer nur das einige Opfer Jesu am Kreuze erscheint
, die Messe aber als die Erinnerung an dieses einige Opfer
Jesu am Kreuze (bei welcher Erinnerungs-Feier wir allerdings unsere
Leiber und Herzen Gott zum Gehorsam der Tat aufopfern); dabei
wird der Glaube an die Realpraesenz ohne Abstrich festgehalten,
aber keinerlei Theorie über die Art dieser Realpraesenz mischt sich'
auch nur in Andeutungen ein; die Kirche spielt eine bedeutende Rolle,
| aber keineswegs einfach die festgefügte römisch-katholische Kirche,
sondern die katholische Kirche der Erlösten Christi, die Kirche der
durch das einige Opfer Jesu am Kreuze Geweihten und von diesem
Opfer Lebenden. Soviel vom Gehalt. Nun zu den Texten! Als
Introitus erscheint Phil. 2,5—11, dazu als Versus Rm. 8,32 (die
Missa De l'assione Domini im heutigen römischen Meßbuch hat als
Introitus ebenfalls ein Stück aus Phil. 2, 5—11, als Versus Ps. 89,2);
die Kollekte wird nicht angegeben, es wird nur gefordert, daß sie
quadrans cum scriptura sei (was z. B. die Kollekte De Passione
Domini im römischen Meßbuch ist); auch die Epistel wird nicht
bezeichnet (Rom hat aus Sach. 12 und 13: Sach. 12, 10—IIa und 13,
6—7); das Graduale besteht aus Phil. 2,8 f. mit Alleluja und Ps.
| 118, 16 f. (was Rom am Gründonnerstag hat, aber ohne Alleluja
j und ohne Ps.); das Evangelium ist ebenfalls freigestellt (Rom
I hat De Passione Domini: Jo. 19,28—35); als Offertorium wird Hebr.
10,14 und 10, 12 b, 13 genommen (Rom hat Ps. 22, 17 f.); die
Sekret der ML ist eigens zu dem Zwecke geschaffen worden, in
! solchem Gebet uns selbst zum Opfer darzubringen, und hier heißt
es ausdrücklich: Diese Sekret kann man in allen Messen lesen;
| omnes ferme aliae missarum orationes missam esse sacrificium sonant,
< quod divinae scripturae sinceritas et veritas minime permittit; ,,Prae-
fationes more solito"; als Postkommunion kommt in der ML die
Kollekte Deus, qui nobis sub sacramento, (welche Rom in der Votiv-
j messe De SS. Eucharistiac Sacramento als Kollekte hat).

In diesem Bestand der ML erscheinen nun noch zwei besondere
Kostbarkeiten. Der Verfasser der ML hat nämlich den Kleinen und
' Großen Kanon nicht einfach beseitigt, sondern hat beide Kanoncs
1 im Sinn der evangelischen Forderungen umgestaltet. Aus dem Kleinen
j Kanon sei als Beispiel die Umformung des Orate fratres, ut meum
j ac vestrum sacrificium acceptahile fiat apud Deum Patrem omnipotentem
angeführt; es heißt in der ML: Orate ergo, fratres et sorores,
deum patrem nostrum caelestem, ut mortificato in nobis vetere homine
huic communioni reddat idoneos. Amen. Der Große Kanon enthält
die Stücke des Römischen Kanons in folgender Umarbcitiung: Te
igitur wurde Quoniam . . . illius sacrosanetissimi ac perfectissimi
sacrificii nicmoriam celebrare exordimur; Memento gedenkt nun derer,
j pro quorum redemplione filius tuus mortem subire dignatus est;
' Communicantes wird zu Communicationem totius clirisrtianac religionis
et omni um te timentium . . . nobis concedere digneris; Haue igitur
! wird zu In cuius quidem memoriarn; Quam oblationem wird als
Gebet um Konsekration in usum nostrum in das In cuius quidem memoriam
eingearbeitet; Qui pridie wird beibehalten, hat aber am Anfang
den (Lk.-) Zusatz: pascha cum diseipulis suis maximo cum
desiderio diu desiderato manducans (vgl. dazu F. Hamm, die Ii-