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Ausgabe:

1939

Spalte:

456-457

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Riepenhoff, Joseph Raphael

Titel/Untertitel:

Zur Frage des Ursprungs der Verbindlichkeit des Oblateninstituts 1939

Rezensent:

Buehler, Johannes

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Theolügische Literaturzeitung 1939 Nr. 12

45t;

origenistische Linke alle» erklärt, ist bis jetzt noch nicht überzeugend
nachgewiesen — immerhin sind diese Zusammenhänge möglich. Ich
möchte den Nachdruck auf eine andere exegetische Methode legen und
die Ineinssetzung von yrwöv und Ttoietv durch die biblischen Aussagen
erklären; vgl. Ps. 43, 1 und Prov. 8, 22, wo für denselben
Vorgang iroieiv und yevySy gesetzt wird. Doch auch das ist gewissermaßen
nur das Nachspiel der veränderten Lage der theologischen
Problematik. Es ist nicht richtig, mit B. die Idee der Ewigkeit der
Schöpfung bei Origenes bloß als eine Prädizierung Gottes ZU deuten.
Das ist das Mißverständnis oder Unverständnis, dem die Nachfolger
des Origenes anheimfielen — vielleicht mit Absicht. Die ewige Zeugung
ist bei Origenes ein ewiger Akt Gottes. Die Verkürzung dieses
Aktes in eine Prädikation der Gottheit ist das Kennzeichen der folgenden
Epoche der Theologie. Es ist nicht ganz klar zu übersehen,
wie es zu dieser wichtigen Veränderung der origenistischen Position
gekommen ist. Origenes hat durch die Idee der ewigen Zeugung die
Wahrheit des biblischen Monotheismus gegen den infolge der Logostheologie
drohenden Ditheimus zu sichern versucht. Ich meine, mit
tiefem Recht. Allerdings dürfte in der Folgezeit für die Aufgabe dieser
Theorie nicht so sehr die Kritik der Idee der Ewigkeit der Schöpfung
(allerdings stand Origenes bei diesem Gedanken die Bibel im
Wege!), sondern die Kritik an der Christologie des Origenes und damit
der Soteriologie bestimmend gewesen sein. Man wollte nicht
jenen einzigartigen Gedanken annehmen, daß durch die Einwohnung
einer vernünftigen Seele in Jesus, voll reiner Liebe zum Sein Gottes,
die Einheit des Menschen mit der Substanz der intelligiblen Seele
Jesu vollzogen wurde, weil man aus biblischen Gründen damit
den Erlösungszweck gefährdet sah. Schnitt man aber dieses Stück
aus der Theologie des Origenes heraus, so brach alles andere auseinander
. Ich glaube, dieses Problem steckt hinter der Auseinandersetzung
der Origenisten echter Observanz mit Paul von Samosata.
Ich weiß, daß ich damit an ein intrikates Problem rühre, das aber
von Loofs gewiß nicht zur endgültigen Lösung gebracht worden ist,
— Harnack hat auch hier von dem richtigen etwas geahnt. War
aber das Herzstück des Origenismus, die Idee der ewigen Zeugung
und die psychologische Christologie, dahin, so mußte man alles neu zusammensetzen
, das erfolgte meinetwegen unter Heranziehung neuer
Kategorien, also der aristotelischen Schullogik.

Dieses Problem kommt bei B. nicht recht heraus. Und damit
versperrt sich B. m. E. auch den Zugang zu einer historischen Würdigung
der Bedeutung des Euseb für die fernere Entwicklung des
Dogmas. B. arbeitet zwar die schweren theologischen Aporien des
Systems Euseb heraus, sieht aber nicht, daß gerade diese von ihm
bewußt in der Schwebe gehaltenen strukturellen Elemente der ursprünglichen
Theologie, der Spekulation und des Bibiizismus, die
Voraussetzung für die Einführung des nicht einmal definierten Geheimnisses
gewesen ist. Das Geheimnis war dann der Kern des orthodoxen
Dogmas und hat ihm seine religiöse Bedeutung verliehen, dem
Dogma aber die ganze Schwere des unerledigten Wahrheitsprobletns
mitgegeben. In diesem Sinne sehe ich in Euseb den einzigen greifbaren
Zeugen für die Theologie in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts
, die die kommende Generation so vor fast nicht zu bewältigende
Aufgaben stellte, als es galt, aus der theologischen Tradition die
Kreierung der Dogmen vorzunehmen. Bei Euseb ist der Be/iehungs-
punkt zwischen Vernunft und Offenbarung durch den in der Geschichte
d. h. aber in der Kirchengcschichtc als theologisch gedeuteter
Geschichte erfahrbaren Logos gegeben. Die religiöse Leidenschaft
der nachfolgenden Generation verschloß sich den Einsichten, die
Euseb als einziger am reinsten gewonnen und zur Darstellung gebracht
hatte. Im einzelnen wäre etwa der ganze Wandel von Origenes
über Euseb zu den orthodoxen Theologen durch eine strenge
Analyse der Anwendung der Bildtheorie zu erreichen.

Wir sind mit diesen Bemerkungen schon weiter gedrungen als die
Darlegung B.s uns geführt hatte. Wenn B. nicht müde wird, dem
Leser einzuprägen, daß Euseb kein Interesse an der theologischen
d. h. religiösen Problematik hatte, so fragt man sich doch, ob dieses
Urteil zurecht besteht. Denn bei den anderen Theologen steht auch
nicht die Wahrheitsfrage, das echte theologische Problem im Vordergrund
, sondern das Problem der Sicherung der Lehre der Kirche.
Euseb versucht dieses Ziel durch seine Apologetik zu erreichen, die
anderen durch kirchliche Dekrete. Wie grade diese Zielsetzung, die
methodische, wissenschaftliche Sicherung der Kirchenlehre bei Euseb
im Vordergrund steht, erkennt man aus dem Abschnitt in B.s Buch
über Welt und Mensch, in dem der Bau der Schöpfung durch die
Mittlerschaft des Logos uns vorgeführt wird. Die Bestimmung des
Menschen sieht bei Euseb so ganz anders aus als bei Origenes, weil
eben die Idee der intelligiblen Seelen völlig aufgegeben ist. Der Gegensatz
von Leib und Seele beherrscht die Erörterung und es stellt
sich dann auch die himmlische, von Uranfang her angelegte Zukunft
des Menschen in dieser Welt zu erreichen als die Bestimmung des
Menschen dar. B. hat sehr gut den merkwürdigen anthropologischen
Dualismus bei Euseb nachgewiesen; Leib und Seele sind Widersacher,
die Seele muß sich aus dem Leib in der ihr von Gott gesetzten Frist
herausringen. Die Theophanie des Logos — das Erlösungswerk —

ist gedeutet als das Bemühen den; Alliebenden, den Menschen zu seiner
Bestimmung zurückzuführen. Selbst die eigentliche Christologie ist
| von diesem Zwecke bestimmt.. Alle Heilstatsachen sind auf diesen
I Zweck der Veranstaltungen Gottes und seiner Fürsorge für den Men-
1 sehen angelegt. Auch die Erlösung ist nicht eigentlich Erlösung, son-
I dem Wiederherstellung der verlorenen Einheit mit Gott. Christologie
! wie Erlösungslehre haben nicht mehr die innere Bewegtheit wie bei
j Origenes, die Leidenschaft des Gnostikers spürt man nirgends bei
i Euseb. Eine wichtige Beobachtung hat B. gemacht, die sich für die
i Würdigung der späteren polemischen Theologie auswirken wird. Euseb
verrät in seinen Aussagen zur Christologie sowohl Begriffe, die ihn
den Antiochcnern wie auch Apollinaris naherücken. Der Logos
! wohnt anstelle der Seele in seinem Instrument, im Leibe, und gleichzeitig
kann Euseb davon reden, daß der Leib durch die Berührung
! mit dem Logos heilig und unsterblich wird. In der Tat, hier liegen
j die Probleme noch friedlich nebeneinander. B. zeigt schließlich noch
die Früchte der Theophanie, also die Lehre von geschichtlichen Folgen
der Theophanie, Sakrament, Kirche, sittliches Leben, und letzte
[ Dinge auf. Das Schlußkapitel ist gewissermaßen die Probe auf das
Exempel: Eusebs Stellung im arianischen Streit.

B. will die Unentschlossenheit Eusebs aus seinem theologischen
Desinteresse erklären. Gewiß mag er durch die alexandrinische Theologie
das Innerste seines religiösen Erlebnisses, den Wahrheitssieg
I des Christentums bedroht sehen. Aber ich halte es für verfehlt,
i Eusebs Schwanken in seiner Haltung Arius gegenüber als Kompromißlern
aus mangelnder theologischer Überzeugung zu bestimmen. Euseb
I wollte als Gelehrter nichts mit dem philosophisch verbrämten Mysti-
| zismus des Arius zu tun haben. Aus gleichem Grunde nahm er gegen
! Marceil Stellung. Im Ganzen ist Euseb allein geblieben. Nur einei
hat ihn verstanden: Konstantin, weil Euseb das ins Bewußtsein der
i Kirche aus seiner einzigartigen religiösen Welterfahrung einprägen
wollte, was bei Konstantin ein entschlossener politischer Wille plante
und durchsetzte.

Wir brechen damit ab. B.s Buch bezeugt einen neuen
Stil dogmenhistorischer Monographien. Wie der Gegenstand
überhaupt zum ersten Male ins Blickfeld der Theologen
tritt, so erreicht B.s elegant geschriebenes Buch

I wohl eine neue Etappe dogmenhistorischer Forschung,
die es wagt, über Harnack hinauszugehen. Es fällt auf,

; wie gelegentlich gleichsam mit einem einzigen treffsicheren
Hieb irgend eine in der Schule fortgeschleppte Ansicht
erledigt wird, z. B. die ganz unmögliche Wiedergabe
von Eusebs Abendmahlsauffassung bei Steitz, die
auch in Harnacks Dogmengeschichte hineingelangt ist.
Es liegt jetzt für den wichtigsten Theologen des 4. Jahrhunderts
vor den dogmatischen Kämpfen eine ausge-

I zeichnete Monographie vor. Man darf hoffen, daß damit
ein verheißungsvoller Anfang für die neue Arbeit

; gemacht worden ist.

Daran ändern nichts die Bedenken, die man doch wohl
vorbringen muß gegen die Art theologischer Kritik gegen
Euseb, mit der sich B. ein wenig selbst im Wege
steht. Gewiß würde bei einer eingehenden Würdigung
der nachfolgenden Theologien dann eben Euseb selbst
als Apologet, als der er uns jetzt so eindrucksvoll, sachkundig
und überzeugend nahegebracht wird, auch.den
Platz unter den Männern der christlichen Theologie erhalten
, der ihm auf Grund seines gesamten Schrifttums
gebührt. Nur er hat zu seiner Zeit der Kirche ihre weltgeschichtlichen
Aufgaben ins Bewußtsein gerufen.
Berlin H.-G. Opitz

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

R i e p e n h o f f, Dr. J. Raphael O. S. B. : Zur Frage des Ursprungs
| der Verbindlichkeit des Oblateninstituts. Münster ( Westf) :
1939. (XV, 413 S.) gr. 8° = Münsterische Beitr. z. Geschichtsforschung
, 3. Folge, 23/24. Heft. RM 7.50.

Der Verfasser geht bei seiner Untersuchung über den
i Ursprung der Verbindlichkeit des Oblateninstituts, d. h.
j über die Frage, seit wann die Übergabe von Kindern im
j unmündigen Alter durch ihre Eltern an ein Kloster für
diese Kinder zeit ihres Lebens rechtsverbindlich war,
von den Anfängen des Mönchslebens aus, behandelt sodann
die Entwicklung des Oblateninstituts bis zur Zeit
| des heiligen Benedikt von Nursia, das der Oblation von