Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1932 Nr. 6

Spalte:

133-135

Autor/Hrsg.:

Ring, Oskar

Titel/Untertitel:

Drei Homilien aus der Frühzeit Basilius‘ des Großen 1932

Rezensent:

Dörries, Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

133 Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 6. 134

daß er nicht aus sich selber redet, sondern einen ihm i S. 183, — „die Größe der persönlichen Leistung, die

fremden Standpunkt zu relativer Geltung bringt, ist ge- Basilius mit dieser Homilie vollbracht hat, kann nur

wiß. In Kapitel 11 ist V. 3—10, also die ganze Dar- ein Schema deutlich machen"!

legung zur Kopftuchfrage, einheitlich, in Kapitel 12 mit Doch der Verf. läßt sich nicht genügen, in dem
geringen Ausnahmen Vers 15—27, Kapitel 13 hat bis künstlichen Aufbau der Homilien B.s eigene Form nach-
mit Vers 11 ein und dieselbe Stimmart — in all diesen zuweisen, fast überall glaubt er, Beziehungen auf eine beFällen
läßt sich die Schallanalyse mit der literarischen stimmte Situation ausfindig zu machen, ja den Zusam-
leicht verbinden. menhang der Disposition mit den Gedankengängen von
Freilich darf man nicht bei jedem Tonvvechsel einen Widersachern aufzeigen zu können. Danach steht B. zwi-
anderen Verfasser voraussetzen, wie das die Schallana- sehen zwei Parteien, in deren Kämpfen er als Vermittler
lyse im allgemeinen tut. Wohl aber wäre zu fragen, ob auftritt und denen er seine eigene Auffassung übertragen
diese Methode, vielleicht etwas anders gewendet und vor wüL Die Partei der „Urchristfichen" ist — nach R. — über
allem von eigentlich literarkritischen Behauptungen ent- den „hellenisierenden" Kreis und dessen bildungsstolze
lastet, nicht dazu dienen könnte, traditionelle Stücke in Kritik an der Bergpredigt so erbittert, daß Gewaltsam-
den Paulusbriefen mit größerer Sicherheit als bisher keiten drohen und B. sich in eigener Predigt (Über die
zu bestimmen. Man beachte, wie zusammengesetzt in j Zürnenden) um einen Ausgleich bemühen muß. Vor der
der schallanalytischen Darstellung die Paränesen der : 2. Homilie (artende tibi ipsi) ist gar im Gottesdienst
Paulusbriefe erscheinen, oder wie sich gewisse liturgische selbst auf Grund des verlesenen Schriftworts, das die
Stücke (Römer 11 Ende, Kolosser 1 das christologische Hellenisten als Waffe benutzt haben, ein Tumult ausge-
Bekenntnis) aus dem Text herausheben. Hier scheint brochen; die Predigt nimmt auf beider Argumente Bezug
mir eigentlich das Gebiet zu sein, auf dem eine schallana- : und versöhnt die streitenden Parteien. Auch in der 3.
lyrische Untersuchung etwas ausrichten konnte. Hier ! Predigt (sermo ad adulescentes) bilden, nach R., die
und — auf dem vielumstrittenen Gebiet der Rhythmik! Parteigrundsätze die Voraussetzung für Basilius' Ausfüh-
Aber bei all diesen Untersuchungen hatte die Frage ' rungen; Antithesenreihen der Gegner begleiten überall
nach der Echtheit, d. h. nach der Zugehörigkeit der be- I den Gang ihrer Wiedergabe in Rings Buch. Wie aber
treffenden Abschnitte zu dem Text, in dem sie stehen, j nach dieser Schilderung die drei Homilien ein dramatisch
völlig zurückzutreten. belebtes Geschehen spiegeln, so sind sie zugleich Doku-
Heidclberg. Martin Dibelius. j mente von B.s eigener Entwicklung, über deren Ver-

~- ~~~ ^ , „_,„ 7 ~~~ 771> T i 'aur die Selbstzeugnisse besonders in den Proömien Auf-
Ring Studienrat Oska, Drei Homilien aus der Frflhze.t Bas,- schhjß ß sod|ß wjr hjer . chronologisches Schema

hus des Großen. Grundlegendes zur Basihusfrage. Paderborn: ____t fP ,. ' , — , , .., . = , '

F.Schöningh 1930. (335 S.) gr. 8°. = Forschgn. z. christl. Literatur- > f**.*? die Zeltl,che F°£e dSS "£ngen basiliamschen

u. Dogmengesch. hrsg. v. A. Ehrhard u. J. P. Kirsch, 16. Bd. 1./2. H. j Schrifttums gewinnen sollen (S. 18 ft.).

RM 16— Aber diese ganze Entwicklung B.s vom Vernunft-

Ein Buch, das neue historische Methoden in Aus- | Optimismus zum -Pessimismus ist Konstruktion; Stellen

sieht stellt, da die älteren versagt hätten, weckt durch j über ein -/.am cpuoiv ewaider Tugend finden sich auch in den

solchen Anspruch das Interesse des Lesers, hält es wach | Alterswerken, solche über die Notwendigkeit göttlicher

durch die Behauptung der Wichtigkeit eines Themas: ' Hilfe ebenso in der Frühzeit, darauf läßt sich keine

„es gibt unter allen Vätern der Kirche keinen, der in
geistiges Leben so nachhaltig beeinflußt hätte wie gerade
Basilius" (S. 42), und doch sei kaum einer von der Forschung
so sehr vernachlässigt wie gerade er.

Der angekündigte neue Weg gilt der Einsicht in die

Chronologie gründen. — Verfehlt ist auch die „Methode
", aus einzelnen Predigtwendungen und ihrer Verknüpfung
Aufschlüsse über Grundfragen zu erwarten.
Einem genauen Kenner des ganzen Schrifttums der
Kappadokier und ihrer Umwelt wird auch ein Sonderbesondere
Struktur des Denkens B.s und seiner Stellung i stück etwas sagen; hier aber ist das übliche Mittel histo-
in der Geschichte. „Von der Antike führt kein Weg zu rischer Forschung, der Vergleich, nicht ungestraft ver-
B., da er dem Geist des Griechentums mehr entfremdet nachlässigt. So werden dann schwerwiegende Behaup-
ist als irgend einer seiner Nachfahren" (S. 5); aber auch ! tungen an dünne Fäden gehängt. Der einfache Satz des
von der Patristik her versteht man ihn nicht, da der ; Redners, wir würden uns ohne Worte verstehen, wenn
Typus des rechtgläubigen Philosophen erst durch ihn | wir yuuvtj tfj ^nnrfl lebten, muß „eschatologische üedanken-
selbst geschaffen worden ist. So trifft denn der Tadel ; gänge der' Urchristlichen" beweisen (S. 138)! Daß in
des Verf.s die Versuche, B. von der philosophischen oder j einem Bibelzitat aus .öiäxovoc' .fwf'Xoc' wurde, überführt
dogmengeschichtlichen Tradition aus zu begreifen, und j den Kirchenvater, „sogar der Autorität der Bibel gegen-
nur das dient ihm zur Entschuldigung der bisherigen über selbständig" verfahren zu sein (S. 36 A. 1)); denn
Fehlgriffe, daß der „Bruch der literarischen Kontinuität" i die andere Abweichung von „Nestle", das form statt eoriv
nicht leicht erkennbar sei, da B. „im Laufe seiner Tätig- i geht auf Rechnung seines Bibeltexts. Daß gut sei,
keit die Verbindung wieder angeknüpft hat" (S. 24/5) i wer selbst das Rechte sieht, auch noch löblich, wer ande-
und von dem neuen, durch B. geschaffenen Typus aus rer Lehren befolgt, unnütz aber zu allem, wer beides
auch die kirchliche Vergangenheit umgestaltet wurde, versäumt, diese Hesiodstelle muß es sich gefallen lassen,
Nur eine genaue Analyse seiner Schriften kann, so wird den Stolz, des Predigers auf eine besondere Originalgefolgert
, den ursprünglichen Sin n von B.s Werk fest- leistung zu beweisen (S. 128. 225)! Daß Basilius leistet,
stellen. ~ „was die griechische Wissenschaft niemals fertiggebracht
Der Verf. faßt danach seine Aufgabe wesentlich hatte: die stoische und peripatetische Anschauung zu ver-
als literargeschichtliches Problem auf und sucht sie '> einigen" (S. 203), — indem er nämlich Erbgut beider Schu-
durch sorgfältige Zerfaserung dreier B.-Homilien zu len arglos nebeneinander verwendete, läßt sich mit den-
lösen. Die Analyse eröffnet nun sogleich überraschende selben Argumenten für manchen seiner Zeitgenossen beEinblicke
in B.s Denken. Es zeigt sich — wenn man j weisen, wie es schon für Clemens Alexandrinus gilt, dem
dem Verf. glauben darf — eine erstaunliche „Vor- 1 übrigens auch das Basilius nachgesagte medizinische
hebe für Systematik" (S. 271), die durch wahrhaft Fachstudium (S. 297. 316) mit sehr viel mehr Grund zu-
„barocke Verschränkungen des Gedankengangs" (S. 220), '< getraut werden dürfte. — Schließlich läßt sich das Verzahlreiche
Seitengänge, „Spitzenthesen" und „Folge- ' hältnis des Redners zu Zeit und Vorzeit nicht aus den
rungsgruppen" doch den Weg zum Ausgang zurückzu- Minutien seiner Rede ablesen. Die Bindung ist zu eng
finden weiß, im „ringförmig geschlossenen Schema", an die Gegner, die — trotz ihrer etwas imaginären Exi-
dessen Übersicht uns der Verf. durch reiche Zeichnungen stenz — B. keinen Schritt allein tun lassen, so daß „das
ermöglicht. Daß sich mit dem Wunsche, dem Leser das Verständnis für den Fortgang der Gedanken von der
Verständnis zu erleichtern, auch eine eigene Neigung Kenntnis der hellenistischen Antithesen" abhängig er-
des Verf.s glücklich verbindet, bekundet der Aufriß auf scheint (S. 191). Die Verbundenheit ist nahezu unter-