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Ausgabe:

1938 Nr. 13

Spalte:

230

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Kurt Dietrich

Titel/Untertitel:

Die Christianisierung der Sachsen 1938

Rezensent:

Fleisch, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 13.

230

den, wie ihre äußere und innere Bedeutung es erfor- |
dert. Es ist deshalb erfreulich, daß jetzt gleich zwei |
Arbeiten sich ihr ausführlich widmen, und vielleicht
noch erfreulicher, daß dabei nicht ein launischer Zufall i
diese Duplizität geschaffen hat, sondern eine bestimmte
Haltung und Absicht beide Untersuchungen innerlich
und äußerlich verbindet. Denn beide stammen aus der
Schule Sickenbergers, sind beide ursprünglich Preisar-
beiten der Münchener Theologischen Fakultät und haben
für die nach fünf Jahren erfolgende Veröffentlichung
die Aufgaben so unter sich verteilt, daß Höller „die
textliche und inhaltliche Auslegung der neutestament-
liehen Berichte" gibt, wie auch der Untertitel seiner Arbeit
sagt, Blinzler dagegen „die textkritischen und synop- ,
tischen Fragen sowie die Frage nach Charakter und i
Glaubwürdigkeit des Berichteten" darstellt. Beide Schriften
sind endlich durch die gleichen Vorzüge gekennzeichnet
: Alte und neue, in- und ausländische Literatur I
ist in reicher Fülle herangezogen, jede Einzelfrage ist
mit möglichster Sorgfalt und Genauigkeit behandelt,
M beiden lebt auch mit erfreulicher Frische der überzeugte
Eifer, im Anschluß an bewährte Lehrer und
Lehre das allein Richtige von neuem herausgestellt zu i
baben.

Höller geht langsam und umsichtig den einzelnen Zü-
gen des Vorganges nach, wie ihn die drei Evangelisten
»nd unabhängig von ihnen auch Petrus in seinem zwei- I
ten Briefe (l,f6f.) berichten. Er fragt genau nach der
Stelle, die das Geschehnis in dem Laufe des Lebens
und der Geschichte Jesu einnimmt, fragt nach Zeit i
u"d Ort, nach dem Sinn der einzelnen Worte, der Art |
der kleinen und großen Begebnisse, z. B. auch nach [
den Möglichkeiten, durch die die beiden himmlischen
Gestalten den drei Jüngern gerade als Mose und Elia j
bekannt wurden; und über alle diese Fragen schüttet
eine reiche Belesenheit eine Fülle divergierender Meinungen
aus alter, mittelalterlicher und neuer Zeit aus,
denen sich am Ende die Ansicht des Verfassers begründet
anreiht: Es geschah eben so, wie es uns in
den Evangelien erzählt wird; im einzelnen und in unwesentlichen
Dingen ist wohl nicht mehr alles genau zu
erkennen oder zu bestimmen, aber im ganzen ist das i
Berichtete zuverlässig und dem Vorgang getreu. Zwanzig
kürzere und längere Kapitel ziehen so in gemessenem
Und überlegtem Gange vorüber, die letzten elf widmen
sich der Betrachtung des Eliagespräches (Mark. 9,9—13 |
par.) und endlich einer besinnlichen Rückschau auf das i
Ganze des durchschrittenen Weges, d. h. der theologischen
Bedeutung des Ereignisses. Noch einmal bietet
sich eine fast verwirrende Zahl verschiedener Ansichten
dar, in Rubriken sorgfältig eingeteilt, je nachdem j
man das Geschehnis sich mehr auf das „Heilswerk
Christi" oder auf die Belehrung der Jünger richten
sieht, und diese lange Reihe mündet in dem knappen j
Und bejahten Satz Leos des Großen: „ut scandalum
crucis tolleretur".

Hier greift die in drei Abschnitten sich entfaltende |
Arbeit Blinzlers gleichsam ergänzend ein. In den beiden
ersten holt er nach, was der Untersuchung Höllers
sozusagen vorausliegt: Er behandelt zunächst die handschriftliche
Überlieferung der drei evangelischen Berichte, i
Man vermißt hier, wo vieles lehrreich zusammengetragen |
■st, vielleicht die auf Varianten von 8 565 und syr sin
gestützte Konjektur Streeters zu Mark. 9,3: xal ffiveio
otiXßoy to jtoöooctov xal tu Lhutiu Xeuxu Uav, aber man
findet sie dann zur eigenen Freude bei Höller (S. 53)
gesprochen und mit Vorsicht anerkannt. An die text-
kntische Behandlung von 2. Petr. 1,16 f. schließt sich !
auch eine kurze Besprechung über das Fehlen der Erzählung
in der johanneischen und ihr weiteres Vorkommen
in der apokryphen Überlieferung. Danach untersucht
der Autor, Wortbestand und Satzgefüge genau
vergleichend, das synoptische Verhältnis der drei evangelischen
und des einen petrinischen Berichtes: Der
erste Evangelist stützt sich in seinem Berichte auf den i

zweiten, den er glättet und bessert, der dritte hat außer
seiner Markusvorlage noch „eine separate Quelle", der
zweite Petrusbrief bietet eine zwar „fragmentarische,
aber selbständige von den Ew. unabhängige Version
der Verklärung". Alle apokryphen Erzählungen sind
aus den kanonischen herausgesponnen. Der letzte und
längste Abschnitt setzt sich scharfsinnig und geschickt
mit den vielen „nichtkatholischen" Ansichten auseinander
, die „die geschichtliche, übernatürliche Wirklichkeit"
der Verklärung ablehnen, und kommt zu dem positiven
und energischen Gesamtergebnis: „Die Glaubwürdigkeit
dessen, was jene Berichte erzählen wollen (nur wollen?),
muß von jedem, der konsequent methodisch denkt, anerkannt
werden."

Die beiden Arbeiten sind ein schönes Beispiel belesener
und besonnener katholischer Schriftforschung.
Man hat angesichts ihrer äußeren und inneren Verbundenheit
nur den Wunsch, daß sie in einem gemeinsamen
Bande hätten veröffentlicht werden mögen.

Qreifswald. Ernst Lohmeyer.

Schmidt, Prof. D. Kurt Dietrich: Die Christianisierung der
Sachsen. Ein Vortrag. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1937.
(31 S). gr. 8°. Kart. RM 1—.

Ein allgemeinverständlicher Vortrag, der die Ergebnisse
gründlicher Forschung auch weiteren Kreisen zugänglich
macht. Er geht aus von Lebensäußerungen
frühsächsischer Christlichkeit im Heliand und bei Gottschalk
und schildert neben den Ausstrahlungen von
arianisch gewordenen Stämmen her die angelsächsische
Mission, um dann die fränkische Mission zu untersuchen.
Der Sachsenkrieg ist zunächst rein politisch bedingt,
wird aber zum Religionskrieg schon, weil Fränkischsein
und Christsein identisch ist. Der verlorene Religionskrieg
macht Widukinds Haltung verständlich. Treue
missionarische Arbeit hat die wirkliche Christianisierung
des Stammes bewirkt. Man wird den aufgezeigten Linien
nur zustimmen können. Die Deutung von Mud-
spelli als Mundtöter scheint mir doch nicht so sicher
zu sein. Zwar ist es bisher nicht „immer" mit „Weltbrand
" übersetzt. Schon Schmeller schreibt zu dem
Wort: „Nisi pro persona mythica, forte consumptore,
destruetore lnateriae aeeipere malueris". Der Zusammenhang
deutet aber doch wohl wenigstens an der
einen Stelle mehr auf ein Ereignis als auf eine Person.
Hannover. _ Fleisch.

Weidel, Karl: Germanentum und Christentum, ihre Spannung
und ihr Ausgleich in der deutschen Qeistesgeschichte. Weimar: Herrn.
Böhlau Nachf. 1937. (51 S.) gr. 8°. RM 1.30.

Ausgehend von der These Schleiermachers, daß „die
Natur durch ein unveränderliches Gesetz sich selbst genötigt
hat, ihr großes Werk bis ins Unendliche hin zu
entzweien" sieht Weidel die Tragik des deutschen Volkes
in der Spannung zwischen persönlicher Selbständigkeit
und der Sehnsucht nach Zusammenschluß, zwischen
geistigem und politischem Willen. Zu diesen geistigen
Spannungen gehört auch die zwischen Germanentum
und Christentum. Sie ist nicht neu, sondern besteht
schon 1V2 Jahrtausende.

Im Germanentum führt der Schicksalsglaube zum
Pessimismus; im Christentum der Glaube an eine persönliche
Vorsehung zum Optimismus. Das Germanentum
ist diesseitig gerichtet; das Christentum jenseitig.
Das Germanentum lehrt im Kreislauf des Werdens und
Vergehens die Vergänglichkeit; das Christentum weiß
von einem in die Ewigkeit fortschreitenden Geschehen.

Als das Christentum zu den Germanen kam, hatte es
eine jahrhundertelange Entwicklung hinter sich. Es war
eine fertige Religion. Wo es, wie im Westen, auf die
römische Kultur stieß, setzte es sich schnell durch.
Aber im Osten blieb die Spannung. Wie stark jedoch
die Sehnsucht nach Vereinigung war, zeigte sich im
„Heliand".

Und nun zeigt Weidel in einem Gang durch die
Jahrhunderte, wie der Dämonenglaube lebendig bleibt