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Ausgabe:

1926 Nr. 21

Spalte:

514-515

Autor/Hrsg.:

Dubnow, Simon

Titel/Untertitel:

Weltgeschichte des jüdischen Volkes. Von seinen Uranfängen bis zur Gegenwart. In 10 Bdn. Bd. 1: Die älteste Geschichte des jüdischen Volkes 1926

Rezensent:

Beer, Georg

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513

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 21.

514

Kambyses nebeneinander als Könige nennen (vgl. Praäek, Oesch. d.
Meder u. Perser I 2321 2432), und seine Einsetzung berichten die
letzten lesbaren Zeilen der Nabonid-Kyros-Chronik III 25 f. (vgl. S.
Smith, Babylonian Historical Texts 105 f.) Wenn man überhaupt
,,Darius den Meder", der „die Königsherrschaft empfängt" (6, 1) und
„als König über die Chaldäer eingesetzt wird" (9,1) in der Geschichte
wiederfinden will, so ist Kambyses mit seinem wenn auch nur kurzlebigen
Unterkönigtum dafür fraglos viel geeigneter als der Statthalter
Gobryas. Die Gleichung ist auch tatsächlich mehrfach ausgesproclien
worden, Winckler KAT3 S. 288, Praäek I 280», Boutflower, In
and around the Book of Daniel 145 ff. Stimmen tut es freilich auch
hier nicht. Denn Kambyses ist nicht Darius, und Kambyses ist auch
kein Perser, wenn schon Ktesias — aber im Widerspruch mit Hero-
dot III 2! — ihm eine medische Mutter gibt. „Darius der Meder"
bleibt eben eine apokryphe Gestalt, die wohl einzelne Züge von Kambyses
und Darius Hystaspes trägt, aber als Ganzes das Erzeugnis
einer noch ärgeren Konfusion ist als der „König" Belsazar. — Und
noch etwas, was der G.-Hypothese vollends den Hals bricht. An
jenem Passus der Nahonid-Kyros-Chronik mullte schon immer auffallen
, daß der Statthalter von Gutium und Eroberer von Babylon
Ugbaru heißt (III 15), der neu eingesetzte Statthalter von Babylon aber
Gubaru (III 20). Schwenzner ging auf diese Schwierigkeit nicht ein und
konnte ihre Lösung damals auch noch nicht kennen. Die Neuherausgabe
jenes Textes durch S. Smith ergab nämlich, daß der III 22 erwähnte
11. Marcheschwan das Todesdatum des Ugharu ist, der somit
kurz nach seiner Waffentat starb (vgl. S. Smith 104 f. 121 f.). Im
Gobryas des Xenophon sind dann diese beiden grundverschiedenen, in
Namen, Rolle und Zeit aber einander doch recht ähnlichen Gestalten
in eine zusammengeflossen, und diese Romanfigur wirkt noch bei
Schwenzner und Thilo nach.

Schließlich zeigt sich bei Th. gelegentlich auch ungenügende
Kenntnis hebräischen Sprachgebrauchs. Den Widerspruch zwischen
II. Reg. 24, 1 ff. und II. Chr. 36, 6 beseitigt er mit der Bemerkung,
die Chronik rede nur von der Absicht einer Wegführung. Wie in
ZAW 1926, 55 gegen J. Lewy, so muß ich auch Hl. gegenüber feststellen
, daß nach hebräischem Stil solche Infinitivsätze nicht bloß die
Absicht ausdrücken, sondern auch ihre Ausführung (vgl. II. Reg. 23, 4
Jer. 39, 14 II. Chr. 29, 16), sofern nicht das Gegenteil ausdrücklich
gesagt ist, wie z. B. Ex. 8, 14. Daß die Chronik tatsächlich eine
Deponierung des Königs annimmt, ergibt sich ja auch daraus, daß
sie die in II. Reg. 24, 6 gebotene Angabe über das Begräbnis wegläßt
. — Das we'en 16 9,26 übersetzt Th. „und keiner ist für ihn da",
was bedeuten soll: er hatte keinen legitimen Nachfolger (S. 8). Die
Konkordanz hätte ihm zeigen können, daß bei 'en ein Beziehungswort
vorangehen oder folgen muß. Ich kenne eine einzige Ausnahme:
we'im 'en 16 „und wenn er nichts hat" Ex. 22, 2, und selbst in diesem
Fall steht ja meist ein me'ümä dabei (I. Reg. 18, 13 Jer. 39, 10
Qoh. 5, 13). Mag aber auch ein „etwas" allenfalls fehlen, so doch
kein „jemand", am allerwenigsten ein so bestimmter Begriff wie hier,
der ein ben o. ä. erforderte. — Irreführend ist es ferner, wenn Th.
10,21 als „teilweise aramäisch" bezeichnet (S. 28). räsüm und
ketäb sind wohl Aramaismen, wie sie aber in den letzten Kapiteln
auch sonst vorkommen.

Marburg. W. Baumgartner.

Baumgartner, Prof. Dr. theo], et phil. Walter: Das Buch Daniel.

Gießen: A. Töpelmann 1926. (40 S.) 8°. = Aus d. Welt d. Religion.
Alttestamentl. Reihe, H. 1. Rm. 1—.

Das Heft ist das erste einer neuen Reihe der Sammlung
„Aus der Welt der Religion" und ein Abdruck einer
Artikelreihe der „Christlichen Welt, 1925". Danach bestimmt
sich sein Zweck und der Maßstab, an dem es
gemessen sein will, doch nicht ganz einheitlich. Für den
Leserkreis der Christi. Welt dürfte es eine recht willkommene
und ausreichende Orientierung über die moderne
wissenschaftliche Auffassung des Buches Daniel
gewesen sein; für den Kreis der Pfarrer und Religions-
iehrer hätte ich doch etwas mehr gewünscht, als das
Heftchen bietet, insbesondere über das Menschensohnpro-
blem, das der Verf. absichtlich nur gestreift, nicht behandelt
hat. In manchen Punkten hätte ich etwas schärfere
Exaktheit gewünscht. Der Verf. trägt natürlich auch
die These vor, daß in den am Schluß des Buches
stehenden Zahlangaben Korrekturen der je vorausgehenden
Zahlen zu sehen seien. Ich möchte dem
gegenüber erneut darauf aufmerksam machen, daß diese
Zahlen nicht alle den gleichen Termin meinen (Wiederweihe
des Tempels, für den Verf. bereits der Vergangenheit
angehörend, Beginn der Endentscheidungen, Beginn
der Heilszeit); der Ausgangspunkt aber der Rechnung
darf nicht der 25. (15.) Kislew (übrigens nicht =

25. Dezember) 168 sein, sondern der uns nicht genau
bekannte, doch nach 1. Makk. 1, 44 ff. vgl. mit 1, 54
etwas vor dem 25. Kislew anzusetzende Termin der
Aufhebung des Tamid.

Breslau. c. Steuernagel.

Dubnow, Simon. Weltgeschichte des jüdischen Volkes. Von

seinen Uranfängen bis zur Gegenwart. In 10 Bdn. Bd. I: Die
älteste Geschichte des jüdischen Volkes. Orientalische Periode.
Von der Entstehung d. Volkes Israel bis z. Ende der persischen
Herrschaft in Judäa. Autorisierte Obers, aus d. Russischen v. A.
Steinberg. Berlin: Jüdischer VIg. 1925. (XXXI, 486 S.) gr. 8°.

geb. Rm. 15—; Subskr.-Pr. 12—.
Dubno w's auf 10 Bände angelegte „Weltgeschichte
des jüd. Volkes" ist ein modernes Seitenstück zu der
11 bändigen Graetz'schen „Geschichte der Juden von
den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart" 1853 ff. —
wie dieses Werk ein Beispiel erstaunlichen jüdischen
Fleißes und beachtenswerter Gelehrsamkeit. Die Veröffentlichung
geschieht gleichzeitig in russischer, deutscher
und hebräischer Sprache. Wie der Verf. in dem
Vorwort zur deutschen Ausgabe berichtet, ist der Plan
zu dem großen Unternehmen aus kleinen Anfängen
gereift. S. XIII versucht D. den ungewöhnlichen Titel
„Weltgeschichte" des Jüd. Volkes damit zu rechtfertigen,
daß Israel „seine eigene Weltgeschichte im buchstäblichen
Sinne des Wortes besitzt: umfaßt sie doch die ganze
Kulturwelt in ihrer nahezu gesamten räumlichen Ausdehnung
.. sowie das geschichtliche Dasein der Menschheit
in seinem ganzen zeitlichen Verlauf" — trotzdem
bleibt der Titel „Weltgeschichte" des Jüd. Volkes rekla-
mehaft, „Geschichte" des Jüd. Volkes würde vollständig
genügen. Interessanter ist der neben Weltgeschichte stehende
Genitiv „des jüdischen Volkes". Obwohl es deutsche
, englische, russische, amerikanische Juden usw.
gibt, bilden sie doch nach unserem Verf. zusammen das
jüdische Volk, oder das Judentum, das „mit dem stark
ausgeprägten Charakter einer Nation, nicht nur als eine
religiöse Gemeinschaft unter anderen Nationen" (S. XV)
auftritt. Rasse und Religion fallen also nach D. im
Begriff des Judentums zusammen.

Dementsprechend ist der Gegenstand des ganzen
Werkes D.'s das Jüdische Volk oder „die nationale Individualität
, ihre Entstehung, ihr Wachstum und ihr Kampf
ums Dasein" (S. XVI).

Der Gesamtstoff wird S. XXIII ff. in großzügiger
Weise nach national-gesellschaftlichen Gesichtspunkten
in 2 Hauptperioden geteilt: 1) die orientalische, 2) die
occidentalische Periode. Innerhalb der Orient. Periode
unterscheidet D. wieder a) die Epoche des rein orientalischen
Milieu bis 332 v. Chr., b) die Epoche der gemischt
orient.-westlichen und der griech.-römischen Herrschaft
(incl. der Hasmonäerzeit) bis 70 n. Chr., c) die
Epoche der zwei Hegemonien: des römisch-byzantinischen
Palästina und persisch - arabischen Babylonien.
Das 11. Jahrhundert (Das Zeitalter der Kreuzzüge)
bildet die Scheide zwischen den 2 Hauptperioden. In
dem vorliegenden 1. Band nun, der die Geschichte Israels
von seiner Entstehung bis zum Ende der pers. Herrschaft
in Judäa behandelt, ist der Stoff geschickt in
5 Bücher zerlegt: 1) Die Entstehung des Volkes Israel
20.—11. Jahrb., 2) das vereinigte Königreich unter
Saul, David und Salomo 1030—930, 3) die Periode Tier
2 Reiche 930—720, 4) das Reich Juda unter assyr. und
babyl. Oberhoheit 720—586, 5) das babylon. Exil und
die persische Herrschaft 586—332. Buch 2—5 wird
durch je einen § „Allgemeine Übersicht" eingeleitet.

Um den Standpunkt des 1. Bandes kurz zu charakterisieren
: der Verf. weiß sich dankbar abhängig von
Wellhausen und Kittel (S. XXIX) und sucht im
Geist des Letzteren der Tradition mit den „Ergebnissen"
der Archäologie zu helfen (S. 454 f.). Charakteristisch
ist in dieser Hinsicht der Versuch, Gen. 14 zum chronologischen
Ausgangspunkt der Geschichte Israels zu machen
(S. 456—9).