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Ausgabe:

1941

Spalte:

189-191

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hrozný, Bedřich

Titel/Untertitel:

Die älteste Geschichte Vorderasiens 1941

Rezensent:

Möhlenbrink, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1941 Nr. 7/8

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Judithgeschichte ein Bild der jüdischen Gemeinde zeichnet
, wie es zur Zeit kurz nach dem Exil, und an diese
Zeit denkt Brunn er ja, schlechterdings nicht möglieh
war. Der Verf.. hätte S t e i n m e t z e r's völlig richtigen
Hinweis auf die Bedeutungslosigkeit der Namenidentifikationen
getrost beherzigen sollen, statt ihn auf
S. 8 als „geradezu verheerend für alle Geschichtswissenschaft
" zu brandmarken: er ist beim Judithbuche ganz
am Platze.

Wie schon bemerkt wird ein Verständnis der Judithsage
nicht dadurch erzielt, daß man die handelnden Personen
den Namen und äußeren Umständen nach mehr
oder weniger passend identifiziert, wozu sich bei dem
Abwechslungs- und Situationsreictitum altvorderasiati -
scher Geschichte kombinationsfreudigen Forschern viele
Möglichkeiten bieten, sondern nur dadurch, daß man die
Hauptmotive des Stoffes deutet. Althergebracht, aber
schon stark überfremdet, ist das Judithmotiv selbst;
in der Reihe der „rettenden nationalen Heldenweiber"
des Alten Testaments (Jac. Burckhardt), in der
Reihe der Mirjam, Debora, Jael, Esther, steht die Judith
gewiß der Esther am nächsten und nicht der Jael.
Auf Schritt und Tritt begegnen im Judithbuch Motive
später altjüdischer Literatur, typisch dafür ist die
Achiorepisode, ist die Art, wie Simeons und Levis Frevel
an Sichern, der in der Genesis noch getadelt wird, liier
Anerkennung findet. Daß der Verfasser daneben Motive
der deuteronomistischen Geschichtsschreibung verwertet
, sie aber 9chon verzerrt und weit übertreibt, abhängig
auch vom Geschichtsbild des Chronisten ist, liegt
doch für den, der auf solche Dinge zu achten gelernt
hat, klar am Tage. Mögen auch ältere, vielleicht sogar
babylonische Stoffe mitverwertet sein (vgl. ZDMG 81
[1927] LH [ J. Lewy]), so muß es doch dabei bleiben,
daß die heutige Judithsage nicht Geschichte ist, sondern
„eine freie Komposition des Verfassers", „eine historische
Fiktion zu paränetischem Zweck": diese Formulierungen
Schürer's sagen noch immer das Richtige
(Prot. Realencykl. 1 1 [1896] 646); was an älterem
Material dem Verf. vorgelegen haben mag, ist untergegangen
im freien Spiel seiner schöpferischen Phantasie.
Göttinnen Kurt Mühlenhrink

H r o z n y: Prof. Dr. Bedfich : Die älteste Geschichte Vorderasiens.

Prag: Mclantrich AG. 1940. (170 S., 3 Ktn., 1 Tafel, viele Text-
abb.) 4°. K. 85—.

Der vor allem durch die Ausgrabungen der altbabylonischen
Stadt Uruk (Warka) bekannte Archäologe J.
Jordan hat kürzlich in einem programmatischen Vortrag
vor den Mitgliedern der Deutschen Morgenländischen
Gesellschaft mit Recht darauf hingewiesen, daß
es nötig ist, die Resultate der modernen Erforschung des
Alten Orients weiteren Kreisen zugänglich zu machen
(Vgl. ZDMG 94 [1940] * 13f.). Rein materialmäßig hat
in den letzten Jahren unsere Kenntnis der Geschichte
des Ältesten Vorderen Orients eine derartige Ausweitung
erfahren, daß wissenschaftlich zureichende zusammenfassende
Darstellungen des neu gewonnenen Gutes, die
auch weiteren Kreisen den Zugang zu diesen Dingen
öffnen können, ein dringender Wunsch sind. Als solche
Darstellung kann das hier anzuzeigende Buch bezeichnet
werden. Der Vf. ist nicht nur einer der besten Kenner
altorientalischer Geschichte, sondern auch seit Jahrzehnten
vor allem durcli seine Forschungen auf dem Gebiet
der Hethitologie als trefflicher Kenner der Sprachen des
Alten Orients ausgewiesen. Sein Buch, das mit reichem
Abbildungsmaterial versehen ist, ist ursprünglich in
tschechischer Sprache als Teil einer „Geschichte der
Menschheit" (Dejiny lidstva) erschienen und stellt eine
vom Vf. selbst besorgte Übersetzung ins Deutsche dar;
hier und da merkt man freilich, daß Hrozny das
Deutsche nicht als Muttersprache schreibt, aber im ganzen
ist das Buch gut lesbar. Es ist nun hier nicht möglich
, alle Einzelheiten, die in dem interessanten und auch

an neuen Thesen reichen Buch bemerkenswert sind,
anzuführen. Für die Leser dieser Zeitschrift wird vor
allem von Interesse sein, daß der Vf. mit guten Gründen
I seine Gesamtdarstellung der altorientalischen Kulturen
i mit einer Besprechung der Vor- und Frühzeit Palästinas
beginnt (S. 22—32: „Die erwachende Menschheit
: die Steinzeit und die äneolithische Zeit in Palästina
"); denn man kann heute die älteste Entwicklung
gerade in Palästina am besten verfolgen. Viele Ein/el-
I Reiten sind und bleiben dabei gewiß fraglich, mehr als
der Vf. vielleicht meint. Aber die Berührungen der palä-
I stinischen Keramik des 4. Jahrtausends mit der des
j Westens, — etwa der neolithischen Gefäße Jerichos mit
; den gleichzeitigen Thessaliens —, scheinen deutlich. Die
bekannten Graburnen in Hausform aus Chudera finden
in Europa ihr Gegenstück. Es ist schade, daß der Vf.
sich bei der Besprechung dieser Dinge nicht mit
Schuchhardt's „Alteuropa" auseinandersetzt. Die
Ghassulkultur, die der Vf. als Schöpferin der im wesentlichen
ostjordanischen Megalithkultur ansieht, was
eine mögliche These ist, weist seiner Meinung nach
auf Zusammenhänge mit dem Kaukasusgebiet und
Transkaukasusgebiet. Der Vf. bespricht darauf die prähistorischen
Kulturen im Euphrat-Tigris-Gebiet (Chalaf-
und Obeid-Zeit, Uruk- und Dschemde1;-Nasr-Periode)j
Dabei gibt er u. a. eine Entstehungsgeschichte der Keilschrift
, -so wie man sie heute sieht, und weist auf das
Vorkommen zweier anthropologisch verschiedener Typen
bei den Sumerern hin (langköpfiger Typus neben kurz-
köpfigem Typus). Diese letztere Beobachtung müßte aber
aus den Gräberfunden durch Schädelmessungen noch
mehr gesichert werden, die Abbildungen auf den Denkmälern
der Alten leisten hier niemals das, was sie nach
Meinung Hrozny's leisten sollen (man erinnere
sich nur der alten Sumerer-Semiten-These Ed. Meyer's).
Die These, daß „Zentralasien die Wiege der Menschheit
" sei, wird man dem Vf. nicht mehr überall abnehmen
(S. 49). Das sumerische Volk soll „irgendwo in
der Kirghisensteppe in dem Grenzgebiet der ältesten
langköpfigen Indoeuropäer und der kurzköpfigen Tura-
nier entstanden" sein (S. 59); Transkaukasien soll auch
die Urheimat der Hamiten und Semiten sein; die „Hethiter
" sollen über den Kaukasus, nicht über den Balkan
nach ihren späteren kleinasiatischen Wohnsitzen eingewandert
sein, die Kreter dagegen aus Kleinasien stammen
. So anregend diese Aufstellungen sein mögen, auf
sehr festen Füßen stehen sie gewiß nicht; und wenn die
Namen der nubischen Kuschiten, der babylonischen Kas-
siten, der ältesten hethitischen Hauptstadt Kuschschar,
ja sogar das Gebirge Hindu-Kusch (=- „das Land Kusch
der Hindu") allesamt vom Namen des Kaspier am südwestlichen
Ufer des Kaspischen Meeres herzuleiten sein
sollen, so vermag ich, bei aller Zurückhaltung dem verdienten
Forscher gegenüber, das ebenso wenig zu glauben
, wie die weitere Aufstellung, daß „die spanischen
Stierkämpfe vielleicht nichts anderes als ein letzter Reflex
des Kampfes der sumerischen Helden üilgainesch
und Enkidu mit einem Stier" sind, zumal obendrein dieser
Kampf „offenbar nichts anderes", ist, „als der künstlerische
Ausdruck für die Domestikation des Stieres
durch den Menschen" (S. 51). Den Abschnitt über „Kaukasus
, Hamito-Semiten, die kaspischen Völker und die
Protoinder" (S. 50—57) wird man als zu kombinations-
freudig bezeichnen müssen; der Vf. dehnt seine Betrachtungen
über die kaspischen Völker so weit aus, daß er
die „protoindischen Kuschiten" (S. 54), die tocharischen
Kuschanas, die türkischen Kazak-Kirghisen und zu guter
letzt die russischen Kosaken noch sämtlich vom Namen
Kas der Kaspier herleitet. Hier tut er des Guten reichlich
viel. Trefflich ist dann aber wieder die Geschichte
der ältesten sumerisch-akkadischen Dynastien gezeichnet,
ebenso die Geschichte Babyloiniens von Sargon I. bis
Hammurabi, — hier sind aber die Folgerungen für die
zeitliche Ansetzung des Hammurabi aus den Funden
von Mari noch nicht gezogen (vgl. dazu BASOR 69 [ 1938]