Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1942

Spalte:

116-117

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Fendt, Leonhard

Titel/Untertitel:

Die neuen Perikopen 1942

Rezensent:

Haun, Fritz

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

115

Theologische Literaturzeitung 1942 Nr. 3/4

lag dem Band gegeben hat, im Rahmen einer konventionellen
Kirchlichkeit, die noch nicht in der Tiefe erschüttert
, noch nicht zu einem neuen Aufbruch erweckt ist.

2. Q. Kunze hat seinem Büchlein eine kurze Einführung
und eine Reihe von grundsätzlichen Bemerkungen
über den Gottesdienst im Krieg, über Predigt, Fürbitte,
Kriegsbetstunde und Abendmahlsfeier vorangestellt. Hier
stehen in knapper und zum Teil sehr treffender Form
wesentliche Dinge, die der sorgfältigsten Beachtung wert
sind. Kunze fordert gerade für die Kriegszeit strenge
Bindung des Gottesdienstes an die gegebene kirchliche
Ordnung, an Kirchenjahr, Wochenspruch, Perikopen; keine
Kriegsbetsstunde ohne Feier des Heiligen Mahles;
Wiederherstellung des Gesamtgottesdienstes („Deutsche
Messe"). Als die 4 Gedankenkreise, mit denen sich heute
die Predigt besonders befassen muß, nennt K. die Festigkeit
des Herzens, Schickung in Gottes Willen, rechten
Gehorsam, Stellvertretung und Opfer; man müßte freilich
auch hier hinzufügen die Frage nach dem Sinn des Lebens
und der Geschichte, und jene apokalyptische Schau
der hintergründigen Geschehnisse, auf die wir heute neu
zu merken gelernt haben. — Der praktische Teil des
Buches bietet dann 10 längere Bibelabschnitte (gut und
originell gewählt), 60 kürzere Bibelworte, 10 Gebetspsalmen
(aus denen die Racheverse und zumeist auch die
Hebraismen getilgt sind), 30 Gebete, 30 Lieder und Liedstrophen
und schließlich 10 „Worte zum Krieg" (von
Luther und anderen). Alles sehr gut und sorgsam ausgewählt
, durch Stichwortverzeichnisse am Ende für praktische
Verwendung eingerichtet. Die Gebete sind auch
hier zum größten Teil alteren Quellen (Blumhardt) entnommen
; jene Neigung zur psychologischen Ausdrucksweise
ist auch hier mehrfach zu beobachten.

Einige wenige kritischen Fragen: Darf man Mark. 3, 24 f. für
sich genommen unter der Überschrift „die Obrigkeit" als Bibelwort
darbieten? Und darf man Ps. 73 wirklich mit dem „Dennoch" des
Vs. 23 beginnen? — Ein kleiner Schönheitsfehler ist es, dal! bei den
Liedstrophen, die die ein/einen Verszeilen trennenden Lesestriche (/)
ohne erkenntlichen Grund in einigen Fällen weggeblieben sind.

3. Das kleine Heft von Altmann, im Vorwort ausdrücklich
als „Kriegsagende" bezeichnet, will als Ergänzung
zu dem von Kölln und Altmann herausgegebenen
Kirchenbuch verstanden und aufgenommen werden. Damit
ist auch die Art gekennzeichnet, wie hier in reicher
Auswahl Eingangssprüche, Büß- und Gnadenworte, Eingangs
- und Fürbittengebete dargeboten werden. Warum
nur die Eingangsworte (und diese nur zum Teil) nach
dem Kirchenjahr geordnet sind, im übrigen aber das Kirchenjahr
gar nicht berücksichtigt ist, ist nicht zu erkennen
. Die Gebete sind fast durchweg mehr von der Entfaltung
bestimmter Gedanken und Empfindungen (zum
Teil mit unverkennbarer Wendung zur Gemeinde) als
von dem liturgischen Stil des kirchlichen Gebetes be-
sitmmt und geformt, und sie bleiben ähnlich, wie das
von der Dietz'schen Sammlung gesagt werden mußte, in
einem bestimmten Rahmen volkskirchlicher Frömmigkeit.

Gewiß bieten alle drei Bücher, jedes in seiner Weise,
in vielen Fällen dem Pfarrer, der sich nach praktischen
Hilfsmitteln umschaut, reiches Material, aus dem er finden
wird, was ihm zusagt. Aber man fragt sich, indem
man solche Gebetssammlungen durchsieht, mit einiger
Verlegenheit, ob es wirklich „die Kirche" ist, die so
betet. Solche wortreichen Gebete, die einige wenige
Grundmotive herkömmlicher Frömmigkeit in immer neuen
Wendungen variieren, hinterlassen doch das peinliche
Gefühl, es müßte etwas sehr anderes geschehen, und
auch die nach Hilfe für ihre gottesdienstlichen Aufgaben
verlangenden Pfarrer bedürften im Grunde einer ganz
anderen Beratung. Das Gebet der Kirche ist auf der einen
Seite sehr viel zuchtvoller, strenger und gebundener in
seiner Form und es bindet den Liturgen an eine feste
Ordnung, statt eine reiche Auswahl für beliebige Anlässe
und Neigungen darzubieten; auf der andern Seite ist es
größer, weiter, glühender; es atmet mehr, als die meisten
dieser vielen Gebete tun, den Feuerodem des Michaelskampfes
und leuchtet im Morgenglanz des kommenden
Tages. Und zuletzt: es ist eine Probe der Bewährung
, ob ein Gebet die sonntägliche oder gar alltägliche
Wiederholung verträgt; wieviele der hier angebotenen
Gebete werden diese Probe bestehen?

Münster i. W. W. S tähl in

I Fendt, Prof. D. Dr. Leonhard: Die neuen Perikopen (der Eiseiiacher
Kirchenkonferenz von 1896). Für die theologische Praxis erläutert.
Tübingen: J. C. 6. Mohr 1941. (V, 256 S.) gr. 8° = Handbuch, z.
Neuen Testament Bd. 23. RM 9.10; geb. RM 10.45.

Es geht in diesem Buch um die von der Eisenacher
Kirchenkonferenz von 1896 ausgewählten neuen Perikopen
. Sie sind von ihr als Lesungen im Gottesdienst
gedacht. Also liturgische Stücke. Aber man kann und
i soll auch über sie predigen. Das ist freilich schwieriger
als über die alten. Denn sie enthalten manche sehr
schwere Texte, die dem Prediger bei der Vorbereitung
| viel Kopfzerbrechen machen. Nun will Fendt mit seinem
I Buch dazu Lust machen und Hilfe bieten. Wieder überrascht
und erstaunt die Belesenheit von Fendt. Es gibt
— soweit ich sehen konnte — keinen neueren Kommen-
i tar, den F. nicht heranzieht. Freilich fußt er vorab auf
dem Lietzmannschen Handbuch. Aber er führt auch viel
andere Auslegungen an und bietet dann und wann eigene
. Es geht ihm bei jeder Perikope um die Frage: was
I hat der Verfasser mit dieser Stelle sagen wollen? Exegetisch
wird sehr scharf und klar und sauber nachge-
| forscht, welches der Grundgedanke des Textes ist. Jede
Allegorie wird von vornherein abgelehnt. Das kommt
vor allem sehr deutlich bei den alttestamentlichen Peri-
i kopen zum Ausdruck. Jede Beziehung auf Christus, jedes
j Umdeuten auf Kirche u. s. w., jedes das alte Testament
; vom neuen aus Betrachten wird von F. abgewiesen.
| Rein wissenschaftlich stellt F. fest, was der Verfasser
einer Bibelstelle sagen wollte, als er diese Stelle zu sei-
I ner Zeit niederschrieb. Nachdem dies festgesetzt ist mit
| Hilfe der exegetischen Wissenschaft, wobei auch andere
Auslegung als die, welche F. sich zu eigen macht, angeführt
und widerlegt werden, kommt die Hauptfrage:
was kann nun der Prediger von heute mit diesem aus
j dem Textwort sich ergebenden Grundgedanken anfan-
j gen? Bedeuten sie etwas für die Verkündigung in unsern
! Tagen? Sind sie Wort Gottes noch an den Menschen
j von heute? Und F. hat auch den Mut bei einigen —
| vorab alttestamentlichen Texten zu sagen: Darüber
! kann man heute nicht predigen. Wenn man nicht untreu
weiden will und in den Text seine eigenen Gedanken
j hineinliest, die eben nicht drinnen stehen. Dann und
wann heißt es auch, die Begründungen, die Paulus aus
seiner Zeit her für irgendeine Stelle gibt, sind heute
nicht mehr stichhaltig. F. weiß selbst, daß er mit dieser
Methode anstoßen wird. Daß die Vielzuvielen, die alles,
| was sie glauben und hoffen, in die Bibel hineinlesen und
jede Stelle von sich aus „pneumatisch" und wenn es
; garnicht anders geht „allegorisch" deuten, gegen seine
! Art Einspruch erheben werden. Aber es geht ihm um
unbedingte theologische Sauberkeit. Und darin sehe ich
| das Hauptverdienst seines Buches. Daß er endlich einmal
wieder den Prediger von heute zwingen will, zunächst
den Text ganz sauber durchzuarbeiten und dann in der
Predigt auszulegen, was der Text wirklich sagt. Nicht
weniger — aber auch nicht mehr. Damit macht F. das
Predigen zu einer sehr schweren Aufgabe und verlangt
vom Prediger viel, viel Arbeit. Sein Buch bedeutet keine
Erleichterung sondern eine Erschwerung der Vorbereitung
. Denn wenn man sich an der Hand von F. Auslegung
und Darstellung über den letzten, echten Sinn
einer Stelle klar geworden ist, beginnt erst die Hauptsache
des Praktikers: aus diesen Grundgedanken der
; oft bei langen Texten nur einer ist eine Predigt zu
I machen für den Menschen von heute in die Kirche der
' Gegenwart hinein. Wir haben es eben in F. Buch mit
; einer rein wissenschaftlichen Arbeit zu tun. Denn die
„praktische Theologie" muß auch Wissenschaft sein und
I bleiben. Und die Pfarrer müssen wieder aufhören, zur