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Ausgabe: | 1933 Nr. 4 |
Spalte: | 70-71 |
Autor/Hrsg.: | Klostermann, Erich |
Titel/Untertitel: | Das Lukasevangelium. Erklärt. 2., völlig neubearb. Aufl 1933 |
Rezensent: | Bultmann, Rudolf |
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Theologische Literaturzeitung 1933 Nr. 4.
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Horst, D. Johannes: Proskynein. Zur Anbetung im Urchristentum
nach ihrer religionsgeschichtlichen Eigenart. Gütersloh: C. Bertelsmann
1932 (XV, 327 S.) 8°. = Neutest. Forschungen. Hrsg. v. O.
Schmitz. 3. Reihe: Beiträge z. Sprache u. Gesch. d. urchristl. Frömmigkeit
, 2. H. RM 10—; geb. 12-.
Von der praktischen Frage her, wie der zurzeit
häufig geäußerten Forderung gerecht zu werden sei,
der „Anbetung" im Gottesdienst mehr Raum und Fülle
zu geben, ist dem Vf., der Dozent und1 Leiter der Theologischen
Schule in Posen ist, das Thema seiner Untersuchung
erwachsen. Diese ist ein erfreuliches Zeichen
genauer, wissenschaftlicher Arbeit, die heute auch jenseits
der Reichsgrenzen geleistet wird. Dieses Urteil soll
auch durch die Einwände, die der Rezensent zu machen
sich gezwungen sieht, keineswegs eingeschränkt werden.
Der religionsgeschichtliche Unterbau (S. 1 — 171), der
in einer großen Zahl von Belegstellen feste Stützen hat,
kommt zu folgenden Resultaten: das Wortstoocxweiv hat
im Griechentum, seitdem es literarisch feststellbar ist,
ausschließlich sacrale Bedeutung. Ursprünglich war die
sinnliche Gebärde, die mit der Proskynese verbunden
war, der Kuß, wie er aus der primitiven Volksreligion
stammte und den chthonischen Gottheiten in körperlicher
Berührung dargebracht wurde. Da aber das „An-
küssen" der Erde, dem Sitz der chthonischen Gottheiten,
nur möglich war in einem komplexen Vorgang verschiedener
körperlicher Bewegungen, verbreiterte sich
mit dem Akte der Ausübung ohne weiteres das ursprünglich
sinnliche Moment des Kusses in der Wortbedeutung
zu vielfachen anderen sinnlichen Gebärden (hinknien,
zur Erde bücken, sich zu Boden werfen usw.). Das
Bestreben, auch anderen als den chthonischen Gottheiten
auf diese Weise zu huldigen, wandelte die Art
der Proskynese noch weiter in verschiedener Art. Eine
eindeutige Gebärde für «oooxvvetv läßt sich daher nicht
feststellen. — Die Begegnung mit der orientalischen
Proskynese erstarkte in den Griechen das Bewußtsein,
nur der Gottheit diese Form der Huldigung zollen zu
brauchen. Seine ausschließlieh sacrale Bedeutung verlor
der Begriff jedoch im Zeitalter, als der hellenistische
Herrscherleult und der römische Kaiserkult an Boden gewannen
; hier sank er bald bis zur „Höflichkeitsfloskel
" im Verkehr der Menschen untereinander herab.
— Neben den griechischen Quellen kommen auch die
jüdischen zu ihrem Recht. Hervorzuheben ist der Nachweis
, daß *pooxvveiv in der jüd.-hellenist. Literatur als
Übersetzungswort der LXX für die im A. T. gebrauchten
Ausdrücke anbetender Huldigung (bes. hischtachawah)
in erster Linie sacrale Bedeutung erhielt.
Diesem 1. Teil der Untersuchung, dem man im
großen und ganzen wohl zustimmen kann, folgt nun
der 2. Teil (S. 172—307), der die neutest. Stellen, an
denen a:ponxweiv begegnet, behandelt. Dieser 2. Teil befriedigt
nicht recht. Man hat den Eindruck, als ob die
Mühe, die auf den 1. Teil angewandt ist, sich hier nicht
bezahlt mache. Der Vf. untersucht viele kleine und
kleinste Züge, bietet aber kein Gesamtbild. Er stellt
fest, daß die meisten Schriften des N. T. das Wortjtpooxu-
vetv vermeiden, wohl aus dem Grunde, weil die „Entartung
und Zersetzung" des Wortes im damaligen Zeitalter
schon offenkundig war; er stellt weiter fest, daß
nur das Matth, und das Joh.ev. und die Joh.apc. das
Wort unbefangen gebrauchen — jedoch auch nicht in
Beschränkung auf „den der Proskynese allein würdig
erachteten Gegenstand" und zeigt dann, wie die Verf.
dieser Schriften es dennoch verstanden, dort, wo sie
den Begriff in Beziehung auf die Anbetung Christi und
Gottes anwandten, ihm einen neuen Inhalt zu geben.—
Damit ist aber auch das wesentlichste Resultat des
2. Teiles wiedergegeben. Man vermißt vor allem einen
Überblick, welche Stellung die Anbetung im urchristl.
Leben eingenommen hat, d. h. eine Einordnung des
Themas dieser Untersuchung in den Gesamtzusammenhang
der Frömmigkeit der ersten Christenheit. Es ist
bedauerlich, daß der Vf. diese größeren Linien nicht gezogen
hat. So erhält man nur eine Reihe kleiner Einzelbilder
, die gewiß in manchem Neues bieten, schließlich
aber doch nicht genügen können.
Im Einzelnen ist noch Folgendes zu bemerken: der
I Vf. tritt an die evang. Berichte durchweg unkritisch
| heran, er sieht sie als mehr oder weniger getreue Wie-
I dergaben historischer Fakta an. Das ist sein gutes
Recht, das ihm niemand bestreiten kann. Bedauerlich
ist es nur, daß der Vf. seinerseits dem gegenteiligen
I Standpunkt nicht gerecht zu werden versucht: Werke,
wie Bousset's „Kyrios Christos" und Heitmüller's „Im
Namen Jesu", die sich beide mit dem Thema der vor-
liegenden Untersuchung eng berühren, werden auf nur
wenigen Zeilen besprochen und abgelehnt (S. 188 bezw.
193f.). (NB.! Bauer „Der Wortgottesdienst der ältesten
Christen" 1930 wird überhaupt nicht erwähnt). Da-
I durch erhält der 2. Teil eine gewisse Einseitigkeit. —
Auf die Exegese einzelner Stellen einzugehen, verbietet
i mir hier der Raum. Vieles erscheint mir dabei zweifel-
! haft und anfechtbar. Ich verweise nur auf folgendes:
Vf. meint den unerwarteten Übergang von Joh. 4, 19 zu
4, 20 dadurch erklären zu können, daß die Samariterin,
vom Eindruck vor einem Propheten zu stehen über-
j wältigt, reflexmäßig die Proskynese vor Jesus vollzogen
habe, dann aber — darüber selbst stutzig geworden —
die Frage V. 20 gestellt habe (S. 297 ff.). Mir erscheint
diese Erklärung unwahrscheinlich und die Erklärung, die
I z. B. Bauer bietet, richtiger zu sein. — Ergebnislos
scheint mir ferner die Frage des Vf., ob die von Jesus
Geheilten Dankesproskynesen vorgenommen haben, auch
wenn die evang. Berichte nichts davon wissen (S. 219ff.).
M. E. darf man mit so einer Frage nicht an die evang.
| Berichte herantreten; doch will ich hierüber nicht mit
I dem Vf. streiten. Ich erwähnte schon, daß er in den Berichten
in erster Linie eine Wiedergabe historischer
Fakta sieht — und bei dieser Einstellung drängt sich die
genannte Frage selbstverständlich auf.
Von der Nennung weiterer Beispiele sehe ich ab;
das für die Untersuchung Charakteristische glaube ich
hervorgehoben zu haben. — Erwähnung verdient der
zuverlässige Druck des Buches, bes. der zahlreichen
griechischen Zitate. Es sind mir nur wenige, unwesentliche
Fehler begegnet.
Göttingen._ H. Seesemann.
Klostermann, Erich: Das Lukasevangelium. Erklärt. 2., völlig
neubearb. Aufl. Tübingen: J. C. B. Mohr 1929. (VII, 247 S.) 4°.
= Handbuch z. N. T., Bd. 5. RM 9.50; geb. 11—;
in Subskr. „ 8.60; „ 10.10.
Die Charakteristik, die ich hier 1928, 544 f. von der
2. Aufl. des Klostermannschen Matthäus-Kommentars
gegeben habe, trifft auch für die Neubearbeitung des
Lukas-Kommentars zu, sodaß ich mich hier auf Weniges
beschränken kann. Obwohl die neue Auflage mit 246
Seiten gegen die erste um 6 Seiten kürzer geworden ist,
ist sie nicht nur als ungemein sorgfältige Verbesserung,
sondern auch als Bereicherung der ersten zu rühmen.
Manches Entbehrliche fiel fort, viele Ausführungen sind
besser gegliedert, überall findet sich Bezugnahme auf
wichtige neue Arbeiten wie Ed. Meyers Werk über das
Urchristentum und Loisys Lukas-Kommentar. Die schriftstellerische
Arbeit des „Lukas" ist, abgesehen von einem
neuen Exkurs am Sehluß über die sprachlichen Änderungen
des Luk. an seinen Quellen, durch die selbständige
Verarbeitung der Fragen und Ergebnisse der Formgeschichte
viel deutlicher geworden als in der 1. Aufl.
Das macht sich gleich in der Auffassung der Vorgeschichte
geltend, wo der Verf. feststellt, daß hier täuferische
Tradition mit christlicher verbunden ist. Auch die
Ergebnisse der religionsgeschichtlichen Forschung kommen
hier (wie auch sonst) zur Geltung, vor allem
Ed. Nordens Buch, Die Geburt des Kindes (vgl. jetzt
M. Dibelius, Jungfrauensohn und Krippenkind). Ist das
von Strack-Billerbeck gesammelte Material überall fruchtbar
gemacht, so wäre hier wie bei Matth, auch ein Eingehen
auf den Synoptiker-Kommentar des jüdischen Ge-