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Ausgabe:

1932 Nr. 1

Spalte:

20-21

Autor/Hrsg.:

Adam, Alfred

Titel/Untertitel:

Die Aufgabe der Apologetik 1932

Rezensent:

Wendland, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1932 Nr. 1.

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nicht nur die großen Auslassungen und Erweiterungen,
vor allem durch den catalogus errorum (III, 137—151),
sondern auch die zahlreichen kleinen Veränderungen: die
Verschärfung des Tones, die dauernden stilistischen
Glättungen, die Verschiebungen des Gedankens (z. B.
ist una otiata, tres wtoatdoEis für Calvin früher Väterlehre
, 1559 Folgerung aus der Lehre der Apostel S.
110 f.) und die ständige Bereicherung des Materials
(etwa in dem Mosaik S. 114 f. über den verschiedenen
Sprachgebrauch der Alten). Sinnenfälliger als es so geschehen
ist, kann man gar nicht auf das Wachstum des
Textes hingewiesen werden. Ich ziehe die Nennung der
Erscheinungsjahre am Rande auch der alle Zusammenhänge
zerreißenden Verwendung verschiedener Typen
vor. Die Abschnitte über die Grundfragen von Calvins
Theologie können Glanzstücke für die Anleitung zu
scharfer Auslegung in Seminarübungen werden.

Eine erste Frucht ihrer sorgsamen Textvergleiche
haben die Herausgeber schon selbst eingebracht. Bei der
Untersuchung der französischen Übersetzung von 1541
fiel es Niesei auf, daß sie häufig statt mit ihrer Vorlage
, der Ausgabe von 1539, mit der von 1536 zusammenstimmt
. Auf Grund reichen Beobachtungsmaterials zogen
sie erstmals in den Theol. Bl. 1928 Sp. 1 ff., jetzt erneut
in der Einleitung III p. VII ff. (vgl. auch S. 516 ff.) den
Schluß, daß es schon eine Übersetzung der Ausgabe von
1536 (wahrscheinlich noch aus demselben Jahre) gegeben
haben müsse, die Calvin, soweit er seinen Text
nicht geändert hatte, seiner Übersetzung von 1541 zugrunde
gelegt habe. Zwar ist kein Exemplar davon erhalten
, aber die Vermutung erscheint durch die zahlreichen
Übereinstimmungen, die Niesei sämtlich im krit.
Apparat vorlegt, gesichert. Im übrigen sind die Übersetzungen
natürlich nur so weit herangezogen, wie sie
für den lat. Text irgend eine Bedeutung haben. Sehr
verdienstlich ist es, daß die Herausgeber auch die literarischen
Berührungen der Inst, mit anderen Schriften
C.s, vor allem den Katechismen, beachtet haben. Sie
haben sich dabei nicht einmal die Mühe verdrießen
lassen, dafür über das C. R. hinaus auf bessere Textgrundlagen
zurückzugreifen, so auf die Handschriften
bei C.s Ad quaest. G. Biandratae responsio (III, 134)
und dem Brief Val. Gentiles (III, 139 f.). Sie haben das
mit solcher Umsicht getan, daß sie nebenbei z. B. die
Datierung der Schrift gegen Biandrata verbessern (S.
134 Anm. 1) oder eine hübsche Vermutung über Me-
lanchthon als Anreger für eine Textänderung C.s geben
können (III, S. 55 Anm. 2).

Mit gleicher Sorgfalt haben sie sich um den Nachweis
der Zitate und Quellen bemüht. Diese
Aufgabe stellte sehr erhebliche Anforderungen an Kenntnisse
und Ausdauer, da C. die Letztausgabe der Inst,
nicht nur zu einem biblisch-theologischen, sondern auch
zu einem dogmatisch-polemischen Handbuch gemacht
hat, in dem er alle Kämpfe seines Lebens zu Ende führen
wollte. Wie die beiden Herausgeber in der oben besprochenen
Arbeitsteilung diese Aufgabe bewältigt haben
, verdient die höchste Achtung. Es bleiben kaum
Stellen übrig, an denen die historische Ableitung nicht
gelungen wäre, und verhältnismäßig selten wünscht man
sich bessere Belege. Neben den Väterzitaten haben die
Herausgeber besonderen Wert auf den Nachweis der
zeitgenössischen Gegner gelegt und dabei sehr viel wertvolles
Material vorgelegt. Im III. Bd. treten dagegen
die Scholastiker zurück; C. hat wohl nur Anselm, den
Lombarden und Thomas gelesen (S. LVII). Im IV. Bd.
haben sie, einem berechtigten Wunsche H. Rückerts
folgend, in stärkerem Maße scholastische Quellen neben
ihren Nachtretern aus dem 16. Jahrh. genannt und die
Zeitgenossenauswahl geklärt und erweitert (S. VIII).
Dagegen haben sie die Frage der literarischen Abhängigkeit
C.s von anderen Schriftstellern grundsätzlich von
ihrer Arbeit ausgeschlossen (Bd. III S. LVIII). Sie gehört
nicht zu den nächsten Pflichten der Ausgabe und
erfordert, um sicher zu gehen, sehr umfassende Unter-

j suchungen. Man wird dem durchaus zustimmen, aber
in Erinnerung behalten, daß hier noch eine Aufgabe
offen bleibt, die nach den Einblicken, die man neuerdings
in C.s Arbeitsweise bekommen hat, Erfolge
verspricht. Die gegebenen Nachweise sind außerordentlich
reichhaltig und gestatten, wie mir einige, freilich
nicht zahlreiche Stichproben zeigten, nur wenig Verbesserungen
und Wünsche, zumal nach dem, was schon
von anderer Seite gesagt ist und z. T. in den in Bd. IV
abgedruckten Corrigenda zu Bd. III seinen Niederschlag
gefunden hat.

Bei III S. III6 scheint es mir unmöglich, den Satz auf den zitierten
Brief Bullingers zu beziehen. — S. 1156"' wären auch als arianisch
zu belegen. — S. 299 Z. 37 1. 1834 st. 1534. — Für die verschiedene
Zählung der 10 Gebote sind S. 353 nicht die wesentlichen Zeugen angeführt
, vgl. Eb. Nestle in: Theol. Studien aus Württemberg 1897.
— S. 371 Z. 23 wäre Jes. 56,2 entweder wie 1539 hinter aestimabant
oder wie 1559 zu stellen. — S. 374 8 vgl. auch den 6. Münsterschen
Artikel Kerssenbroch, Anabaptistici furoris . . . historica narratio. hsg. v.
Detmer S. 449. - S. 376 1 ergänze Socr. hist. eccl. V 22, S. 623 f.
Hussley. — Die rabbinischen Kommentare sähe man gern im Literaturverzeichnis
bibliographisch genau angeführt. — Mit dem Lombarden
haben sich die Herausgeber unnötig abgemüht gemacht (z. B. S. 245, 246);
die Ausgabe von Quaracchi 2 Bde. 19162 enthebt meist der Mühe,
nach seinen Quellen zu suchen. — Man wird bei manchen Nachweisen
in Betracht ziehen müssen, daß es sich auch um freie Wiedergabe der
besprochenen Lehre ohne enge literarische Abhängigkeit handeln kann.
So scheint mir die Ausführung bei III, S. 217 die die angeführte
Origenes-Stelle nicht voll belegt, eine sehr zugespitzte Formulierung
Calvins für die pelagianische oder semipelagianische Überlieferung zu
sein. Ebenso möchte ich die Äußerung über die Novatianer IV, S. 82 *,
die die Herausgeber vergeblich zu belegen versucht haben, für eine an
einem frei gewählten Beispiel veranschaulichte Wiedergabe der aus Berichten
wie Ambrosius, De poen. II, 2. MSL 16, 518 oder Epiphanius,
Haer. 59, 2. II, 365, 3 ff. Holl bekannten novatianischen Auslegung
von Hebr. 6, 4—6 halten. — Bd. V wird hoffentlich eine Gesamtübersicht
über die Institutio bringen.

Weitere schon von anderen geäußerte Wünsche
will ich hier nicht wiederholen. Sie sind alle nur ein
Zeichen des Dankes, den die Calvinforschung den beiden
Bearbeitern schuldet.

_Gießen._ Heinrich Bornkamm.

Adam, Dr. theol. Alfred : Die Aufgabe der Apologetik. Leipzig:
Dörffling & Franke 1931. (148 S.) gr. 8°. RM 5—; geb. 6-.

Adam erörtert kritisch die Stellung der Apologetik
bei Schleiermacher und Kaehler; kürzer setzt er sich
auseinander mit E. Brunner, bei dem er das Eingehen
auf die menschliche Seite des Glaubens vermißt, mit J.
Kaftan, dem er in der einseitigen Gründung auf Kant
nicht folgen kann, mit H. Stephan, Eiert, Hunzinger,
endlich mit H. Schreiner und C. Schweitzer. — Die Apologetik
hat nach ihm nicht ihre richtige Stellung als
Prinzipienlehre der Theologie, weil der Glaube letztlich
Erfassung der Offenbarung Gottes ist. Die Apologetik
solle vielmehr auf die Dogmatik folgen und den Übergang
zur praktischen Theologie bilden. A. stellt ihr die
Aufgabe, sie solle 1. die Hindernisse des Verstandes beseitigen
, hinter denen sich oft der ablehnende Wille verschanzt
. Sie müsse zeigen, daß nicht wirkliche Tatsachen
sondern falsche Ausdeutungen von Tatsachen
dem christlichen Glauben widersprechen. Sie müsse auch
auf die wirtschaftlichen Nöte eingehen, die dem Glauben
Schwierigkeiten bereiten. 2. Sie habe die für die Verkündigung
des Evangeliums taugliche Sprache zuzubereiten
. Sie habe zu zeigen: „Allen Bedürfnissen der
Geister, allen Forderungen der Vernunft und des Herzens
wird vom Evangelium aus letzte Erfüllung, wobei
die Erfüllung oft ganz anders ausfällt, als das Menschenherz
erwartete" (S. 110). Damit wird deutlich:
alle Apologetik kann nur vorbereitende Arbeit leisten.
Den Glauben kann sie nicht erzeugen; das vermag nur
Gott. Sie muß sich peinlich vor der Gefahr hüten, den
Inhalt des Evangeliums abzuschwächen, um ihn dem
natürlichen Menschen anzupassen. Apologetik ist damit,
I wie schon Wichern es wollte, eine Aufgabe der Volks-
! mission. — Bis hierher kann ich dem Verf. zustimmen,
j Aber A. will die Aufgabe, eine geschlossene christliche
| Weltanschauung zu gewinnen, nicht zur Apologetik rech-