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Ausgabe: | 1942 |
Spalte: | 240-241 |
Kategorie: | Christliche Kunst und Literatur |
Autor/Hrsg.: | Müller-Erb, Rudolf |
Titel/Untertitel: | Der Kreuzaltar des Freiburger Münsters 1942 |
Rezensent: | Gehrig, Oscar |
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und Geistesgeschichte, so z. B. die Artikel über Darstellung
und künstlerische Auffassung des „Bauern", die
Entwicklung und Gestaltung der „Bibliothek", das „Bildnis
", den „Bilderbogen" usw. Vielleicht den größten Umfang
nehmen wieder solche Beiträge ein, die ganz oder
vorwiegend kirchlichen Gegenständen gewidmet sind.
Manche tragen geradezu den Charakter kleiner Monographien
, so die Artikel über die Bauten der „Benediktiner"
(P. Ad. Schippers) und „Birgittiner" (G. Wentzel)
oder der umfangreiche Aufsatz über die „Bettelordenskirchen
" (Leop. G i e s e). Einen nützlichen Überblick
über die Formen der (kirchlichen) Bestattung bietet Fr.
Zoeptl; von demselben auch die Artikel über das
„Beinhaus" und die volkskundlich interessanten „Bildstöcke
". (Es ist jedoch nicht richtig, daß sich die Bestattungssitte
der alten Christen unter dem Einfluß „alt-
testamentlicher" Vorbilder entwickelt habe; bestimmend
war vielmehr — neben den heidnischen Traditionen —
das lebendige jüdische Bestattungswesen ihrer Zeit.) Jos.
Braun hat wieder eine ganze Reihe von sorgfältigen
Beiträgen zur Paramentenkunde beigesteuert (Birett, Bischof
, Bischofshandschuhe, -ring, -schuhe und -Strümpfe
, auch Bischofsstab und -stuhl); dazu nehme man
„Beffchen" v. Hertha Simon, „Beginen" (Kleidung
und Bauten) von Elis. H o h m a n n und den interessanten
Artikel über das „Bekleiden von Bildwerken" von H.
Wentzel. Die Behandlung des „Beichtstuhls" ist in
einen katholischen und protestantischen Teil mit verschiedenen
Bearbeitern geteilt. Leider wird die Frage nicht
beantwortet, wieweit sich die — z. T. eindrucksvollen —
protestantischen Lösungen an katholische Vorbilder angeschlossen
haben, wieweit sie selbständig entwickelt sind.
Die Stichworte Bedel, Benediktusmedaille, Betnuß, Betpult
seien wenigstens genannt.
Unter den ikonographischen Beiträgen besitzt besonders
die eingehende Untersuchung der „Beweinung
Christi" und des „Erbärmdebildes" durch G.v.d. Osten
selbständige Bedeutung. Der Verf. sucht in eindrucksvoller
Beweisführung die Unabhängigkeit der nordischen
„Marienklage" von den italienischen Beweinungsbildern
darzutun, die vielmehr von jener beeinflußt seien. Auch
bemüht er sich um eine bestimmte Abgrenzung des Erbärmdebildes
gegen den sog. Schmerzensmann. Z. T. werden
diese Fragen unter den betr. Stichworten noch weiter
behandelt werden. Über das weite Gebiet der „Bibel-
Illustration" gibt W. Neuß einen vortrefflichen Überblick
. Es wird darin u. a. deutlich, wie der ornamentale
Schmuck der Bibelseiten im großen Stil erst mit dem Mittelalter
einsetzt, in dem andererseits die figurale Illustration
zunächst zurückgeht. Der theologische Kampf um
die „Bilderfrage" wird v. Th. Aschenbrenner dargestellt
, wobei jedoch, wie mir scheint, die andersartige
Bedeutung der religiösen, speziell christologischen und
der sonstigen, neutralen „Bilder" nicht entschieden genug
auseinandergehalten wird. O. T h u 1 i n liefert die
Fortsetzung über die „Bilderfrage" im Protestantismus.
Vielleicht könnte hier die innere, auch kunstgeschichtlich
so folgenschwere Wandlung im Verhältnis zum religiösen
Bilde, das in der lutherischen Kirche keine kultische, sondern
nur noch didaktisch-berichtende Bedeutung haben
soll, noch stärker betont werden.
Unter den symbolisch-allegorischen Stoffen nimmt
der „Baum" (Lisel. Stauch) den größten Raum ein;
die Artikel Adam-Christus, Astkreuz, Baumkreuz, Lebensbaum
u. a. dienen noch zur Ergänzung (zur Auffassung
des Baumkreuzes als Weinstock wäre an das Altarsakrament
zu erinnern). Die künstlerische Auffassung des
Baumes als Naturerscheinung findet man dagegen unter
dem Stichwort „Blatt, Blattwerk" behandelt. Sehr interessant
ist der Abschnitt über den Baum „als künstlerische
Darstellungsform verwandter Personen und Begriffe
" von W. Fohl. Es erscheint mir allerdings zweifellos
, daß das Bild des Baumes, das für Konsanguinität,
Affinität und ganz abstrakte Beziehungen gleichermaßen
gebraucht wird, durchaus aus dem optischen Eindruck
; der Zeichnung und nicht aus irgendeiner Symbolik erwachsen
ist. Daß dahinter „letzten Endes doch der Lebensbaum
' unserer Vorfahren steht", ist eine gänzlich
i unbewiesene und schwerlich beweisbare Behauptung.
[ Übrigens bemüht sich dieser Beitrag um eine „entchrist-
lichte" Terminologie („n. Z.", Sp. 74 verdruckt zu „u. Z."),
die man schon im Interesse der Einheitlichkeit des Werkes
gerne vermieden sähe. Der Begriff einer „hebräi-
i sehen" Geschichte ist recht wunderlich, die nachdrück-
! liehe Bezeichnung Noahs und seiner Söhe als „Juden"
(Sp. 86) einfach falsch. Wichtig sind die vorsichtigen
Ausführungen von A. Mayer und dem Hrsg. des Gesamtwerkes
, O. Schmitt, über die richtige Deutung der
„Bestiensäule" (in der Freisinger Domkrypta) und verwandte
Darstellungen. Danach läßt sich die Einwir-
l kung germanisch-mythologischer Vorstellungen auf diese
menschlich-tierischen Kampfszenen nach wie vor nicht
wahrscheinlich machen, und „die christliche Gruudten-
i denz des libera nos a malo" bleibt jedenfalls der „eigentliche
Leitgedanke" (Sp. 369).
Zum Schluß seien noch einige Versehen und Druckfehler notiert.
Sp. 67 Z. 5 lies „sitzt flehend1" für „kniend"; Sp. 88: arbor (arbor
| bona!) ist weibl. Geschlechts! Sp. (J4 Z. 25 lies „zünftigen" für ,,zu-
I künftigen"; Sp. 148 Z. 28 „früheren" für „frühen"; Sp. 701 /.. 12
„16. Jh. (?) für „17. Jh."; Sp. 803 stimmt die Datierung unter der
I Abb. 17 mit der im Text geholenen nicht völlig überein.
Wien, z. Zt. im Heeresdienst H. v. C a m p entlausen
Mülle r-Etb, Rudolf: Der Kreuzaltar des Freiburger Münsters.
von Goldschmied Frit/ Möhler, Schvväbisch-Omiind. Mit e. Bcitr. v.
Rudolf Geis. Berlin, Freiburg i. Br.: Clwistophorus-Vcrl.: Herder
K. G. 1941. (lJ4 S. mit 03 Abb.) gr. 8". RM 4.20.
Dieses schön ausgestattete Buch verdient die Beach-
j tung aller Freunde alter und neuer Kunst, insbesondere
I kirchlicher Kunst. Der behandelte Gegenstand, ein neu-
j zeitlicher Altar in einem altehrwürdigen Münster, die
Arbeit eines Goldschmieds von Rang, ist in einen weite-
I ren, verpflichtenden Rahmen hineingestellt. Der Künstler
hat sich bei seinem eigenartigen und doch zeitlos
groß gedachten Werk als echter Goldschmied nicht auf
die Bearbeitung und Verwendung edlen Metalls be-
1 schränkt, sondern sich der kostbaren, an größten Vor-
J bildern gefestigten Grubenschmelzemailtechnik bedient.
Damit der Leser diese Arbeit und ihre Provenienz auch
J richtig verstehe, sind dem Buche klassische Beispiele,
voran der Klosterneuburger Altar des Nikolaus von Ver-
dun u. a., (an die der Kenner auch sofort denken mußte),
beigegeben. Das ausgiebige Vorwort Müller-Erbs behandelt
mit Absicht weniger den neuen Altar des Gold-
; Schmieds Möhler als vielmehr den Stoff im großen, hin-
j führend auf die geistig-sakrale Form unserer Zeit. Durch
diesen geschichtlich-prinzipiellen Unterbau verstehen und
würdigen wir die neue Arbeit besser, und ihre Wirkung
ist somit nachhaltiger, als wenn uns nur eine technisch-
stilistische Einzelbeschreibung geboten wäre. Über die
Monstranz des Kreuzaltars verbreitet sich Dompfarrer
Dr. Geis in guter Ergänzung zum Altar und seinem kostbaren
Tabernakel. Ist es auch immer ein Wagnis, wenn
die neue Zeit, nach Abbruch der Tradition der Handwerksübung
und stilistischen Geschlossenheit, langsam
wieder an das Große anknüpft, sich auf festem, gewachsenem
Boden in Neuland vortastet, so kann man angesichts
der Leistung Möhlers doch behaupten, daß dies
Wagnis geglückt ist. Und wesentlich trägt die Mitarbeit
des Theologen zum Erfolg bei, auch darin bleibt die
Vergangenheit Lehrmeisterin, die uns die Losgclöstheit
und Entwurzelung des auf sich allein gestellten Künstlers
gerade und zuvörderst im liturgisch-kultischen Bereich
überwinden helfen muß. Wir wünschen diese lehrreiche
Schrift über die vorbildliche Zusammenarbeit der
in Betracht kommenden Faktoren und das zutreffende
Ergebnis in die Hand all derer, die das Kunstgut der
Kirchen bewahren und mehren dürfen.
Rostock, z. Zt. h. d. Wehrmacht (), Q e h r 1 g