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Ausgabe:

1941

Spalte:

271-272

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Herrwigh, Lothar E.

Titel/Untertitel:

Die Geschichte der deutsch-evangelischen Gemeinden des Banats 1941

Rezensent:

Pflücker, P.

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Seite 1

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271

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 9/10

272

In Heft 1 werden zunächst die Leitgedanken der
Rechtsbildung der ungarischen evangelischen (=4utheri-
schen), bzw. reformierten Kirche seit dem Weltkrieg
sachkundig dargelegt. Für beide Kirchen sind die Grundgedanken
der Autonomie, dargestellt durch das pres-
byterial-synodale System, und der Gleichberechtigung
des geistlichen und weltlichen Elementes charakteristisch
. In den Verfassungsänderungen herrscht das Streben
, die offenkundigen Schäden des liberalistischen Geistes
der früheren Verfassungen zu überwinden, das oft
ausartende kirchliche Wahl- und Appellationsrecht einzudämmen
und dem geistlichen Leben den Vorrang zu
sichern. Vor allem kehrt die reformierte Kirche entschieden
zu biblischen und reformatorischen Grundsätzen
(Kirchenzucht u.a.) zurück. — Der Bericht über Soziologie
deutet nur sehr behutsam die mehr als rückständige
Sozialordnung Ungarns an, mit der sich erst
spät ein sozialreformerisches Schrifttum auseinanderzusetzen
beginnt, das an die Nöte der Bodenbesitzordnung,
Landflucht, Einkindsystem, Arbeitslosigkeit, Auswanderung
, Auslandungartum, Judenfrage anknüpft. Bodenreform
, Ragaz, Rutter, Settlemenit-Bewegung, Rassen-
schutzgedanken haben dabei zuweilen Pate gestanden.
Nicht alle 127 Schriften sind genuin christlich, aber das
meiste für das kirchlich-missionarische Wirken wichtig.

In Heft 2 folgt einem Überblick über die Arbeit
am A.T. die bibliographische Aufzählung von 249 Arbeiten
aus 4 Jahrhunderten. Von den 143 Arbeiten des
16.—18. Jahrhunderts sind die meisten in Deutschland,
Holland, England und der Schweiz lateinisch erschienen.
Im 19. und 20. Jahrhundert bleibt die hebräische Sprachwissenschaft
ein Stiefkind der ungarischen Theologen.
Ein hebräisch-ungarisches Lexikon gibt es nicht, eine
vollwertige Grammatik fehlt. Die Einleitungswissen -
schaff folgt ausländischer Forschung. Mehr als zwei
Drittel sind exegetische Werke, aber ein vollständiges
Kommentarwerk fehlt ebenso wie völlige Kommentare
zu Gen., Jes., Jer-, Ez., Hiob, Psalter. Nicht anders ist
es um die Geschichte Israels und die atl. Theologie bestellt
, während es um die israelitische Religions- und
Kulturgeschichte besser steht. Teilweise handelt es sich
um Übersetzungen, Nachbildungen oder auch Auseinandersetzungen
mit den allgemeinen wissenschaftlichen Bewegungen
, wie der historisch-kritischen oder religions-
geschichtlichen. Neben Magyaren sind auch Slovaken
und Deutsche als Autoren vertreten.

Cilli O. May

Röhrig, Hans Walther: Die Geschichte der deutsch-evangelischen
Gemeinden des Banats unter bes. Berücksichtigung des
Verhältnisses von Kirche und Volkstum. Leipzig: S. Hirzcl 1040.
(VIII, 85 S.) 4° = Beiträge z. Kenntnis d. Deutschtums in Rumänien
, hrsg. v. Rudolf Spek. Bd. 3. kart. RM 4.80.

In dem letzten Vierteljahrhundert hat unsere Generation
im Reich mehr vom Auslandsdeutschtum gehört und
kennen gelernt als frühere Generationen in Jahrhunderten
. Nachdem man sich Jahrhundertelang so gut wie
überhaupt nicht um „die da draußen" gekümmert hatte,
ist es aus mehrfachen Gründen das Verdienst des 19.
Jahrhunderts gewesen, darin Wandel zu schaffen. Die
evangelische Kirche Deutschlands, oder besser: die evangelische
Christenheit Deutschlands aber ist die Bahnbrecherin
gewesen. Seit mehr als einem Jahrhundert hat
sie systematisch „Diasporapflege" getrieben; und war
diese Diasporapflege auch selbstverständlich konfessionelle
Arbeit, so ist es doch ihrem Wirken in erster Linie,
ja zumeist ganz allein zuzuschreiben, daß sich zugleich
deutsch-völkische Diaspora unter den schwierigsten Verhältnissen
oft durch Jahrhunderte rassisch und kulturell
erhalten hat. Die deutsche Gegenwart erntet, was die
Kirche in der Vergangenheit gesät hat. Dem Kundigen
sind das bekannte Dinge.

Davon legt auch die vorliegende Schrift beredt und
gründlich fundiert Zeugnis ab. Der Verfasser, dem für
seine sorgfältige und, wie jeder Sachverständige weiß,

i überaus mühsame Arbeit großer Dank gebührt, hat aus
! dem bunten Gesamtbild des Auslandsdeutschtum, das literarisch
noch so viele weiße Stellen aufweist, einen klei-
j nen Teilabschnitt herausgenommen, der aber durch die
, neuen und neuesten politischen Ereignisse besonderes In-
i teresse hat. Schon das ist wichtig, daß der Verfasser die
i landläufige Gleichung „Deutschtum im Banat = katholisch
" berichtigt und die große Bedeutung gerade der
evangelischen Gemeinden des Banats für die Erhaltung
des Volkstums dort herausstellt. „Es ist auffallend, daß
an der deutschen Bewegung der Vorkriegszeit die evan-
j gelischen Gemeinden einen hervorragenden Anteil ha-
j ben." Es wird der Nachweis geführt, daß die meisten
Ostvölker der deutschen Reformation die Weckung und
Förderung ihres Nationalbewußtseins verdanken, daß
aber auch die deutsche Siedlung im Ostraum ihre feste
| Burg in der Kirche fand und sich bis auf die Gegenwart
I bewahrte. Und zwar ist es die positiv christliche Haltung
der Gemeinden gewesen, und nicht ein sogenanntes liberales
Christentum, das dem völkischen Gedanken das
Rückgrat gegeben hat.

Der Wert der Schrift besteht darin, daß sie dem
Leser in sorgfältigster bedächtiger Weise das Material
ausbreitet und zugleich überzeugend die großen Linien
zwangsläufiger geschichtlicher Entwicklung zieht. Der
Kirchenmann wie der Politiker werden aus der Arbeit
reiche Belehrung schöpfen.

Berlin-Schöneberg P. Pflücker

j Studia Theologica II. Edidit Ordo Theologorum Universitatis Latvien-
sis. Riga: L. U. Studentu padomes gräinatnica 1940. (218 S.) gr. 8°.

Im Jahre 1935 erschien der erste Band der Studia
Theologica, damals als Festschrift für I. Benzinger (vgl.
ThLZ. 1936, Sp. 31/32). Der vorliegende Sammelband
stellt die Festschrift der Rigaer lettischen Theologischen
Fakultät sowie einiger auswärtiger Gelehrter für den
Rigaer Praktischen Theologen W. Maldon is zu dessen
70. Geburtstag dar. Die Beiträge sind sämtlich deutsch
geschrieben. — Der Band darf gleichzeitig als Abschiedsgruß
der Rigaer lettischen ev.-theol. Fakultät gewertet
werden, die bekanntlich am 31. 8. 1940 ihre Tore hat

j schließen müssen. Die Aufsätze, die in diesem Bande

j vereinigt sind, legen ein schönes Zeugnis für die ge-

| leistete Arbeit ab.

Die ersten beiden Untersuchungen sind der lettischen Religions-
geschichte gewidmet. Der Rigaer Kirchenhistoriker L. Adatnovifs
behandelt den altlettischen Dynamdsmus (S. 13—39), während E.
Z i c a n s - Riga über die „Ewigkeitsahnung im lett. Volksglauben"
handelt (S. 41—63). — Von den zwei alttest. Beiträgen bietet der
erste von J. L i n d b 10 m - Lund, eine sorgsame Exegese der be-

| kannten Stelle Hiob 19, 25—27 (S. 65—77), ein zweiter von F.
Treu- Riga spricht lehrreich über „Anklänge iranischer Motive bei
Deuterojes" (S. 79—95). — Es folgen drei neutest. Aufsätze: K.
Kundsin, der Neutestamentier der Fakultät, wendet sich durch den
Hinweis auf „Neutest. Offenbarungsworte" (S. 97—116) gegen eine

j lediglich historische Arbeit am N.T., eine Mahnung, die von einem
so betonten Religionsgeschichtler wie Kundsin ausgesprochen, besonders
nachdrücklich wirkt. J. R e s e w s k i - Riga nimmt in seinem

I Aufsatz „Wie haben Matth, und Lukas den Markus benutzt?" (S. 117
bis 134) die Argumente gegen eine allzu starre Fassung der Zweiquellentheorie
auf. Die Arbeit von Fr. Z i 1 k a - Prag „Die neutest.
Eschatologie, ihr religiöser Kern und dauernder Gehalt" (S. 135—154)
bedeutet einen erneuten Versuch, liier unter Hinweis auf die Erdgebundenheit
der Kategorie Zeit, die Eschatologie zu spiritualisieren
bezw. zu idealisieren. — Der Dorpater Kirchenhistoriker (). S i 1 d
berichtet anschließend über seine sehr sorgsamen Forschungen über die
letzten Schicksale und das Grab des livländischen Ordensmeisters Otto
de Lutterbergh, gest. 1270 (S. 155—168). — Es folgen drei systematische
Arbeiten: A. F r e i j s - Riga „Der Glaube als Tatsache der
Seele und als Gottes Werk" (S. 169—194) richtet sich besonders

j gegen Barth, und betont das aktive Moment im Glauben. Oberraschend
ist der Beitrag des ehemaligen estnischen Bischofs H. B. R a h a -
mägi, „Ober das Herrnwort hinaus oder erst recht unter das Herrnwort
" (S. 195—201), in dem eine Ehescheidung als mit Jesu Verkündigung
vereinbar angesehen wird, sofern die Ehe nicht von Gott
zusammengefügt war, was nach Ansicht des Verfasser empirisch feststellbar
sei. Der letzte Beitrag schließlich, von E. Rumba- Riga
„Die Heiligkeit der Kirche" (S. 203—218) betont die objektiven