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Ausgabe:

1934 Nr. 1

Spalte:

278-280

Autor/Hrsg.:

Altendorf, Erich

Titel/Untertitel:

Einheit und Heiligkeit der Kirche 1934

Rezensent:

Linton, Olof

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Theologische Literaturzeitung 1934 Nr. 15/16.

278

der Religionsgeschichte stellt die Entfaltung des Eigenwesens
des Christentums nicht so sehr in seiner Verwandtschaft
mit den Religionen des Hellenismus dar
als in seinem Anderssein.

Bei der Beschreibung des nachapostolischen Zeitalters
wird am Hebräerbrief schön die Fortbildung der
paulinischen Theologie gezeigt, werden nun weiterhin
zwei Auffassungen oder Parteien unterschieden, eine
paulinische und eine hellenistische, sodaß Hebr., Eph.,
1. Pt, Past., Barn, auf der einen Seite den 1. und 2.
Clem., Did., Jac. (Rom!) auf der andern Seite gegenüberstehen
. Joh. und Ignatius treten auf die paulinische
Seite. Sind für diese Gruppierung des Vrf.s liturgische
Einsichten maßgebend (von anderem Ausgang her könnte
man Bedenken haben, 2. Clem. so nahe an 1. Clem.
zu rücken, ebenso Did), so erinnert das Ringen der beiden
Gruppen und ihr schließlicher Ausgleich zum Frühkatholizismus
an F. Chr. Baur. Man könnte, da die
Forschung der letzten Generationen das Judenchristentum
als bewegende Kraft ausgeschlossen hat und also
diese ganze Geschichtsdialektik sich ganz auf der Ebene
des Heidenchristentums abspielt, von einem Tübinger
höherer Ordnung sprechen!

Noch etwas anderes gemahnt an die Tübinger Epoche:
der Literarhistoriker tritt bei der Schilderung des Werdens
der Alten Kirche stark hervor. Die Urkunden, aus
denen heraus die historische Erkenntnis allein zu gewinnen
ist, werden vorgelegt, aus Zeit und Umwelt erklärt
, ihre Wirkung aufgewiesen. Das bedeutet gegenüber
den letzten Generationen ein Primitiverwerden. Der
Geschichtsschreiber führt ganz von Frischem an die
Quellen heran, als liege nicht schon eine lange For-
schungsgeschichte hinter uns. Darin mutet das Buch
sehr modern an; das Technische wird nicht verhüllt,
sondern gerade die konstruktiven Teile sind betont,
ohne allzuviel Sorge um Fassade und Ausmalung. Da
aber spürbar wird, daß dieser Verzicht durch die strenge
Sachlichkeit veranlaßt ist, die nur sicher Erkennbares
übermitteln will, so empfindet der Leser das Begrenzen
des Zieles nur als Gewinn. Überdies bedeutet die Begrenzung
keineswegs Dürftigkeit. Das wird schon durch
die Ausdehnung verhindert, die das Literarische erhalten
hat, wozu auch Inschriften und die Dokumente der
niederen Literatur zählen. Und es verrät doch reife
Kunst, wenn die Inhaltsangaben verschiedener neutesta-
mentlicher und Väterbriefe zusammen wirklich die Darstellung
eines Zeitalters abgeben!

Am ehesten findet sich eine Persönlichkeitsscbilde-
rung bei Ignatius. Bei dessen dogmengeschichtlicher
Eingliederung wird mit Recht die unmythische Deutung
des christologischen Mythos hervorgehoben, die Verfassungsfrage
aber nur in großen Zügen skizziert. —
Für das Johannesevangelium wird, worin ich nicht zu
folgen vermag, eine Urform angenommen, die durch den
Autor der Johannesbriefe tiefgehend bearbeitet sei; zwei
verschiedene Schichten theologischer Auffassung sollen
so zugleich in ihrer Unausgleichbarkeit aufgezeigt und
historisch erklärt werden. Sehr fein ist die Abgrenzung
der johanneischen Anschauung von der Gnosis.

Die Gnosis selbst wird als orientalischer Erlösungsglaube
geschildert, der durch (jüdisch-)christlichen Einschlag
zu allgemeiner Bedeutung gelangt ist und in dieser
Gestalt zu einer Hellenisierung des Christentums zu
führen drohte. Man bemerkt gerade hier, wo L. von der
religionsgeschichtlichen Auffassung ausgeht, aber auch
Harnack gerecht zu werden sucht, den eigenen Entwicklungsgang
des Vrf.s. Von vornherein in den Bahnen
Harnacks geht dagegen die Bewertung Marcions; wie
sehr, zeigt sich augenfällig darin, daß er noch vor der
Gnosis dargestellt wurde, mit deren Schilderung der
erste Band schließt. — Möchte er bald seine Fortsetzung
erhalten!

Göttingen. H. Dörries.

Klein, Dorothee: St. Lukas als Maler der Maria. Ikonographie
der Lukas-Madonna. Berlin: O. Schloss-Verl. 1933. (II, 127 S. u.
49 Abb. a. 16 Taf. u. 5 Autotypien.) 8°.

Diese kunstgeschichtliche Arbeit greift zunächst das
legendengeschichtliche Problem: wie wurde aus Lukas
dem Arzt und Evangelisten Lukas der Maler? erneut an,
die Untersuchungen des Referenten in Christusbilder,
1899, aufnehmend und weiterführend; sie bespricht sodann
die verschiedenartige Organisation der Maler-Zünfte
, -Gilden, -Bruderschaften, -Akademien mit und ohne
religiösen Einschlag und ihr Verhältnis zu Lukas als
Schutzpatron. Der Hauptteil der Arbeit ist ikonogra-
phisch eine erstaunliche Fülle von Darstellungen des
Lukas als Maler auf Altarbildern, Deckengemälden, in
Stundenbüchern, in Holzschnitten usf., wird vorgeführt
und vortrefflich geordnet nach den Gesichtspunkten:
Lukas allein bei der Arbeit, Lukas mit der ihm modellsitzenden
Maria, Lukas mit der ihm erscheinenden Maria.
(Maria erscheint als Zaungast am Fenster, in Wolken
vom Himmel her, aus Wolken, doch zugleich auf der
Erde stehend; die Erscheinung bleibt fort, spiegelt sich
aber im Blick des Malers.) Dabei ergibt sich, wie
Referent meint, als einwandfreies Resultat, daß eine Linie
von antiken Schreiberbildnissen über den schreibenden
Evangelisten zu dem Maler Lukas führt. Die Verfasserin
weist eine Darstellung nach, bei der neben dem
malenden Lukas noch Schreib- statt Mal-Utensilien stehen
. In Evangelienbüchern ist das Evangelistenbild gelegentlich
dadurch zum Malerbild abgewandelt, daß Lukas
statt Schreibpapiere eine Zeichnung oder Malerei
in der Hand hält. Die ältesten Darstellungen zeigen als
von Lukas gemaltes Bild der Madonna den Typ der
Hodegetria. Fein beobachtet ist, wie die Künstler zwischen
einer gewissen Vertraulichkeit und betontem Abstandsgefühl
zwischen Maler und Modell schwanken.
Zur Klassifizierung wichtig sind auch die Nebenfiguren:
der farbenreibende Gehilfe, der dem Maler helfende
Engel, zuschauende Schüler usf. 49 Zeichnungen und
5 Autotypien schmücken das durch treffliche Methode
und klare Linienführung ausgezeichnete Buch. Vielleicht
hätte man gern gesehen, wenn auch die sich angeblich
auf Lukas zurückführenden Madonnenbilder kurz zusammengestellt
worden wären. Schade, daß bei der Korrektur
so manche Druckfehler stehen geblieben sind,
ein Schönheitsfehler, der sich wohl hätte vermeiden
lassen.

Halle a. S. E. von Dobschütz.

A11 e n d o r f, Lic. theo!. Erich: Einheit und Heiligkeit der Kirche.

Untersuchungen z. Entwicklung d. altchristl. Kirchenbegriffs im Abendland
v. Tertullian bis zu den antidonatistischen Schriften Augustins.
Berlin : W. de Gruyter & Co 1932. (174 S.) 8°. = Arbeiten z. Kirchengesch
, hrsg. von E.Hirsch u. H. Lietzmann, 20. RM9- ; geb. 10 — .
Das vorliegende Buch will einen Beitrag zur Geschichte
der Kirchenidee zwischen Tertullian und Augustin
liefern. Weshalb der Verf. seiner Untersuchung diese
Grenzen gezogen hat — ursprünglich wollte er nur
die Voraussetzungen des augustinischen Kirchenbegriffs
behandeln (S. 1) —, ist deutlich. Denn Augustin schließt
ihm die altkatholische Entwicklung ab und legt den
Grund für die ganze folgende Zeit. Bei Tertullian wiederum
findet er wesentliche Züge des urchristlichen
Kirchenbegriffs noch bewahrt. Zwischen diesen beiden
Kirchenvätern erfolgt demgemäß die folgenschwerste Entwicklung
in der Kirchenidee des Abendlandes'überhaupt.
Der Verf. hat sich somit ein bedeutsames Thema gesetzt.

Erleichtert wurde seine Aufgabe teils durch die vielen
Vorarbeiten — besonders lehnt er sich oft an H. Koch
an — teils durch die Beschränkung des Hauptinteresses
auf die Begriffe Einheit und Heiligkeit. Letzteres hängt
wohl mit der erwähnten ursprünglichen Absicht des
Verfassers zusammen — im donatistischen Streit spielte
ja die Frage der Heiligkeit der Kirche die Hauptrolle.
Auch sonst kommt es zum Vorschein, daß die Untersuchung
Altendorfs zunächst auf Donatismus und Augu-