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Ausgabe:

1934

Spalte:

169-170

Autor/Hrsg.:

Otto, Rudolf

Titel/Untertitel:

Gottheit und Gottheiten der Arier 1934

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung

BEGRÜNDET VON EMIL SCHÜRER UND ADOLF VON HARNACK

unter Mitwirkung von Prof. D. HERMANN DÖRRIES und Prof. D. Dr. GEORG WOBBERMIN, beide in Göttingen

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR D. WALTER BAUER, GÖTTINGEN

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften. Bearbeitetv. Bibliothekerat Lic.Dr.phil. REICH, Bonn, u.Lic.H. SEESEMANN, Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. — Bezugspreis: halbjährlich RM 22.50

, . hrle Mitteilungen Bind ausschliefilich an Professor D. BAUER in Gottingen, Düstere Eichenweg 14, zu senden.
Manuskripte und gelen' h|ieSlicb „„ den Verlag. Gewähr für Besprechung oder Rücksendung von unverlangt gesandten Reaensions-
Resensiooseaemplare a e„mp|.ren, besonders noch bei Zusendung nach Güttingen, wird nicht Übernommen.

VERLAG DER J. C. HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG C 1

59. JAHRGANG, NR. 10 12. MAI 1934

Spalte

Brunn er: Das Gebot und die Ordnungen

(Wobbermin)................184

Eichrodt: Theologie des Alten Testaments

(Meinhold).................175

Ooldschmidt: Der babylonische Talmud

(Duensing).................179

Die deutsche evangel. Heidenmission (Witte) 189

Knolle: Luther (Nöldeke).........181

Kraufi: Sanhedrin. Makköt (Fiebig) .... 178

Spalte

Legge: Flug- und Streitschriften der Reformationszeit
in Westfalen (1523 — 1583)
(Wolf)...................182

Lietzmann: Die Liturgie des Theodor
von Mopsuestia (Hennecke)........181

Müller: Macht und Glaube (Köberle). . .

— Das politische Mißverständnis und das
religiöse Ärgernis des Kreuzes (Ders.) . .

— Was muß die Welt von Deutschland
wissen ? (Ders.)...............

185

Spalte

Otto: Gottheit und Gottheiten der Arier

(Mensching)................169

Pascher: H BA2IAIKH 0A02

(Preisker)..................177

Reallexikon der Assyriologie (Gustavs) ... 171

Saxl: Mithras (Dibelius)..........171

Schmidt u. Polotsky: Ein Mani-Fund

in Ägypten (Heussi)............179

Wolf: Geschichte der katholischen Staatsidee
(Lerche)................191

, lf nnttheit und Gottheiten der Arier. Gießen: Wurzel für Jupiter, Ziu, Zeus z. B. nach L. v. Schröders Meinung auf

Otto, Rudolt. uu»t ......_ „ „ -v..i oo i einen gemeinsamen altarischen Himmelsgott hinzuweisen scheint, denn

dyaü heiße zumeist Himmel. O. weist demgegenüber überzeugend nach,
daß dyaü auch etymologisch einen „in seinem Gluten gesteigerten deva"
(S. 31) bedeutet. Dyaü ist also in älterer Zeit nachweisbar gleichsinnig
mit deva, mit dem es dieselbe Wurzel „div" = strahlen, leuchten teilt, für
Gottheiten überhaupt verwendet worden. Diese Wurzel „div" weist
primär nicht auf den Himmel sondern auf das Symbol des Leuchtens
als typischen Ausdruck bestimmter religiöser Erlebnisse hin. Erst später
wird der Himmel als Leuchtendes xax' e^oxi'iv mit diesem Terminus ausschließlich
belegt.

In ähnlicher Weise werden die großen vedischen
Gottheiten, also außer Rudra auch Vishnu, Varuna,
Indra (S. 83ff.; 92ff.; 105ff.), von den motivierenden
religiösen Erlebnissen aus als typische d. h. als durch-

A. föpelmann 1932. (IV, 152 S. m. 2 Taf.) 8°. = Aus der Welt
der Religion. Forschgn. u. Berichte, unt. Mitwirkg. v. H. Frick u.
R. Otto hrsg. v. E. Fascher u. G. Mensching. Religionswiss. Reihe.
H. 20. RM 4.50; geb. 5.80.

Diese Arbeit R. Otto's stellt einerseits eine Art
Verifizierung der bekannten Kategorien aus des Verfassers
Buch über „Das Heilige" innerhalb der Religionswelt
der indischen Veden dar. Andererseits — und
darin liegt m. E. die entscheidende Bedeutung dieser
Untersuchung — wird in ihr eine neue und, wie sich
erweist, äußerst fruchtbare Methode der Interpretation
vedischer Mythen und damit jeder Mythologie überhaupt
vorgeführt.

Die Einleitung (S. 1—15) gibt den leitenden Ge- i

Sichtspunkt der Arbeit an, der gewissermaßen als heuri- 1 avf notwendige Ausdrucks-Bildungen erwiesen

stisches Prinzip Anwendung findet: nicht Naturbe- ^enn "e&el « seiner „Philosophie der Religion" von

seelung, sondern „Numinisierung" läßt die konkrete üen. 1Ind'scnen Gottergestalten sagt: „sie sind barock

Fülle der Göttergestalten entspringen. (S. 14f.). u"d.nat>en o« eine wilde widerliche Gestalt", so

Daraus ergibt sich der Weg der Untersuchung: die Ist d»ese Art>e't Ottos ein bedeutsamer Schritt über die-

bekannten empirischen Fakta der vedischen Religionswelt Sen ftandPUnkt hinaus zum Verstehen auch dieser

werden auf ihre im numinosen Gefühl bestimmter Art Uns *remda.rt,g anmutenden Gebilde,

gelegene Wurzel hin betrachtet. So ergibt sich z. B. . Ul,ese. Arbeit weist — abgesehen davon, ob alle

in völlig einleuchtender Weise d. h. so, daß die innere ety™>Ioglschen und sonstigen Interpretationen sich hal-

Notwendigkeit der sonst nur zufällig und sin- i ten 77sse" ~ 10 exemplarischer Weise einen neuen Weo-

gulär wirkenden Phänomene eingesehen wird, die Ge- I m V€,rs^n€n mythologischer Bildungen überhaupt Un*

r, ...„.„. I sere religionsgeschichtliche Mythendeutung blieb viel zu
sehr bei bloßer Beschreibung und rationaler Deutung
der konkreten Mythenbilder stehen. Das Ergeb

stalt des vedischen Großgottes Rudra. O. weist nach,
daß der eine Gott Rudra zurückgeht auf ein ursprüngliches
appellativum rudra (S. 20), das furchtbar
, erschreckend, grausig heißt. Rudra als Einzelgottheit
ist somit eine Objektivierung einer elementaren
Erstgegebenheit des religiösen Gefühls. Während ursprünglich
und nachweisbar rudra Gattungsbezeichnung
von unheimlichen Wesen ist, wird daraus später der
Großgott Rudra. Es ergibt sich also, daß Rudra keine
singuläre und seltsame Einzelbildung einer uns unverständlichen
Phantasie ist, sondern ein Typus, d. h.
eine typische Ausdrucksform des Erlebnisses unheimlicher
Gegenwart des Numinosen. (S. 21). Das
wird im einzelnen erwiesen an einer Fülle höchst interessanten
Materials, unter dem sich völlig neue etymologische
Ableitungen und religionsgeschichtliche Interpretationen
bekannter Sanskrittermini wie asau, tad, nara,
purusha, savitar finden.

Höchst bedeutsam und eine altgewohnte Deutung außer Kurs setzend
ist O.'s Interpretation des bekannten Wortes dyaü, das als gemeinsame

169

nis waren „Einzelheiten" ohne verbindenden Sinn. Es
wurde der primitive „Gedanke" geklärt, der einem
Mythos oder Kultgebrauch zu Grunde liege. O. zeigt
mit dieser Arbeit, daß es möglich ist, absolut gültige
religiöse Erfahrungen noch hinter den konkreten
und oft primitiven Mythen und Gedanken zu entdecken.
Damit wird zugleich das alte rationalistische Dogma
von der Entstehung der Göttergestalten aus bloßer „Naturbeseelung
" entkräftet. Nicht die Natur ist das primär
Gegebene, sondern bestimmte religiöse Gefühle, die sekundär
ihren Ausdruck etwa auch in ausdrucksfähigen
weil eindruckskräftigen Naturerscheinungen suchen.

Unmotiviert scheint mir der generelle Begriff „Arier" im Titel, da
es sich nur um die Religionswelt der indischen Veden handelt und' nur
gelegentlich Hinweise auf Parallelphänomcne bei anderen Ariern gegeben
werden.

Riga. Gustav Mensching.

170