Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1926 Nr. 23

Spalte:

566

Autor/Hrsg.:

Grabmann, Martin

Titel/Untertitel:

Thomas von Aquin. Eine Einführung in seine Persönlichkeit und Gedankenwelt. 5., verb. Aufl 1926

Rezensent:

Betzendörfer, Walter

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

565

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 23.

566

Und ,boser Wille' brauchte bei den Arianern nicht die Triebkraft gewesen
zu sein. Wenn man die Reden des Athanasius gegen die
Arianer liest, so gewinnt man den Eindruck, daß durch ihre widerspruchsvollen
Erklärungen niemand überzeugt werden konnte, der
nicht vorher schon aus andern Gründen diese Anschauung teilte.
Den Grund, den v. Dunin-Borkowski für das Fehlen der Priester-
bezeichnung für die kirchliche Vorstandschaft bis ans Ende des
2. Jahrhunderts ausfindig gemacht hat (S. 128), oder einen ähnlichen
wird nur .einleuchtend' finden, wer sich der Tatsache verschließen
muß, daß es eben ursprünglich nach den Quellen kein besonderes
Priestertum gegeben hat und bei der ganzen geistigen Höhenlage des
Urchristentums nicht geben konnte. Man hat noch überall und jederzeit
einen Priester, wo er da war, auch Priester genannt. Wo aber
die Gläubigen alle so als nyevfiattxoi erscheinen, wie im Urchristentum
, hat ein Priester keine Stelle, da kann nicht bloß von
einem .Zurücktreten der Priesterwürde in der Sprechweise' (S. 217
A. 27) die Rede sein. S. 197 A. 35 bemerkt J. zum Verblassen des
Gedankens an das verklärte Haupt der Kirche: .Damit hängt es zusammen
, daß nun auch die Kirche als besondere religiöse Größe, als
„heilige Kirche", als „Einheit im hl. Geiste" an praktischer Bedeutung
verliert. Der Blick wird nun mehr auf ihr organisatorisches
Gefüge gerichtet und auf die verschiedenen Rechte, Vollmachten und
Gnadenmittel, die in ihrem Schöße für den einzelnen geborgen
sind'. Das ist sehr gut beobachtet. Nur ist dabei der Sohm'sche Gedanke
von der Ablösung der geistlichen Ecclesia durdi die körperschaftliche
Kirche zu einem Nebeneinander und einer Vertauschung des
Tones abgeschwächt. Von den Erklärungen des Gebetes ,für.' die
Heiligen (S. 235) ist die dritte, ,daß Gott um ihretwillen und auf
ihre Fürsprache hin uns gnädig sei', doch recht unwahrscheinlich
, da damit die Abzielung des rnio fast umgekehrt wird.
München.__Hugo Koch.

Herwegen, Abt Ildefons: Der heilige Benedikt. Ein Charakterbild
, gezeichnet v. H. 3. Auflage. Düsseldorf: L. Schwann 1926.
(IX, 165 S. m. Abb.) 8°. geb. Rm. 8—.

Die erste Auflage (erschienen 1917) habe ich in
dieser Ztschr. 1919, Sp. 8, die zweite (1919) im Jahrg.
1920, Sp. 151 kurz angezeigt. Die vorliegende dritte
Auflage greift zur schönen Ausstattung der ersten zurück
, während sie von der zweiten die Anmerkungen
beibehält und vermehrt. Inzwischen hat der Bonner
kath. Kirchenhistoriker Schrörs die Grundlagen des
Buches angegriffen, indem er darzutun suchte, daß weder
aus der Regel Benedikts, noch aus dem II. Buch der
Dialoge Gregors I. die Wesensart des Mönchsvaters gezeichnet
werden könne (Z. f. kath. Theol. 1921, S. 169
bis 207). Seine Ausführungen haben in benediktinischen
Kreisen lebhaften Widerspruch geweckt. Am eingehendsten
ist ihnen St. Hilpisch in der Z. f. kath. Th.
1925, Sp. 358—386 entgegengetreten, und zwar, wie ich
glaube, bezüglich der Regula mit gutem Rechte. Diese
ist nicht, wie Schrörs meint, eine Sammlung unpersönlicher
Gebote und Verbote, sondern zeigt bei aller Benützung
anderer Mönchslehren in ihrer ganzen Haltung,
in der Auswahl und Anordnung, die sie trifft, in den
allgemeinen Grundsätzen, den Erwägungen und Begründungen
, die sie beifügt, in den Beobachtungen und
Lebenserfahrungen, die sie einfließen läßt, ja selbst in
gelegentlichen Gemütswallungen die Züge einer Persönlichkeit
, die mit der nötigen Vorsicht doch wohl zu
einem Charakterbild Benedikts zusammengefügt werden
können. Die Gefahr, daß dabei zuviel aus der Regel
herausgeholt wird, ist natürlich da, und sie ist bei
einem Benediktiner, der mit dieser Regel ganz verwurzelt
und verwachsen lebt, wohl größer als bei
einem Außenseiter. Die Art und Weise aber, wie Herwegen
die Erzählungen Gregors verwertet, habe ich in
den früheren Anzeigen ebenfalls beanstandet, und in
diesem Punkte ist es auch Hilpisch nicht gelungen, die
Einwände von Schrörs zu entkräften. Die beiderseitigen
Auseinandersetzungen sind methodologisch sehr lehrreich,
und der Gegenstand eignete sich vortrefflich für Seminarübungen
. Die Anschauungen Hilpischs sind vom
katholischen Standpunkt aus folgerichtiger. Die Darlegungen
von Schrörs über die Dialoge sind wissenschaftlich
durchaus richtig, aber er müßte mit ihnen
beispielsweise vor den Evangelien Halt machen, obwohl
sie bei ihnen mindestens ebenso zutreffen. Aus diesem
Gefühl heraus wohl erinnerten sie Abt Butler (Bene-
dictine Monachisme 1924, S. 162) an die .Tage der

alten Tübinger Schule'. — S. 151 A. 7 kommt Herwegen
auch auf die Bußstufen zu sprechen, deren Vorhandensein
im Abendland ich mit Funk bestritten habe.
Er führt eine Stelle aus Ambrosius an, die ich mir inzwischen
auch angemerkt hatte. De paen. II, 7, 54
(Migne PL. 16,510) deutet nämlich der Kirchenvater den
Vorgang beim Grabe des Lazarus auf den büßenden
Sünder und die Frage Jesu ,ubi posuistis cum?' (Joh.
11, 34) erklärt er: ,in quo reorum statu est, in quo paeni-
tentium ordine?' Das scheint allerdings auf Bußklassen
hinzuweisen, fällt aber damit aus dem Bilde des Bußwesens
, das wir sonst aus Ambrosius gewinnen, heraus.
Da es sich um eine Allegorese handelt, ist sehr zu erwägen
, ob Ambrosius hier nicht einer griechischen
Quelle unbedachtsam gefolgt ist, wie ja später auch
griechische Bußkanones unverstanden herübergenommen
wurden. Aus S. 161 A. 16 erfahren wir, daß Herwegen
in der englischen Zeitschrift ,Tablet' wegen seiner Zeichnung
des Königs Totila .nationalistische Tendenz' vorgeworfen
wurde. Er .brauche wohl nicht zu versichern',
bemerkt er dazu, daß ihm jeder nationalistische Gedanke
ferne liege' und er einfach ,den Gotenkönig so
schildere, wie er der unbefangenen Forschung erscheint'.
.Nationalismus' ist eben bei den Deutschen Ketzerei, bei
den andern Völkern je für ihre Nation heroische Tugend.
München. Hugo Koch.

Grabmann, Prof. Dr. Martin: Thomas von Aquln. Eine Einführung
in seine Persönlichkeit und Gedankenwelt. 5„ vom Vcrf
verb. Aufl. München: J. Kösel & F. Pustet 1926. (VIII, 172 S.)
kl. 8°. = Sammlung Kösel, Bd. 60. geb. Rm. 2—.

Die Tatsache, daß das vorliegende Büchlein seit seinem erstmaligen
Erscheinen im Jahr 1912 bereits 5 Auflagen erlebte und
schon in eine ganze Reihe fremder Sprachen übersetzt wurde, zeugt
von seiner Beliebtheit. Es zeichnet sich aus durch wissenschaftliche
Gründlichkeit, übersichtliche Gliederung, knappe und gemeinverständliche
Darstellung.

Im 1. Teil berichtet der Verfasser in anschaulicher Weise über
den Lebensgang des Aquinaten, gibt eine Ubersicht über seine Werke,
skizziert seine wissenschaftliche Individualität, bespricht die Quellen
seiner Lehre und schildert den Kampf und Sieg derselben in der Geschichte
der Scholastik.

Der 2. Teil enthält die Darstellung des thomist. Systems. Und
zwar behandelt Grabmann hauptsächlich die Philosophie (Erkenntnislehre
, philos. Gotteslehre, Psychologie, Ethik und Gesellschafts-
lehre) des hl. Thomas.

Die Berichterstattung ist durchaus objektiv und fortlaufend mit
j Belegstellen versehen. Vielfach läßt der Verf. Thomas selbst reden.
! Seine Theorien werden stets in Beziehung gesetzt zu denen seiner Zeitgenossen
und Vorgänger. Besonderer Nachdruck ist gelegt auf alle
I diejenigen Lehren, durch die sich der A r i s t o te 1 i k e r Thomas von
den Vertretern der platonisch-augustinisehen Schule unter-
I scheidet.

Grabmann hat sowohl in der Darstellung des Lebens als in der-
t jenigen der Lehre des Aquinaten überall die neuesten Funde und
Forschungsergebnisse berücksichtigt. Daher ist in der neuen Auflage,
] besonders im biographischen Teil, aber auch sonst (z. B. S. 53, 75,
i 77, 122, 157) Einiges geändert.

Wir können dem Verfasser, der uns schon so manche wertvolle
Arbeit über Thomas geschenkt hat, nur danken für diese vortreffliche
Einführung in seine Persönlichkeit und Gedankenwelt. Möge er uns
bald ausführlicher über die wissenschaftliche Arbeitsweise des Aquinaten
berichten: in dem längst erwarteten 3. Band seiner „Geschichte
der scholastischen Methode"!

Rinderfeld b. Mergentheim (Württ) Walter Be t z e n d ö r f e r.

W e 1 n h a n d I, Priv.-Doz. Ferdinand: Meister Eckehart im Quellpunkt
seiner Lehre. Zwei Beiträge zur Mystik Meister Eckeharts.
2., verm. Aufl. Erfurt: K. Stenger 1926. (52 S.) 8°. = Weisheit
u. Tat, H. 7. Rm. 2.40.

Der erste dieser zwei Beiträge ist die zweite wenig veränderte
Auflage einer Abhandlung „Meister Eckehart im Quellpunkt
seiner Lehre", die W. erstmalig als 11. Beiheft der „Beiträge
zur Philosophie des deutschen Idealismus" (Erfurt 1923) hat erscheinen
lassen, der zweite die erweiterte u. z. T. geänderte Wiedergabe eines
Vortrags „Die Mystik Meister Eckeharts im Lichte seiner Rechtfertigungsschrift
", den W. in der Ortsgruppe der Kantgesellschaft in
Kiel am 19. Juni 1925 gehalten hat. Hier wird zum ersten Male der
Versuch gemacht, die lateinische Rechtfertigungsschrift, die Ecke-
hart am 26. Sept. 1326 der vom Erzbischof von Köln eingesetzten
Inquisitionskommission vorlegte (herausgeg. von Augustinus Daniels
in Bäumkers Beiträgen zur Geschichte der Philosophie des Mittel-