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Ausgabe:

1932 Nr. 6

Spalte:

123-125

Autor/Hrsg.:

Günther, Hans F. K.

Titel/Untertitel:

Rassenkunde des jüdischen Volkes. 2. Aufl 1932

Rezensent:

Jirku, Anton

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 6.

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gen eine Anerkennung recht zweifelhafter Art, wenn
Äbduh des weiteren (bei Sch. a. a. O.) ausführt, daß
sich auch der Okzident in neuerer Zeit dem Islam fol- |
gend „die Grundlagen der modernen Zivilisation" legte. |
Aber er hat damit Eindruck gemacht: die Scheiche der |
Cairiner Azhar-Universität geben neuestens eine Zeit- j
schritt Nour-el-Islam heraus, die als fast amtliches Or- !
gan des Islam gewertet werden möchte, und seit dem
2. Jahrgang, 1931, fügen sie für Propagandazwecke ein ;
englisches Supplement bei. Dort heißt es II 14 „Europa
und Amerika kommen stufenweise dem Islam näher
und nehmen 'bewußt oder unbewußt Tag um Tag seine [
Lehren an", und als erster Beleg, und zwar ausdrücklich j
für den „Fortschritt der Zivilisation", wird im höchsten j
Ernst gebucht: „Die Zahl der Ehescheidungen wächst
von Jahr zu Jahr".

Bisherige Allgemeindarstellungen der islamischen |
Religion sind durch dies Lesebuch überholt, ohne dessen i
Berücksichtigung keine Übersicht mehr gegeben werden j
darf über den Islam, d. h. über den offiziellen; denn
neben den Dokumenten aus dieser vornehm wissenschaftlichen
Sammlung stehen als kennzeichnende Belege
wie als werbende Kräfte der wirklichen muhammedani-
schen Volksreligion ganz abgesehen von Amuletten, Be- |
schwörungsformeln usw. viele Predigten, Pilgerbücher, j
Ordenslitaneien (wird) und Sammlungen verschiedenartigster
Gebete in volkstümlicher Form, während man i
aus der erwähnten Abhandlung von Ghazali über den j
Gottesdienst zwar einen Begriff bekommt von dem
Geist der religiösen Gesetzesgelehrsamkeit, nicht aber j
vom Verlauf oder gar vom religiösen Gehalt des Gottesdienstes
. Da nun aber der Islam sehr stark ecclesia
orans ist, sei auf solche Stücke wie das Gebet des
Dschazuli (S. 144ff.) ganz besonders hingewiesen; es
zeigt zugleich den Grad, bis zu welchem Muhanuned j
selbst Onjelct des Glaubens und des Kultus geworden
ist, die er nur verkünden wollte als Bote.

Hamburg. R- Stroth mann.

Günther, Dr. Hans F. K.: Rassenkunde des jüdischen Volkes.

2. Aufl. München: J. F. Lehmann 1930. (352 S. m. 305 Abb. u.

6Ktn.) gr.8°. RM 11—; geb. 13-.

Die alttestamentliche Wissenschaft ist in der glücklichen
Lage, daß sie immer wieder durch Nichttheologen,
die sich von den das Alte Testament berührenden Problemen
angezogen fühlen, angeregt und befruchtet wird.
Nachdem der Nationalökonom Max Weber erst die Alt-
testamentler auf die große Bedeutung der soziologischen
Fragen hingewiesen hat, nachdem der Germanist Sievers
erst die eigentliche Diskussion über die Metrik im alt-
testamentlichen Schrifttum eingeleitet hat, ist es zweifellos
Günthers Verdienst auf die große Bedeutung der
Rassenf ragen für die Geschichte und Kultur Israels aufmerksam
gemacht zu haben. Ist auch bisher der Terminus
„Rasse" in der wissenschaftlichen Erörterung alt-
testamentlicher Fragen schon des öfteren gebraucht worden
, so zeigt doch erst Günthers Arbeit, w i e diese j
Fragen angepackt werden müssen. G. weist eingangs
seines, 9 Kapitel umfassenden Werkes auf den grundlegenden
Unterschied zwischen Rasse und Volk (bzw.
Sprache) hin. Ein „rassenreines" Volk gibt es überhaupt
nicht; auch die Juden sind ein „Rassengemisch" j
und nur als solches unterscheiden sie sich von anderen i
„Rassengemischen" Europas (S. 12 f.). Das Judentum j
ist ein „Volk" und die „Rassenmischung" dieses „Volkes
" ist zu untersuchen (S. 17). Von diesen Voraussetzungen
, bzw. Feststellungen aus geht G. an sein
Unternehmen, die rassische Zusammensetzung des jüdi-
sehen Volkes darzustellen.

Da muß nun erstmals gegenüber anderslautenden i
Urteilen darauf hingewiesen werden, daß die Arbeit Gün- j
thers durchaus auf der Höhe der wissenschaftlichen j
Methode steht und vollkommen gegründet ist auf einer
guten Kenntnis auch der einschlägigen alttestamentlichen
Literatur; was natürlich nicht ausschließt, daß man in |

mancher Hinsicht, wie noch gezeigt werden wird, nicht
die gleichen Wege wie G. gehen kann.

G. beginnt seine Darlegungen mit einer Schilderung
der Bevölkerungsverhältnisse Palästinas vor der Einwanderung
der Israeliten (die e r Hebräer nennt — S.
20 ff.). Er unterscheidet dabei die „vorderasiatische"
und die „orientalische" Rasse. Die „orientalische" Rasse
umfaßt in der Hauptsache die Völker „semitischer" Abstammung
, während gerade die Eigenarten der „vorderasiatischen
" Rasse meist als typisch für das Semiten-
tum (bzw. Judentum) angesehen werden. In dieses stark
mit „vorderasiatischen" Rasseneinflüssen durchsetzte
Land Palästina wanderten die Israeliten ein und nahmen
so starke fremde Volksbestandteile in ihr Volkstum auf,
daß heute noch im Judentum die „vorderasiatischen",
nicht die „orientalischen" Rasseneigentümlichkeiten vorherrschend
sind. Bei der Charakterisierung dieser vor-
israelitischen Bevölkerung Palästinas wird man wohl
das eine oder das andere Fragezeichen machen müssen.
So ist auch die bloße Vermutung von „nordischen" Einflüssen
bei den Sumerern (S. 47) abzulehnen; ebenso die
Meinung (S. 54), daß die Gesetze Hammurapis „deutlich
die Einwirkungen des Geistes der Völker indogermanischer
Sprache, Einwirkungen der nordischen Rassenseele
" erkennen lassen. Die Amoriter sind nicht den
Choritern gleichzusetzen (S. 57) und auch die Hyksos
sind „nebst anderen semitischen Stämmen" nicht schon
um 2600 v. Chr. in Ägypten eingefallen (S. 90. — Man
hat bei den von G. gebrachten Jahreszahlen der älteren
ägyptischen Geschichte oft den Eindruck, daß er der
Chronologie der englischen Schule folgt). Auch vor allzugroßem
Vertrauen zu Friedrich Delitzsch muß gewarnt
werden (vgl. S. 120 ff.).

Mit der Einwanderung in Palästina ist die Rassenmischung
Israels noch nicht abgeschlossen; die gleichzeitig
mit ihnen einwandernden Philister gehen in ihnen
auf. Dieser Prozeß nimmt in den folgenden Jahrhunderten
seinen Fortgang, und die Schicksale des jüdischen
Volkes werden bis in unsere Tage geschildert, immer im
Hinblick auf die Probleme seiner Rasseneigentümlichkeiten
. Und es muß, um allerhand Legenden entgegenzutreten
, darauf verwiesen werden, daß Günthers Ausführungen
auch hinsichtlich der Gegenwart immer durchaus
fein und objektiv gehalten sind (vgl. S. 345 f.).

Ein Problem freilich muß noch in aller Offenheit
erörtert werden, das uns bei Günthers sonst so trefflicher
Arbeit immer wieder in doppelter Auswirkung
entgegentritt. Daß indogermanische (Günther sagt meist
nordische) Volksteile vom Beginne des 2. vorchristlichen
Jahrtausends ab in Syrien-Palästina eingedrungen
sind und sich dort niedergelassen haben, steht fest; und
dieses ist auch nicht zu verwundern bei einem Lande,
das die Brücke zwischen Asien und Afrika bildete und
auch heute noch bildet. Allein diese doch immerhin recht
geringfügigen „nordischen" Rassebestandteile Syrien-Palästinas
werden von G. in ihrer „rassenseelischen" Auswirkung
doch stark überschätzt. So soll die Bezeichnung
Gottes als „Vater" „nordisch" sein (S. 124); im Nordreiche
Israel regte sich mehr „vorderasiatischer" und
„nordischer" Geist (S. 125); u. s. w. (vgl. schon oben!).
Der Verfasser ist sich dabei gar nicht der Gefahr einer
solchen Beweisführung bewußt. S. 303 f. führt er selbst
aus, daß von der jüdischen Minorität mancher deutscher
Großstädte durch außerehelichen geschlechtlichen Verkehr
immer wieder das Judentum in die christlich-deutsche
Bevölkerung eindringt. Wenn nun das bloße Vorhandensein
„nordischer" Volksteile in Syrien-Palästina
dazu berechtigen soll, große, in Israel lebendig werdende
Gedanken auf diese Minoritäten zurückzuführen, dann
könnte dieser Satz auch einmal leicht umgedreht werden;
dann könnte sich leicht jemand finden, der aus dem
starken jüdischen Prozentsatze der Stadt Frankfurt a. M.
(6'28«/o) Rückschlüsse auf die Abstammung des größten
deutschen Dichters zieht.

Und damit hängt noch etwas weiteres zusammen.