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Ausgabe:

1927 Nr. 5

Spalte:

100-101

Autor/Hrsg.:

Preuss, Konrad Theodor

Titel/Untertitel:

Die Eingeborenen Amerikas 1927

Rezensent:

Haas, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 5.

100

ihre Grundlage in der eben so klaren Abwendung von
einem falschen Biblizismus. Der historischen Kritik wird
unumwunden gegeben, was ihr zukommt. Im besondern
auch, was das „alte Verständnis der Prophetie, der
, Weissagung' und ihres Verhältnisses zur,Erfüllung' " betrifft
, wird klar ausgesprochen, daß die Theologie hierin
„umgelernt" hat (89). Anstatt einer einfachen Dogma-
tisierung der verheißenden Weissagung gilt es, „hinter
die großen Hoffnungsworte und mächtigen Bilder des
N.T.s zurückzugehen und nach der Notwendigkeit zu
suchen, mit der sie aus der Erfahrung der Tat Gottes
herausgewachsen sind" (5). So allein auch erschließt
sich ihr „Sinn". Auch nicht unmittelbare dogmatische
Benutzung ausdrücklicher Jesusworte, sondern ein klares
systematisches Verfahren, das in der Christustatsache
als der „Wurzel" aller biblischen Gedanken einsetzt.
Danach ist der „Sinn des Gedankens der Wiederkunft
Christi", daß das in Gott verborgene Leben Christi und
seiner Gemeinde „als die wahrhafte Wirklichkeit überführend
erscheine" (42); sie ist „Enthüllung der Wirklichkeit
Gottes in Christus" „so zwingend, daß alle sie
sehen müssen", und so „das Gericht über die ,Welt',
die an ihm vorübergegangen ist" (43). Als solche Aufhebung
der Kenosis der geschichtlichen Offenbarung
aber ist die Parusie nicht selber Geschichtsakt (43), vielmehr
ja doch grade Aufhebung der Geschichte. Natürlich
kommt dabei die Christustatsache so in Betracht,
wie sie sich A. aus der neutestamentlichen Verkündigung
erschließt: als „die Wirklichkeit des Gekreuzigten
und lebendig erstandenen Christus und des durch ihn
begründeten Christenstandes" (6), und dieser letztere
zentral unter dem Begriff der Rechtfertigung erfaßt.

Vortrefflich ist auch, daß A. sich nicht um ein rund
abgeschlossenes eschatologisches Bild bemüht. Er wird
damit dem gerecht, daß wie überhaupt in unserer religiös
-dogmatischen Erkenntnis, so besonders auch in der
Eschatologie nicht alle Linien für unsern endlichen Blick
zusammenlaufen; es bleibt dem Wesen der Sache nach
vielfach bei Spannungen (der Begriff des „existenziellen"
Denkens). Eine solche bleibende Spannung ist bei A.
z. B. die zwischen dem innerlich unvermeidlichen Gedanken
vom doppelten Endausgang und dem ebenso
innerlich notwendigen, der auf die Apokatastasislehre
hin tendiert, weshalb keiner der beiden Gedanken dog-
matisiert werden darf. Ob aber dies Spannungshafte
nicht auch noch an andern Stellen liegt, an denen A.
eine geschlossenere Einheitslösung sucht? Genügt z. B.
wirklich die eindeutige und endgeschichtliche Beantwortung
der Frage nach dem Ewigkeitsertrag
der menschheitlichen Gesamtgeschichte mit ihrer
Herauslösung des Wirkens aus dem Werk? Tut der
Gedanke von einer Art Vorübung im rechten Wirken dem
wirklich genug, daß der Gottesauftrag uns so bestimmt
auf das irdische Werk hinweist? Und ebenso liegt mir
zuviel einheitliche Lösung in dem Gedanken, mit welchem
A. die Spannung zwischen sündhafter Selbständigkeit
des Menschen willens und Gottes übergreifender Allmacht
zusammenzubringen sucht: Gott, weil Liebe,
wollte freie Hingebung und mußte darum auch die davon
nicht abtrennbare Möglichkeit einer Gegenentscheidung
der freien Kreatur wollen? Ist nicht auch das
mehr Streben nach weltanschaulicher Geschlossenheit, als
sie der mitten in einer Welt voller ungelöster Rätsel und
offen bleibender Fragen es auf Gott und mit Gott wagende
Glaube bedarf?

Verglichen mit mancher anderen Erörterung der
letzten Dinge zeichnet sich das Buch von A. auch dadurch
aus, daß es die Linien von hier dort hinüber vorsichtig
und leise zieht. Wo andre mythologisierende
Ausmalungen geben, findet er Abschluß und Ruhe
in dem einfachen und schlichten das - Gott - über -
lassen. Gelegentlich versucht er aber doch die Linien
schärfer und deutlicher zu ziehen, als das einem nicht genügend
unterstützten Ahnungsvermögen erlaubt ist. Er
hält dann freilich das christliche Ahnen an diesem

Punkte für ein genügend unterstütztes. Dahin gehören
nach meinem Urteil u.A. seine Ausführungen über
den „neuen Leib". Gewiß will A. auch hier alles
vermeiden, was auf unmittelbare Hineintragung des Hier
in das Dort hinausliefe. Der irdische Leib als „Körper"
vergeht (263), und es besteht kein natürlicher, geschweige
denn stofflicher Zusammenhang zwischen irdischer
und himmlischer Leiblichkeit; aber doch „ein
wesentlicher Zusammenhang zwischen der irdischen und
der himmlischen ,Gestalt'" (264). Aber auch diese
„ewige Gestalt" ist eine Projektion aus dem Hier in das
Dort, mag sie noch so sehr durch Redestriche eingefaßt
sein. Gestalt gehört in Raum und Zeit und ist nur als
Raumhaftes ein wirklich vollziehbarer Gedanke; die
Ewigkeit aber ist das Ganz-Andre zu Raum und Zeit.
— Hinter diesen Gedanken über den neuen Leib steht bei
A. zuletzt seine Vorstellung von der Geistleiblichkeit persönlichen
Seins und damit ein bewußter Protest gegen
die „griechischen Traditionen" in der Theologie (257).
Nicht um die „Seele" geht es, sondern um die „Person"
„als lebendige, nach Schicksal und Kraft besondere,
Gott verantwortliche Ganzheit" (31). Also entweder die
aus dem Griechentum stammende und im Seelenglauben
wurzelnde leibfreie unsterbliche Seele oder der ganze
Mensch: so scheint ihm hier die Alternative zu liegen.
Sicher ist solcher Seelenunsterblichkeitsglaube unzutreffende
Verewigung eines mit seiner Körperverwurzelung
seinem Wesen nach zeitlich-endlichen Seins. Ist
aber wirklich der ganze Mensch in A.s Sinn die „Person
", um welche es im Ewigkeitsverhältnis zu Gott
geht? Oder handelt es sich hierbei nicht vielmehr um
eine Größe, die weiter zurück und über jene Alternative
„Seele oder ganzer Mensch" hinaus liegt? um eine
transzendente Wesenheit, die wir in aller bloßen seelisch-
leiblichen wie auch empirisch-geschichtlichen Gegebenheit
vergeblich suchen würden, da sie vielmehr erst
mit dem besonderen Anruf Gottes in der darauf antwortenden
' transzendenten Freiheitstat in die Erscheinung
tritt. Damit aber würden A.s Gedanken über den
„neuen Leib" fraglich; wie auch seine „Metaphysik des
Todes" sich dann wesentlich anders gestalten müßte. —
Wenn A. gelegentlich sehr deutliche Linien zieht, wo uns
das nicht in dem Maße erlaubt erscheint, so hat das
seine letzte Ursache darin, daß er wohl bei den escha-
tologischen Aussagen des N. T.s gegen eine biblizistische
Verwendung derselben zwischen Sinn und Gedankenausdruck
zu scheiden weiß, nicht aber ebenso an andern
Stellen, an denen die kirchliche Tradition sich in zentralerer
Weise verankert hat.

Herrnhut. Th. S te i n m ann.

Preuss, Dir. Konrad Theodor: Die Eingeborenen Amerikas.

Tübingen: J. C. B. Mohr 1926. (III, 61 S.) gr. 8°. = Religions-
geschichtliches Lesebuch, 2. Rm. 2.90; in d. Subskr. 2.60

Einem dieser Schrift eingehefteten Verlagsprospekte
ist zu entnehmen, welcher Art die Umgestaltung ist, die
Professor Bertholet für die 2. Auflage seines verdienstlichen
Religionsgeschichtlichen Lesebuchs
vorgesehen hat. Hatte die 1. Auflage nur die
Religion der alten Chinesen, Vedismus und Brahmanis-
mus, den Buddhismus, die zoroastrische Religion und
den Islam zu Worte kommen lassen — ein 1913 nachgeliefertes
Heft der Neuen Folge hat dann auch Religionen
der schriftlosen Völker Afrikas einbezogen —,
so sollen nun — und damit läuft Bertholet dem andern,
von Edv. Lehmann in Gemeinschaft mit mir herausgegebenen
Textbuch, das immer schon mehr gegeben
hatte als sein Werk in der 1. Auflage, den Rang ab —
auch Japan (K.Florenz), Ägypten (Grapow), Babylonier,
Assyrer, Vorderasiaten (V. Opitz), der Jainismus (W.
Schubring), der Hinduismus (F. O. Schräder), die Manir
chäer (F. Andreas), die Griechen (M. P. Nilsson), die
Römer und der Synkretismus (K. Latte), die Germanen
(E. Schröder), die Slaven und Litauer (A. Brückner), die
Kelten (Wolfg. Krause) bedacht werden, dazu auch noch
Primitive: Australien und Südsee (Thurnwald) und die