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Ausgabe:

1934 Nr. 17

Spalte:

313-315

Autor/Hrsg.:

Brown, George K.

Titel/Untertitel:

Italy and the reformation to 1550 1934

Rezensent:

Hasenclever, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 17

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Wort der Kritik — aber auch jeder Dithyrambus. L. wird
einfach lebendig. Freilich von einem lebendig gemacht,
der von L. nicht los kann und die ganze Glut seiner inneren
Leidenschaft in dieses Lutherbuch hineinsteckt.
Am Schluß des Vorwortes sagt Th. mit 'Recht: „ich
glaube, daß das zwanzigste Jahrhundert eine neue Anschauung
von Martin Luther braucht. Ich versuche,
diesen Luther zu gestalten." In der Tat: Vielen die
dieses Lutherbuch lesen, wird L. ganz neu sein. Denn
so wie Th. es tut, hat noch kein Erzähler L. zu ge?-
stalten versucht.

Er beginnt nicht mit Erzählung und Darstellung der
Jugend und Kindheit L. und seiner Entwicklung zum
Mönchstum. Er übernimmt aus dem Drama eine bekannte
und immer wieder fesselnde Form der Darstellung
eines Menschen. Er zeigt L. an seinen Gegnern.
Die werden in scharfen Konturen lebendig gemacht. Ihr
Gegenspieler ist L. Der erste Teil des Buches: Vorspiel:
der Ketzer behandelt plastisch und groß in einzelnen
Kapiteln: der Erzbischof, der Ablaßkommissar, der Papst,
der Kardinal, der Kammerherr, der Professor, die Geistlichkeit
, die Nation, der Diplomat, der Kaiser — der
Kenner weiß immer, wer gemeint und dargestellt ist —
an ihnen erkennt und wächst und gestaltet sich Luther.
Dann kommt ein zweiter Teil der Mönch. Und der
dritte Teil bringt: der Kämpfer. Den furor teutonicus,
der in Luther und aus Luther losbricht. Daher die Kapitel
auch Überschriften tragen wie die: Angriff, Lärm,
Verachtung, Zorn, Reife, Glauben, Trotz, Teufel usw.

Th. hat einen glänzenden Erzählerstil. Man kommt
vom Lesen nicht so leicht los. Und jedes Kapitel ist
wie ein Gemälde für sich. Fein abgerundet und dramatisch
aufgebaut. Man muß Th. danken, daß er das
Lutherjahr nutzte, um dem gebildeten deutschen Haus
und der gebildeten Jugend dieses Buch zu schenken.
Ich habe es in Vorträgen, die ich in diesem Winter hielt,
vor Theologen und Nichttheologen immer wieder empfohlen
. Denn hier ist die jahrzehntelange Arbeit der
Lutherforschung volksnahe und für die Gemeinde lebendig
gemacht.

Wer Th. ist, habe ich nur mit größter Mühe in
Erfahrung bringen können. Weder Theologen noch
Historiker konnten mir Auskunft geben. Der Umschlag
des Buches berichtet, daß er ein Buch aus
dem Leben großer Ärzte „Männer gegen Tod und
Teufel" und eine Antwort auf Spenglers Untergang des
Abendlandes unter dem Titel: „Die Generation ohne
Männer" schrieb. Nun kommt lebensbejahend und vorwärtsdrängend
dieses Lutherbuch. Ich habe nun festgestellt
, daß Th. Augenarzt in Berlin ist. Das macht
dieses Buch doppelt wertvoll. Aus der Gemeinde heraus
kommt dieses Werk. Was hilft das grade jetzt an die
Kraft der evangelischen Gemeinde glauben! Dafür kann
man nur danken und immer wieder danken. Und
wünschen, daß der zweite Band, den Th. ankündigt
, so reich und so reif, wie der vorliegende
ist. Dem Buch in sehr schönem Druck sind 16 ganzseitige
Bilder nach Gemälden von Cranach und Dürer
beigegeben. Die Köpfe Luthers, Melanchthons und all
seiner Gegenspieler. Aus deutscher männlicher Haltung
heraus den Luther als den Kämpfer um Gewißheit und
Gnade für den Menschen von heute, dargestellt und
in den Mittelpunkt nicht den Thesenanschlag sondern
den Kampf um Gottes Gerechtigkeit gestellt zu haben
das ist das große Verdienst dieser Erzählung von Luther!
Bonn. F. Haun.

Brown, O.K., M. A. Ph. D.: Italy and the Reformation to

1550. Oxford: Basil Blackwell 1933. (VII, 324 S.) 8°. 18 sh.

Dieser Arbeit, einer Edinburger D.-These, wird man
am ehesten gerecht, wenn man sich aus dem dem Buch
beigefügten Waschzettel das Ziel des Verf.'s vergegenwärtigt
: „It is not intended to be a polemic [book]:
it is intended to supply the English reader with a strictlv
impartial introduetion to a difficult and highly con-

troversial subject." Sie beruht fast ausschließlich auf
gedrucktem Material, und der Verf. unterläßt nicht,
der tiefen Dankesschuld, welche er vor allem dexit-
schen Forschern gegenüber empfindet, recht warmen
Ausdruck zu geben.

Nach zwei einleitenden Kapiteln (The Lay Tradition
und The „Rebel" Tradition) wird Entstehung und Verlauf
der Reformation in Italien in den einzelnen Herrschaften
und Städten der Halbinsel geschildert. Das
hat vielleicht sein Gutes für denjenigen, welcher sich
über die reformatorische Entwicklung in dem einen oder
anderen Territorium schnell unterrichten will; in Wahrheit
aber ist solch' gesonderte Betrachtungsweise eine
wenig glückliche Lösung des Problems, denn es wird
gar nicht untersucht, inwieweit die reformatorische Beeinflussung
von einem Gebiet auf das andere übergesprungen
ist, z. B. Celio Secondo Curione wird aus Piemont
wegen Häresie vertrieben, bald darauf jedoch in Mailand
als Professor angestellt. Inwieweit die große Politik
hier eingewirkt hat, wird gar nicht erwähnt, wie man
denn überhaupt von den gewaltigen politischen Ereignissen
, von denen in jenen Jahrzehnten die appenii.üsche
Halbinsel erschüttert war, kaum etwas erfährt; und
doch hängt Verfolgung oder zeitweise stillschweigende
Duldung der Ketzerei mit ihnen auf's engste zusammen.

Es war für einen Anfänger ein kühnes Unterfangen,
sich an eine solche Aufgabe zu wagen; denn was Walter
Köhler [H.Z. Bd. 109 (1912) S.419] vor 22 Jahren
über einen derartigen Versuch geurteilt hat, gilt auch
heute noch: eine abschließende Darstellung sei überhaupt
nicht zu geben, selbst dann schwerlich, wenn das
römische Inquisitionsgericht (das selbst L. Pastor verschlossen
geblieben ist) sich öffne. „Die italienische Reformationsbewegung
hat sich zum guten Teil im Verborgenen
abgespielt", und hier liegt die Klippe, an der der
Verf. gescheitert ist. Er deutet die äußeren Ursachen nur
an, aus denen heraus für einzelne Territorien mehr oder
weniger große Möglichkeiten für eine Ausbreitung des
Evangeliums bestanden, jedoch in welchen Kreisen der
Bevölkerung der neue Glaube Wurzel gefaßt hat, wie
groß der Prozentsatz der Häresie war, wie stark und
festgewurzelt besonders die altgläubigen Gegenkräfte
waren, davon erfahren wir nichts. Eine Volksbewegung
ist eben die Reformation in Italien niemals gewesen;
tüchtige Offiziere waren vorhanden, aber die Masse
der Soldaten fehlte. Deshalb hat der Verf. nach dem
heutigen Stand der Wissenschaft auch durchaus recht,
wenn er mit Vorliebe bei den großen Gestalten der Anhänger
der neuen Lehre verweilt, von denen er auf Grund
ihrer Schriften und Briefe, hier auf die ursprünglichen
Quellen zurückgehend, bei allerdings starker Anlehnung
an die betreffenden Artikel in Haucks Realencyclopädie,
recht lebendige Charakterschilderungen entwirft. Gerade
in diesen Abschnitten möchte ich den Hauptwert seines
Buches erblicken, und wie er Männer, welche dem Luthertum
nahe standen, aber niemals den Boden der katholischen
Kirche völlig verlassen haben, wie Juan Valdes,
gleichwohl unter die Reformer rechnet, so hat er auch
von den großen Reformkardinälen oder, wie er sie
nennt, der mediatizing Theologians (Contarini, Sado-
leto, Morone und Pole) ein mit Liebe ausgemaltes Bild
entworfen, aber alles beweist nur, daß in Italien der
neue Glaube vornehmlich bei besonders geistig angeregten
Einzelpersonen auf fruchtbaren Boden gefallen
ist, daß es jedoch, weil es keine großen protestantischen
Gemeinden gab, einer Ketzerverfolgung nur ganz ausnahmsweise
(in Piemont und in Calabrien gegenüber
den Waldensern) bedurft hat, um die Herrschaft der
römischen Kirche unangetastet zu erhalten; eine Gefahr
für den Fortbestand des Katholizismus war der
Protestantismus in Italien niemals.

Bevor nicht für jedes einzelne Fürstentum und für
jede einzelne Stadt ganz genaue Einzeluntersuchungen
über die reformatorische Bewegung, die aber nur Sache
des Lokalhistorikers sein können, durchgeführt sind,