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Ausgabe:

1941

Spalte:

204-206

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Scherg, Theodor Josef

Titel/Untertitel:

Das Schulwesen unter Karl Theodor von Dalberg, besonders im Fürstentum Aschaffenburg 1803 - 1813 und im Großherzogtum Frankfurt 1810 - 1813 1941

Rezensent:

Aland, Kurt

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203

Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 7/8

20 t

ist wesentlich Von der letzten Ölung zu unterscheiden.
Bei der Eucharistie wird gegenüber andern katholischen
Darstellern mit Nachdruck das Fehlen der Transsubstan-
tiatiom zugegeben. Die größere Ähnlichkeit der heutigen
Deutung und Ausführung mit der katholischen Praxiis
gegenüber der Zeit der klassischen Väter wird unumwunden
als Beeinflussung erkannt, als Überwucherung
durch die stärkere Schwester in jenen dunkeln Zeiten
des zweiten Jahrtausends n. Chr., aus denen uns keine
Quelle etwas über das Sterben und Leben der Orientkirchen
meldet. So nutzt der Verf. das feste Gerüst, das
ihm seine Kirche bietet als sichern Standpunkt, er mißbraucht
es aber nicht. Ob seine Benutzung immer praktisch
war, könnte man eher fragen; so scheint es mir
nicht wohlgetan, die Myronweihe in Firmung und Kran-
kenölung aufzuteilen.

Das Problem, ob die Untersuchung in dieser Weise
vorgenommen werden darf, bleibt dann freilich als peti-
tio principii offen. 1) Der Verf. arbeitet systematisch,
wo wir historisch sehen möchten. 2) Der Verf. ordnet
kanonistisch-liturgisch, wo wir dogmatisch untersuchen
möchten.

ad 1) De Vries befragt nicht nur die erreichbaren Väter der
syrisch-monophysitischen Kirche in ihren Kanones und Dogmatiken;
er zieht auch Briefwechsel und entlegenes Schrifttum heran. Endlich
hat er auch die historischen Werke durchgearbeitet, und ich weiß
keine Sakramentskontroverse bei Johannes von Ephesus, Michael d. Qr.
und Bar Hebräus, die ihm entgangen wäre. Aber, obwohl der Verf.
durchaus Entwicklungsstadien anerkennt (S. 94), verzichtet er doch
darauf, diese in ihrem lebendigen Spiel vorzuführen. So fällt wertvollstes
historisches Material wie etwa Daten über das Aufhören des
Diakonissenamtes, über Jakob Baradäus, über die Beziehungen zu den
Nestorianern nur ganz nebenbei ab und muß vom Leser erst in seinen
Zusammenhang gebracht werden. Der Benutzer vermißt schmerzlich
das geistige Band historischen Werdens und Vergehens und wird trotz
aller geschickten Disponierung der einzelnen Teile nicht recht froh.

ad 2) D e V r i e s fragt die Väter des Monophysitismus nach ihren
Sakramenten, ohne sie entscheidend nach ihrem Dogma gefragt zu
haben. Das führt etwa bei der Eucharistie dazu, daß die Urkunden
gleichsam auf den Kopf gestellt werden müssen; man lese die Erörterungen
S. 142 ff. und etwa den Brief des Severus von Antiochien an
den Priester Victor (PO. XII, S. 262 ff.)! Das Geschehen der Eucharistie
ist dort wie bei allen Syrern nur Beispiel zur Deutung der Inkarnation
: Wie sich im Sakrament Brot und Wein zu Fleisch und Blut
verhalten, so verhalten sich in Christus menschliche und göttliche
Natur (bezw. Eigenschaften). Ich wage es nicht die Glieder dieser
Proportion mit solcher Virtuosität umzukehren, wie es de Vries tut.
Diese methodische Schwäche verdunkelt die sachliche Erkenntnis,
daß der orientalische Theologe, weil er in fast sämtlichen Denominationen
am aTOEJrrcoc, gegen Eutyches festhält, unmöglich eine Wandlung
der Substanz im Abendmahl annehmen wird. Ebenso lehnt der
Monophysit natürlich eine evo£xr|au; als nestorianisch ab (S. 147).
Auch hier hätten also die Glieder nicht vom Körper getrennt werden
dürfen.

Der Verf. zitiert mehrfach ein Wort des Philoxenus
von Mabbug: „Ohne den Glauben ist die Taufe bloßes
Wasser und ohne den Glauben sind die lebenspendenden
Mysterien nur Brot und Wein" und bezeichnet es als
fast protestantisch. Auch sonst nennt er gelegentlich den
Protestantismus und das Urteil der Syrer über seine Sakramentsdeutung
. Wir möchten aberbitten, viel weitergehen
zu dürfen, und die beiden genannten Anliegen als protestantische
Gravamina anmelden. Wir können uns nicht
in einem gesicherten Besitz von Institution und Kultus
mit Feststellung und Vergleich begnügen; das geprägte
Bekenntnis und der historische Wandel stehen uns heute
— auch gerade bei den orientalischen Kirchen — so
stark im Vordergrunde, daß wir sie zuerst ins Auge
fassen müssen und alles übrige von hier aus betrachten.
Denn die imponierende Sicherheit des Sakramentsvollzuges
ist heute in den meisten Orientkirchen zu einem
tragischen Ende gekommen, was die Untersuchung von
de Vries verschweigt; die Fragen des Glaubens und
Geschehens werden dagegen stets neu gestellt und erheischen
Antwort.

Möchten diese Darlegungen als eine Bitte an die katholische
Orientforschung verstanden werden, uns bald
einmal nach der Fülle der liturgischen Untersuchungen

die Geschichte der orientalischen Kirchen zu schenken, zu
der sie allein mit ihren ausgezeichneten Gelehrten und
der reichen Fülle des Materials befähigt ist!

Lyck R. Abramowski

KIRCHENGESCHICHTE: NEUERE ZEIT
-

S c h e r g, Theodor Jos.: Das Schulwesen unter Karl Theodor
von Dalberg besonders im Fürstentum Aschaffenburg 1803 — 1813
und im Großherzogtum Frankfurt 1810—1813. München-Solln:
Herold-Verlag 1939. 1. Teil: (XXIV, 336 S., 32 Abb.); 2. Teil:
(S. 337—720, 71 Abb., 1 Kte.) gr. 8°. RM 12—.

Bast gen, P. Beda: Bayern und der Heilige Stuhl in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts. Nach den Akten des Wiener Nuntius
Severoli und der Münchener Nuntien Serra-Cassano, Mercy d'Ar-
') genteau und Viale Prelä, sowie den Weisungen des römischen Staatssekretariates
aus dem vatikanischen Geheimarchiv. II Teile. München
: Lentner 1940. (XII, 520 S.; XII, S. 521—1071) gr. 8° =
Beiträge z. altbayer. Kirchengesch., Beitr. z. Geschichte, Topographie
und Statistik d. Erzbistums München u. Freising v. Dr. Martin
v. Deutinger. III. Folge, 17. Bd., Der neuen Folge 4. Bd.

RM 14—.

Beide vorliegende Werke stellen eine erfreuliche Bereicherung
der Literatur zur Geschichte des süddeutschen
Katholizismus im 18. und 19. Jahrhundert dar. Sie bringen
aus den Archiven bisher unbekannte Materialien und
hellen bisher dunkle Gebiete auf, deren Erschließung
eine lange und allgemein anerkannte Notwendigkeit war.

Dalberg hat als Koadjutor und späterer Erzbischof und
Bischof von Mainz, Worms, Regensburg und Konstanz, als
Kurerzkanzler, Fürstprimas und Großherzog von Frankfurt
im wechselnden Ablauf seines Lebens residiert. Scherg
hat sich auf das Schulwesen der von ihm verwalteten
Gebiete beschränkt und breitet eine aus den Quellen erarbeitete
erstaunliche Stofffülle vor dem Leser aus, so
daß man dem Buch zuweilen eine straffere Zusammenfassung
wünschte, denn manches von dem Behandelten
gehört nur sehr mittelbar zum Thema und hätte ohne
Schaden als Einzeluntersuchung in einer Zeitschrift erscheinen
können. In der vorliegenden Form hat das
Buch seinen Hauptwert nicht als Darstellung, sondern
als Materialsammlung und Nachschlagewerk. Darin ist
es allerdings auch erschöpfend (bis hin zu den zentimetergenauen
Größenangaben der Bänke und Tafeln für
die einzelnen Schulklassen S. 183 f. und ähnlichen Dingen
). — Wenn die wesentliche Bedeutung des Scherg-
schen Werkes auch auf dem Gebiet der Erziehungsgeschichte
liegt, so bringt es doch auch Wichtiges und
Neues zur Biographie Dalbergs und zur Geschichte seiner
Zeit ebenso wie es für die Territorialgeschichte der
behandelten Städte und Länder von bleibender Bedeutung
sein wird, zumal ausführliche Register (S. 654 bis
701) seine Benutzung erleichtern.

Hinter manche Ausführungen Schergs ist begreiflicherweise ein
Fragezeichen zu setzen, so des öfteren hinter seine Elogen auf Dalberg
u.a.m. (vgl. auch E. Reinhard, Theol. Revue 1939, 401 f. zu Einzelheiten
). So einfach, wie Scherg es sich oft macht, ist Dalberg
nicht zu beurteilen, ebenso wie bei genauer Untersuchung mancher
j Schatten auf die bei Scherg (und anderen) so glänzende Charakterisie-
I rung Dalbergs fallen dürfte. — Vor allem aber hat Scherg es leider
unterlassen, dem Schulwesen in der Konstanzer Diözese näher nachzugehen
. Daß Dalberg ab 1802 ihre Verwaltung völlig Wessenberg
überlassen habe, ist in dieser Form auch nicht ganz richtig, wie
Scherg überhaupt der Bedeutung Wessenbergs auch für das von ihm
behandelte Thema in keiner Weise gerecht wird. Wenn er sich schon
durch Heyds Geschichte der Entwicklung des Volksschulwesens im
Großherzogtum Baden entlastet fühlte (S. 53 Anm. 2) — was wirklich
nur teilweise berechtigt ist, denn abgesehen von der schlichten
Feststellung, daß es in der Konstanzer Diözese auch andere Schulen
als Volksschulen gab, umfaßte sie außer badischem auch bayrisches,
I württembergisches und Schweizer Gebiet —, so mußte doch zumindest
das Pricsterseminar zu Meersburg, das es bei Scherg nicht einmal
zu einer Erwähnung bringt, ausführlicher behandelt werden (vgl. S.
479 ff. zum Aschaffenburger Seminar). Dazu kommt, daß Hoffmann
bei Heyd nur Meersburg und Markdorf etwas eingehender l>ehandelt.

Bastgen untersucht auf Grund der Nuntiaturakten des
Vatikanischen Archivs (Abtt. Segretario di Stato Nunt.