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Ausgabe: | 1940 |
Spalte: | 269 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Territorialkirchengeschichte |
Titel/Untertitel: | Neue Forschungen zur Geschichte Oppenheims und seiner Kirchen 1940 |
Rezensent: | Clemen, Otto |
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Theologische Literaturzeitung 1940 Nr. 9/10
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Andererseits ist doch in diesen Gemeinden so viel zentripetale
Kraft lebendig, daß sie eifrig beteiligt sind bei
der Gründung des Bundes freier reformierter Gemeinden
Deutschlands (1927) und dann des Bundes evange-
lisch-reformierter Kirchen Deutschlands, der 1930 den
Deutschen Evangelischen Kirchenbund a n gegliedert,
nicht eingegliedert wurde. In diesem Verhältnis steht
auch diese reformierte üemeindeorganisation noch heute
zur Deutscheu Evangelischen Kirche-
Wir tun der Dresdener evangelisch-reformierten Gemeinde
kein Unrecht, wenn wir ihre theologische Kapazität
geringer veranschlagen als die der Leipziger Gemeinde
. Aber es soll der Dresdener evangelisch-reformierten
Gemeinde in der deutschen Religionsgeschichte
nicht vergessen werden, daß sie Max Maurenbrecher
1919 den Weg in ein kirchliches Amt und auf eine evangelische
Kanzel wieder öffnete. —
Auf die Hervorhebung vieler konfessionsgeschichtlich
bemerkenswerten Einzelheiten wollen wir hier verzichten
. Das Buch bietet auch im Anhang eine Fülle interessanter
Akten, Tabellen und Beilagen.
Berlin Otto Lerche
Jungkenn, Emst: Neue Forschungen zur Geschichte Oppenheims
und seiner Kirchen ring. [Oppenheim.] Selbstverlag des
Histor. Vereins 1938. (178 S., 11 Tat.) 8°.
Diese schön ausgestattete Festschrift ist durch die Wiederherstellung
der Katharinenkirche in Oppenheim veranlaßt und „dem Andenken
an Staatsarchivdirektor D. Fritz Herrmann gewidmet". Im
Vorwort werden die Verdienste desselben um die Erforschung der Geschichte
Landgraf Philipps von Hessen, der Universität Oießen und
besonders des Erzstifts und der Stadt Mainz gewürdigt und seine Beziehungen
zu Oppenheim aufgedeckt. Nur die kirchengeschichtlich
wichtigen Beiträge seien angeführt: 1. Leonhard Kraft, Die Baugeschichte
der Oppenheimer Katharinenkirche im Mittelalter. Die Arbeit
gründet sich in erster Linie auf urkundliches Quellenmaterial. Mit Genugtuung
liest man S. 14: „Kunstgeschichte ist eben auch Geschichte.
Man täte manchenorts gut, die gefühlsmäßige Formenvergleichung als
historische Quelle etwas in den Hintergrund treten zu lassen, ja, sie
dorthin zu verweisen, wo sie beim Fehlen allen urkundlichen und anderen
Materials allein berechtigt ist, ins Hintertreffen der mehr oder
minder wahrscheinlichen Hypothesen." Der älteste spätromanische
Bau wurde wahrscheinlich 1226, der gotische Neubau ca. 1285 begonnen
. Interessant ist, daß Kraft, ebenso wie E. IJppelt in Bezug
auf den Naumburger Dom, ein Eindringen katharischer Gedanken annimmt
. Besonders die Darstellung der Empfängnis auf dem sog.
Vcrkündungsportal: Gott Vater läßt von seinem Munde durch ein
Röhrcnbündcl eine Taube, der ein Knäblein mit einem Kreuze folgt,
in das Ohr der Maria gleiten — dient ihm zum Beweise. 2. Ludwig
Clicmm, Geschichte des St. Katharinenstifts zu Oppenheim. Auch hier
bilden die Urkunden, wie sie besonders in einem neuerdings im Staatsarchiv
zu Marburg gefundenen Kopialbuch des Stifts enthalten sind,
die Orundlagc. Das Stift wurde 1317 von Erzbischof Peter von
Mainz als weltliches Kollegiatstift errichtet und 1565 endgültig aufgelöst
. Spärlich fließen die Quellen über das geistliche Leben und die
Tiiitgkeit der Stiftsmitglicdcr; Statuten, Visitationsberichte fehlen.
Durch vorsichtige Ausnutzung von Einzelnachrichten ist aber doch ein
verhältnismäßig reichhaltiges farbiges Bild entstanden. 3. Walther
Möller, Die Wappen in den Glasfenstern der Katharinenkirche zu
Oppenheim. Sic machen uns bekannt mit einigen ehemals dort ansässigen
Patrizierfamilien und mit anderen Persönlichkeiten, die in der
Stadtgeschichte hervorgetreten sind, und geben wertvolle Anhaltspunkte
zur Datierung der Glasmalereien. 4. Wilhelm Kreimes, Von
drei Glocken und einem Altar der Katharinenkirche. 1673 kam heraus,
daß die Stadtverwaltung drei Glocken in Frankfurt versetzt und einen
Altar der Katharinenkirchc an die St. Quintinskirche in Mainz verkauft
hatte. Die Olockcn wurden 1675 wieder eingelöst, nach dem
Altar wird noch gesucht.
Zwickau i. Sa. O. Clemen
Hagen, Prof. D. Dr. August: Staat, Bischof und geistliche Erziehung
in der Diözese Rotenburg (1812- 1934). Rottenburg a. N.:
Bader 1939. (XVI, 216 S.) 8°. RM 6—; geb. RM 7—.
Der Verfasser, ein Württemberger von Geburt, nach seiner
Studk-nlaiifhalm ordiniert in Rottenburg 1914, dann Vikar in Eßlingen,
April 1922 Repetent am Wilhelmsstift (höheren theol. Seminar) in
Tübingen, 1928 Pfarrer in Poltringen bei Tübingen und daneben
Privatdozent für Kirchenrecht an der Universität, seit 1936 Ordinarius
des kathol. Kirchenrechts an der Universität Wür/burg, hat in fruchtbarer
literarischer Arbeit („Staat u. kath. Kirche in Württemberg in
den Jahren 1848—62", 2 Bde., 1928 [vgl. TLZ. 1929, 273/751;
„Der Mischehenstreit in Württemberg 1837/55", 1931 [vgl. TLZ. 1932,
279/81]; „Die Rottenburger Bischofswahl vom Jahre 1846": Festschrift
U. Stutz 1938, S. 333 ff.) die ersten Jahrzehnte seiner Heimatdiözese
rechtsgeschichtlich aufgehellt. Nun hat er auch der Entwicklung
der geistlichen Erziehung in dieser Diözese, die ja ihre rechtlichen
und geschichtlichen Besonderheiten hat, sich zugewandt und
im Rahmen dieser Entwicklung zunächst das Verhältnis von Staat und
Bischof zur Theologen-Erziehung untersucht. Auf Grund der Akten
des Bischöflichen Ordinariats in Rottenburg, des Württ. Kultministe-
riums, des Staatsarchivs Stuttgart, des Außen-Ministeriums in Stuttgart
und des Staatsfilialarchivs in Ludwigsburg, mit erschöpfender
Beizichung der einschlägigen Literatur stellt Hagen in drei Kapiteln
die Entwicklung der geistlichen Erziehung und des Verhältnisses von
Staat und Bischof zu ihr bis zu ihrer Neuordnung i. J. 1934 dar.
Die drei Kapitel umfassen die Zeit der ausschließlichen staatlichen
Leitung der geistlichen Bildungsanstalten, die Zeit des Kampfes um
die bischöfliche Mitleitung und die Zeit des Übergangs in die bischöfliche
Leitung und Verwaltung. Die Darstellung ist sachlich, das Urteil
umsichtig, gerecht (vgl. den Abschnitt über die „Rottenburger
Wirren"} und dem Geiste der Tübinger katholischen Schule entsprechend
. Der Druck des Buches ist fast fehlerlos. S. 172, Z. 6 sollte
Katholik in Anführungszeichen stehen; S. 173, Anni. 24 steht ein
' dreimal gebrauchtes Wort lmal richtig und zweimal unvollständig gedruckt
da.
Tettnang (Württbg.) Wilhelm Koch
PHILOSOPHIE
Lehmann, Dr. Gerhard: Kants Nachlaßwerk und die Kritik
der Urteilskraft. Berlin: Junker & Dünnhauot 1939. (103 S.) gr. 8°.
= Neue Dt. Forschgn., Abt. Philos. Bd. 34. RM 4.80.
Über die Philosophie des Kantischen Nachlaßwerkes
(zit. NLW) zu diskutieren mag heute keiner berufener
sein als Gerhard Lehmann, der für die Kantausgabe
der Preußischen Akademie der Wissenschaften die Bän-
i de XXI und XXII (opus posthumum 1 und II) bearbeitet
j hat. Bei der Herstellung des Indexes dieser Ausgabe
erkannte Lehmann eine verhältnismäßige Geschlossenheit
der Gedankenführung. Dies bemerkt man weniger
1 bei analytischer Behandlung (so Adickes) und mehr bei
synoptischer Behandlung des NLW (so Lehmann). Die
Frage naef. den Beziehungen zwischen NLW und der
| Kritik der Urteilskraft (zit. KrU) liegt insofern nahe,
; als die KrU das kritische Geschäft Kants beenden sollte.
Sie steht dem NLW im Gegensatz zu den anderen Kritiken
zeitlich am nähesten. In ihm sind 3 Gruppen zu
unterscheiden: 1) Die Vorarbeiten und der sog. Üktav-
i entwurf von 1796, 2) Die Entwürfe der Jahre 1797 bis
j 1799 und 3) Die späteren Entwürfe von 1799—1803.
Lehmann verfährt so, daß er a) die ürundprobleme bei-
j der Werke, der KrU und des NLW, umgrenzt, daß er
I b) den Hinweisen des NLW auf die KrU im einzelnen
j nachgeht und daß er c) die Gesichtspunkte angibt, von
denen aus eine Interpretation beider Werke möglich ist.
Ad a) Die 3 Grundprobleme der KrU sind 1. das des
Überganges von der Natur zur Freiheit, von der theoretischen
zur praktischen Philosophie, 2. das des Ganzen,
indem die KrU die beiden Teile der Philosophie, den
] theoretischen und den praktischen, zu einem System-
j ganzen verbindet und das 3. das der subjektiven Gül-
I tigkeit: ästhetisches und teleologisches Urteil wollen
als subjektive Urteile objektiv gewertet werden, ohne
doch zu objektiver Erkenntnis führen zu können. Als
, Grundprobleme im NLW erkennt Lehmann b Phasen:
I 1. Die Erkenntnis einer Systemlücke durch Kant, 2. die
daraus erwachsende Übergangswissenschaft, 3. eine nun
in einer Wendung zur Erkenntnistheorie erfolgende
Inversion der Thematik, 4. ein neu entstehender Entwurf
, der die Physik und ihren Gegenstand nach der
objektiven und nach der subjektiven Seite fassen will,
I 5- die aus dem so gewonnenen doppelten Erschei-
nungsbegriff resultierende Aufnahme des Ding-an-sich-
begriffs und des Freiheitsbegriffs und endlich 6. die
sich als Abschluß ergebende Möglichkeit, die Transzen-
dentalphilosophie im Rahmen der Ideenlehre darzustellen
. Ad b) Bei den Hinweisen des NLW auf die