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Ausgabe:

1931 Nr. 13

Spalte:

307-309

Titel/Untertitel:

Die fränkischen Bekenntnisse 1931

Rezensent:

Wolf, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1931 Nr. 13.

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dem Glauben und bei der Mystik haben einen verschiedenen
Sinn, wenn man auf die hinterliegenden
Grundanschauungen zurückgeht.

Als Ergebnis der Untersuchung wird deutlich, daß ;
die theologia crucis nicht eine Vorstufe der reformatorischen
Theologie Luthers ist sondern etwas, was für
die ganze Theologie Luthers kennzeichnend ist.

Ohne Zweifel hat der Verf. ein zentrales und j
jetzt zur Untersuchung dringendes Thema aufgenommen.
Er hat die Grundzüge der theologia crucis herausarbeiten
wollen, sieht es aber als eine weitere Aufgabe
an, sein Ergebnis für die einzelne Lehrstücke (z. B.
für die Christologie oder die Abendmahlslehre) durchzuprüfen
. — Aber ist wirklich die Christologie in diesem
Zusammenhang ein einzelnes Lehrstück, wofür es I
jetzt möglich wäre, das Ergebnis zu prüfen? Spielt die
Christologie nicht eine viel mehr zentrale Rolle für die i
theologia crucis? Oder wäre die ganze Darstellung
nicht fester und klarer geworden, wenn die Christologie j
für sie den Ausgangspunkt gewesen wäre? Das natürliche
wäre wohl doch, eine Darstellung von der theo- j
logia crucis als eine Untersuchung der Christologie j
Luthers zu gestalten, zwar nicht so, daß die Christologie
spekulativ entwickelt würde, aber doch so, daß sie das
Zentrale in der Untersuchung wäre. Dann hätte auch
die Versöhnungslehre eine genauere Analyse bekommen
und die theologia crucis in Verhältnis zu ihr gestellt
werden müssen — denn mit Th. Harnacks berühmter
Arbeit ist es doch unmöglich, sich zufrieden zu geben.
Zwar besteht immer eine Gefahr darin, dazu genötigt
zu werden, eine Gesamtdarstellung von Luthers Theologie
zu geben; je stärker man aber gewisse Gesichtspunkte
betonen und sie wirklich durchführen kann,
desto mehr kann die Untersuchung eine Einzeluntersuchung
bleiben und die Antwort auf eine bestimmte
Frage geben. — Daß die Arbeit von Loewenichs
eine aktuelle Frage hat interessant beleuchten können,
steht aber fest.

Abo. R. Bring.

Die Fränkischen Bekenntnisse. Eine Vorstufe der Augsburgischen
Konfession. Hrsg. v. Landeskircbenrat d. evang.-luth. Kirche in
Bayern r. d. Rhs. 1. Tl.: Untersuchungen, bearb. v. Lic. W. F.
Schmidt. II. Tl.: Texte, bearb. v. D. Dr. K. Schorn bäum.
München: Chr. Kaiser 1930. (XII, 673 S.) 4°. geb. RM 24—.
Die vom Landeskirchenrat der Evang.-Luth. Kirche
in Bayern r. d. Rhs. herausgegebene Festgabe zum
Jubiläum der Augustana, mit der Absicht, „aus
dem Erbe der Väter darzustellen, was in den fränkischen
Kirchengebieten an bekenntnisbildender Kraft aus gläubiger
Heilsaneignung und theologischer Heilserkenntnis
lebte und im Bekenntnisse von Augsburg abschließend
einmündete" (Geleitwort).

Die Untersuchungen (3—152) gelten der ,
dogmengeschichtlichen Würdigung der sog. Fränkischen
Bekenntnisse und greifen in ihrer Quellengrundlage über
die Texte der zweiten Abteilung hinaus, beschränken
sich aber auf das amtliche Material von 1524—1530,
über 80 Einzelstücke. „Die dogmengeschichtliche Ein- |
Ordnung besteht wesentlich in dem Vergleich mit Luther,
Zwingli und der Augsb. Konfession", während eine
Vergleichung mit der sonstigen süddeutschen Reforma- !
tion zurückgestellt werden mußte. Ein erstes Buch
(9—70) behandelt die durch die von Markgr. Kasimir
1524 vorgelegten 23 Artikel veranlaßten theologischen !
Gutachten, vorab den Ansbacher evangelischen Rat- i
schlag vom 30. Sept. (=Texte 183—322), und arbeitet
nach einem Überblick über Entstehungs- und Verfasser- !
frage der Gutachten, auch der katholischen, besonders i
den eigentümlichen legistischen Biblizismus der Ans- j
bacher heraus, der sie gelegentlich in Einzelheiten stär- j
ker zu Zwingli greifen läßt als zu Luther, mit dem man
inhaltlich und in wichtigen Zügen der Frömmigkeit — [
Unfreiheit des Willens zum Guten, Sünde, Glaube — j
zusammengeht. Streng folgerichtige Anwendung des
gegen heidnisches Menschenwort gerichteten Schriftprin- |

zips, das auch die Antwort auf die Frage nach dem
Wirken des Geistes gibt, trägt die „Theologie" des
Hauptratschlags. Daneben werden Abweichungen einzelner
anderer Gutachten, die Kompromißhaltung der Heils-
bronner, die theol. Unzulänglichkeit der katholischen Bedenken
gekennzeichnet; alles m. E. innerhalb des abgesteckten
Rahmens geschickt und zutreffend, abgesehen
etwa von dem Schluß des Kap. 2 (S. 28), wo wohl statt
auf das magnificare peccatum auf die resignatio ad infer-
num bei Luther hätte hingewiesen werden müssen. Ergebnis
: die „Ansbachische Theologie" sei „materiell ein
Ausschnitt aus der Gedankenwelt Luthers", der „jedoch
unter den Händen der Verfasser zu einem Ganzen von
selbständiger Prägung geworden" sei (66). Ein zweites
Buch (71—100) führt „die osiandrische Theologie
des Wortes in Nürnberg 1524/25" vor, im Anschluß an
Nürnberger Ratschläge von 1524, die der Rat oder
Ansbach einfordern, und an die 12 Artikel für das Religionsgespräch
von 1525. Der starke Anteil Osianders
als des Hauptgutachters des Rates wird sehr wahrscheinlich
gemacht und als erwiesen behandelt. Verf. ist bemüht
, z.T. „im Gegensatz zu Hirsch . . . die Theologie
Osianders in ihrer eigentümlichen Frühgestalt zu erfassen
", und kommt bei der Vergleichung Osianders mit
Luther zu Urteilen, die Osianders Eigenart stärker betonen
und in der Rechtfertigungslehre schärfer als bei
Hirsch abgrenzen; m. E. mit Recht, nur daß dann trotz
der hier herausgearbeiteten Gottesmystik der von Hirsch
für Osiander herausgestellte Neuplatonismus doch etwas
zu schnell zugunsten des osiandrischen Biblizismus und
seiner Johannesexegese abgetan wird. Grade der Neuplatonismus
gibt das Katholisierende bei Osiander an,
einschließlich des mystischen Infusionsschemas und der
darnach konstruierten Gesetzeslehre. Ein drittes
Buch (101 —151) gilt der „Lehre der fränkischen
Theologen bis zur Augsburgischen Konfession (1526—
1530)". Das Streben nach einer gewissen Lehrvereinheitlichung
und eine Verstärkung der lutherischen Haltung
äußern sich in den aus Anlaß des Reichstags 1530 von
Markgraf Georg von Brandenburg eingeforderten Gutachten
zu den Fragen nach wahrem Gottesdienst und
nach dem Reformationsrecht der Obrigkeit; 49 sind erhalten
. Bei gemeinsamer biblizistischer Grundeinstellung
wird von der Gruppe der strengen Biblizisten (19) eine
Gruppe abgesondert, die ein stärkeres „Hervortreten der
religiösen Erfahrung im Sinne Luthers" zeige (15);
andere stehen dazwischen, weitere sind zu keiner einigermaßen
geschlossenen Darlegung gelangt, einer hat
mystische, ein anderer osiandrische Eigentümlichkeiten.
Osianders Theologie lasse eine entscheidende Wendung
erkennen: Zurücktreten der Wort-, Ausbau der Gnaden-
mittellehre, Fortfall der Trennung von Sündenvergebung
und Gerechtmachung. Anschließend skizziert ein 2. Kap.
die aus den Gutachten erhebbaren Auffassungen von
Rechtfertigung und Abendmahl und die Stellungen zum
Reformationsrecht der Obrigkeit. Das Schlußkapitel
macht, mit notwendigen Vorbehalten, wahrscheinlich,
daß diese fränkischen Religionsbedenken den Sachsen
und Melanchthon in Augsburg vorgelegt worden seien.
Dagegen wird die Möglichkeit einer materiellen Beeinflussung
der C. A. durch diese Gutachten — im wesentlichen
mit Gußmann — sehr stark eingeschränkt, während
umgekehrt wohl im einzelnen untersucht werden
kann, ob und inwieweit die C. A. als Bekenntnis auch
der Franken angesehen werden könne; das Ergebnis bejaht
die erste Frage und nennt zur zweiten die Überlegenheit
der Franken hinsichtlich der Urteile über Kirchenleitung
und Obrigkeit und eine gewisse Unentwickeltheit
in der Rechtfertigungslehre, sofern bei den
Franken eine theologisch kaum ausgestaltete „Kombination
der Sündenvergebung und der fortschreitenden
Gerechtmachung" vorliege.

Man kann den Ertrag des großen theologiegeschichtlichen
Einleitungsteiles an den folgenden Texten
überprüfen und wird von da aus die Sorgfalt der Dar-