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Ausgabe:

1932 Nr. 18

Spalte:

421-423

Autor/Hrsg.:

Max, Hugo

Titel/Untertitel:

Martin Opitz als geistlicher Dichter 1932

Rezensent:

Eberlein, Hellmut

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 18.

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gedruckt waren Die Verzeichnisse verteilen sich wie j drücklich festgestellt wird, daß das „Übersetzen" als
folgt: Andechs 1 Auesbure-Domkapitel 3, — St. Anna I geistige Leistung damals viel höher im Kurs stand denn

4, — St. Moritz 7, - St. Stephan 1, - St. St. Ulrich und
Afra 2, — zwei Priester je 1, Benediktbeuern 4, Bernbeuern
1, Buxheim 1, Diessen 3, Donauwörth 1, Füssen

heute. 2. Es lag Opitz auch gar nicht so sehr am
Gehalt der Dichtung als vielmehr an der Form: „Die
neue, durch ihn begründete und verwaltete deutsche

',7V—V vJe'heim 3 Kempten 6, | Kunstpoesie, und mehr noch den Dichterstand durch
3, Hopfen 1, Inchenhofen 1, Kaisheim J, 1 ^ , istliche stoffe zu sanktionieren und zu weihen, und
Kirchheirn 1, Kochel1, Memmin«n ^ 1, andererseits der neu erwachenden geistlichen Dichtung
1, Nordungen , Ottingen 3W^abuscn ue , bildliche R ,n und Qattungsrnuster zu geben, sind
Staffelsee 1, Thierhaupten 4 Wessobrunn °-, , , di 0ründe der geistlichen Poesien Opitzens" (17).
n Wenn der Bearbeiter sagt, daß d* "^^S Er schenkte also der geistlichen Dichtung „gewisser-
Bibliothekskataloge in Augsburg an Zahl und Umfang tr Gerät, Handwerkszeug" (Vf Es ge-
verhaltnismaßig gering seien, so mochten wir u^ ihm go ^nche „Eindeutschung" fremder Stoff-
ber sagen, daß die Ausbeute u rr^j*l™"™chichffichen gebiete und die Verbindung der deutschen mit der fortist
! Daß als Ersatz ^ ! |eschritteneren außerdeutschen Dichtung. Beides wird
bzw. b.bl.otheksgeschichtlicheri senr wert. i nun auf allen oben genannten Stoffgebieten durchge-
leitungen für die Forschung und das bt™1"'T1 Finleitun. i fahrt. 3. Opitz stand seinen geistlichen Stoffen in keiner
voll sind, soll nicht bestritten werden. Solche E>nleitan_ , tun.^ ^p^ ^ ^ensnalfe; s[e sind fur ihn Materia,

gen sind aber gerade da noch yiei w^ * erhe51ich | für seine poetischen Regeln, aber sie bewegen ihn keines-

ff'AUotüßte 2 da feider wird j weg/ m derjiefe. Es macht ihm. gar nichts aus, antik-

aber da, wie etwa im Bande Erfurt, dem Bearbeiter eine
gewiß unwillkommene Einschränkung mit Rücksicht auf
den Raum und die Fülle des Stoffes geboten. Dann
Hegt ein Mißverhältnis, das vielleicht beseitigt werden
müßte.

Leipzig.__Otto Lerche.

Max, Hugo: Martin Opitz als geistlicher Dichter. Heidelberg:

C.Winter 1931. (IV, 217 S.) gr. 8°. = Beitr. z. neueren Literatur-

gesch., begr. v. W. Wetz. Neue Folge hrsg. v. Max Frhr. von

Waldenburg, H. XVII. RM 11.50.

Das Buch zerfällt in drei Teile: Kap. I: Einleitung;
Kap. II: Die geistlichen Dichtwerke Opitzens; Kap. III:
Opitz als religiöser Mensch. Zusammenfassung und
Wertung.

Der erste Teil führt das geistige Bild der
Zeit und Umwelt Opitzens vor das Auge. Die- ! „Oratio an Friedrich V. von der Pfalz" ~die der iumre

heidnische Stoffe mit protestantisch-biblischen zusammenzustellen
. Mit Beziehung auf die Paraphrasierung
biblischer Stoffe konstatiert Max: „Andachtsbedürfnis,
religiöser Eifer, Ehrfurcht, die ihn zur Paraphrase hätten
anregen können, verspürt man nirgends" (130) und
weiter: „Aber um so bedauerlicher ist die Entfernung
von der Bibel, ihrer Stärke und ihrem hymnischen Aufschwung
" (131), seine Oden sind die „Versuche eines
primär Außerkirchlichen, religiös Indifferenten" (137);
das „religiöse Leben ist bei Opitz auf ein Minimum reduziert
" (139). Seine Nachahmer wie Rist, Joh. Heermann,
Grypphius haben seine Kunstregeln übernommen, übertreffen
ihn aber durchaus an persönlicher religiöser
Wärme und Erfahrung. Seine besten und sozusagen
protestantischsten Werke sind Erstlingswerke: Die

selbe ist durchaus als Epigonentum sowohl der Reformation
wie des Humanismus geschildert; als geistiger
Mittelzustand, als „Bereich der Streber und1 Sucher, der

Heidelberger Student mit scharfer Polemik gegen die
Jesuiten schreibt, 1621, und sein „Trostgedicht in Widerwärtigkeiten
des Krieges", um die gleiche Zeit in Jüt-

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Halbfähmen ünd Verallgemeinerer". Die geistliche Dich- ! land verfaßt Hier tritt ein starkes protestantisches Betung
, vertreten durch die Namen Paul-Gerhardt, Jo- wußtsein und eine ebenso starke Vaterlandsliebe das

hann Heermann, Kuhlmann und Spee, Scheffler und
Grypphius ist noch das Beste, was dies Jahrhundert
hervoruebracht hat. Vor allem ist es für die Poesie ,

katastrophal, daß die Bildung keine warme Beziehung wagt es, wie er selber brieflich

zum leben hat So kommt es, daß meist Leben und j sonIrcher Nachteile willen nicht eher. Dagegen findet er

Erfreulichste bei Opitz überhaupt, zutage. Allein dies
Eigenste seiner Werke gibt Opitz erst nach einem Jahrzehnt
1633 heraus und auch dann noch anonym; er

zum Leben hat. „So kommt es, daß meist Leben und
Werk der Dichter ganz beziehungslos nebeneinander
lehen Geist und Gott unvereint neben Körper- und

nichts dabei, daß er, der Protestant, bei dem katholischen
Fanatiker und Protestantenverfolger Grafen Dohna in
§innenweit;r (oT Diese geistige Mittelmäßigkeit ver- Dienste tritt, und mehr als das!, in seinem Auftrag eine
bindet sich mit zur Schau getragener Vielwisserei, ge- Schrift des Jesuiten Becanus dessen manuale, zur
dankenlosem riiiaiösem Eklektizismus und starkem per- Bekehrung der Ketzer verdeutscht (Becanus redi-
sönlichem Opportunismus - „Alle können auch anders" vivus Ic-Jl)

(D). Martin Opitz seinerseits ist ein typischer Ver
treter dieses bildungsstolzen, aber geistig mittelmäßigen
und wenig charaktervollen Epigonentums.

Staunenswert ist die Fülle seiner geistlichen
Werue) jn dje uns der Zweite Teil — fast zu ausführten
mit mancherlei Wiederholung! — einführt. Aus
LJpitzens Feder stammen: Dramatisierungen (Das hohe
Lied, Judith), Hymnen oder Lobgesänge (Die Verdeutschung
des .Lobgesangs Jesu Christi' von Dan. Heinsius,
Lobgesang auf den freudenreichen Geburtstag Jesu
Ghristi); drittens Paraphrasierungen (Klagelieder Jere-
tiä, Jonas, Psalmen, die Sonn- und Festtags-Episteln)
weiter geistliche Oden und Gesänge, Lehrgedichte (hier
kommen sein „Trostgedicht in Widerwärtigkeit des

So ist es kein Wunder, daß der dritte Teil: Opitz
als religiöser Mensch eine vernichtende Kritik
seiner Persönlichkeit und seines religiösen Charakters
gibt: Ein Eklektiker und ein ängstlich um Leben und
Ruhm bedachter Humanist wie Erasmus. Er selber oder
sein Leben widerruft alle starken religiösen Wendungen,
die er braucht; „er kann auch anders". Er ist ein „ausgesprochen
profaner Mensch, der den Genuß und die
Ausbeutung des Lebens sucht und nur da resignierend
verzichtet, wo das Gewünschte ihm nicht erreichbar
ist" (208). Jedenfalls sind seine geistlichen Werke nicht
Zeugen persönlicher Begegnungen mit Gott; seine geistliche
Dichtung bleibt ein frommer Selbstbetrug!

Wir können und wollen diesem vernichtenden Wert-

Krieges" und die Übersetzung von Hugo Grotius: De j urteil über die religiöse Persönlichkeit Opitzens nicht
veritate Religionis Christianae inbetracht), schließlich 1 widersprechen; sie wird im Tenor richtig sein. Zweifeleinige
Prosaschriften geistlichen Inhalts. Zur Beurtei- haft ist uns nur, ob dies Urteil schon für seine beiden

lung dieses Reichtums an geistlicher Produktion bringt
der Verfasser immer wieder in starker Betonung drei
Gesichtspunkte vor: 1. Die meisten der Werke Opitzens
entstammen gar nicht seiner eigenen Produktion, sondern
sind teils direkte Verdeutschungen fremder Geisten

oben genannten Erstlingswerke Geltung hat. Es bedarf
mindestens näherer Untersuchung, ob in seiner Jugend
nicht wirklich ein aufrichtiges protestantisches Fühlen
und Denken in ihm lebte, das durch die Schrecken des
Krieges und Siege der katholischen Partei erschreckt

Produktion oder starke Anlehnung an solche, wobei aus- ! sich immer mehr verkroch. Zum Heldentum war die