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Ausgabe:

1938

Spalte:

335

Autor/Hrsg.:

Brockelmann, Brigitte

Titel/Untertitel:

Das Corpus Christianum bei Zwingli 1938

Rezensent:

Hashagen, Justus

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335

Theologische Literaturzeitiing- 1938 Nr. 18.

33ß-

da möglich, wo sie von Gott als Gnade geschenkt wird.
Sie ist ein Charisma und so Ausdruck der Providentia
specialis.

In dem, was der Verf. über die religiöse Gewißheit
sagt, wird sein — von Augustin und Pascal her bestimmter
— katholischer Standpunkt deutlich. Hier
scheint mir philosophisch die einzige schwache Stelle
dieses so tiefen und reifen Buches zu liegen. In seiner
Auseinandersetzung mit der dialektischen Theologie (S.
280 ff.) macht sich W. die Sache leicht. Aber es ist
mir beim wiederholten Lesen des Buches allerdings auch
die Frage gekommen, ob der Protestantismus heute dieser
Auffassung des Gewißheitsproblems etwas Entscheidendes
entgegenzustellen hat. Bedeutet es für uns wirklich
existenziell etwas, wenn wir vom Standpunkte unserer
traditionellen Theologie aus argumentieren, daß da,
wo bei W. die Providentia specialis steht, Jesus Christus
stehen müsse? Steht er wirklich in unserem Denken
noch für uns da, oder ist es nur der Begriff? D.
h. ist das allgemeine Gewißheitsproblem auch für uns
noch ein Kampf mit Gott darum, daß er uns lieben soll,
und hassen wir ihn wirklich noch, weil er uns in der
Ungewißheit läßt? Eine solche Haltung allein könnte
abweichend .von der von W. gegebenen Lösung Jesus
Christus eine notwendige Stelle in der Erlangung
menschlicher Gewißheit zuerkennen.

Aber selbst zugegeben, daß wir es ernst meinen,
wenn wir das Gewißheitsproblem christozentrisch lösen
, so werden dadurch die von W. gebotenen Analysen
in ihrem Werte nicht beeinträchtigt. Aus ihnen geht
vielmehr mit Sicherheit hervor, wie das Problem der
Ungesichertheit des menschlichen Daseins in allen seinen
Betätigungsweisen und auf allen Stufen nicht nur die
gleiche Struktur aufweist, sondern auch von der gleichen
Art ist: immer geht es letztlich um Gott und das
Heil des Menschen. Ebenso ist es unter solchen Umständen
kein grundsätzlicher Fehler, daß das Ungewißheitsproblem
auf sittlichem Gebiete (der grundsätzliche
Zweifel an die Notwendigkeit des Gesollten) nicht ausdrücklich
behandelt ist. Es würde durch eine ausdrückliche
Behandlung nur noch von einer anderen Seite her
bestätigt werden, was vom Verf. über die philosophische
Ungewißheit gesagt worden ist.

W.s Buch ist an sich selbst schon ein Wagnis, weil
es der naiven unerschütterten Selbstgewißheit des katholischen
Menschen eine Deutung seines Daseins gegenüberstellt
, bei der selbst das Vertrauen zur Lehrautorität
der Kirche zu einer Tat des Wagnisses ohne rationale
Grundlage gestempelt wird, einer Tat, die sich nur aus
einem gottgewirkten Glauben begründen läßt. Das Buch
ist so zugleich ein Meilenstein auf dem Wege zur Wiederaufnahme
des Gespräches zwischen den Kirchen.

Frinceton, N. J._Otto Piper.

Brockel mann, Brigitte: Das Corpus Christianum bei Zwingli.

Breslau: Priebatsch 1938. (IV, 66 S.) gr. 8° = Breslauer Histor.

Forschgn., Heft 5. RM 3—.

Der Versuch A. Farners (Die Lehre von Kirche und
Staat bei Zwingli, 1930), Karl Holls Behauptung vom
Gegensatze Luthers gegen den mittelalterlichen Begriff
des Corpus Christianum auch auf den so ganz anders gearteten
Zwingli zu übertragen, wird von der sachkundigen
Verfasserin auf Grund einer sorgfältigen Quellenuntersuchung
und überzeugenden allgemeinen Erwägungen
mit Recht abgelehnt. Das gibt dann Gelegenheit zu
einer treffflichen positiven Würdigung der Politik und
Staatslehre, der Anthropologie, des Kirchenbegriffs, der
kirchenpolitischen Lehre und darüber hinaus des eigentümlichen
gut mittelalterlichen geistlich-weltlichen Wesens
des Schweizer Reformators, der hier in seiner überragenden
Größe und Tragik in einem eindrucksvollen
Gemälde vor dem Leser erscheint.

Hamburg. J. Hashagen.

Soeben erschien

H. S. N y b e r g

Professor an der Univ. Uppsala

Die Religionen
des alten Iran

Deutsch von H. H. Schaeder

X, 506 Seiten, gr. 8°. Preis RM 25.—

Mitteilungen der Vorderasiatisch-
Aegyptischen Gesellschaft. 43. Band

Das neueste Werk des bekannten Orientalisten und
Religionshistorikers, das Ende 1937 in schwedischer
Sprache veröffentlicht wurde, erscheint in einer unter
seiner Aufsicht entstandenen deutschen Uebertragung.
Es wiederholt nicht Bekanntes, sondern erschließt
überall, wo es ansetzt, neue Gesichtspunkte und neue
Wege. Sein Anliegen ist die sorgfältigere Unterscheidung
und Einzelbetrachtung der religiösen Bildungen,
die in Altiran nebeneinander aufgetreten sind und
sich in der Folgezeit mannigfach gekreuzt haben.
Vier Hauptformen werden unterschieden: Mithra-
religion, Religion Zarathustras, Magierreligion, Religion
der Achümeniden. Den Kern des Buches bildet
eine eindringende Untersuchung der Hymnen Zarathustras
, aus denen die bisher kaum gewürdigten Züge
ekstatischen Sehertums kräftig herausgearbeitet und
in den Kreis der religionsgeschichtlichen Parallelerscheinungen
gestellt werden. Zarathustra tritt in
schärferes Licht; erstmalig wird der Versuch unternommen
, seinen persönlichen Weg vom Ekstatiker
zum Gemeindestifter und zum Begründer der Kompromisse
, auf denen der spätere Zoroastrismus beruht
, psychologisch und geschichtlich begreiflich zu
machen. Die Geschichte der an ihn anschließenden
religiösen Ueberlieferung wird bis zur Bildung der
sasanidischen Staatskirche und des awestischen Kanons
verfolgt. Wem darum zu tun ist, die Grundlagen der
iranischen Geisteskultur zu verstehen, der wird aus
diesem Buche, das nicht nur für Iranisten geschrieben,
sondern jedem religionsgeschichtlich Interessierten
zugänglich ist, nachhaltig zu lernen und sich damit
auseinanderzusetzen haben.

Vollständige Uebersicht der „Mitteilungen
der Vorderasiatisch-Aegyptischen Gesellschaft
" steht zur Verfügung

»

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 10. September 1938.

Verantwortlich: Prof. D.W.Bauer in Göttingen, Düstere Eichenweg 14.
J. C. Hinrichs Verlag, Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.