Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1926 Nr. 15

Spalte:

393-395

Autor/Hrsg.:

Kugler, Franz Xaver

Titel/Untertitel:

Von Moses bis Paulus. Forschungen zur Geschichte Israels 1926

Rezensent:

Kittel, Rudolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

398

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 15.

394

tion, wenigstens was das Literarische angeht, nicht
für zutreffend. Auch ihm ist unser Deut, nicht, wie
es die Tradition will, ein Buch von Mose, sondern er
scheidet aus ihm eine Fülle später und ganz später Zutaten
aus. Aber dem Geschichtsbild der Tradition traut
er doch, und er richtet nun sein Augenmerk auf die
Teile der Quellen, die die.s Geschichtsbild stützen
können, die anderen werden als nebensächlich behandelt.
Die dadurch bedingte Verkürzung des Materials soll
durch jene allgemeinen Erwägungen und Analogie-
Schlüsse ausgeglichen werden. Nun bedarf das, nur
den altt. Quellen entnommene, Geschichtsbild dringend
der belebenden Ergänzung durch realkritische Erwägungen
allgemeiner Art und durch Analogie-Schlüsse,
aber die Entscheidung darüber, ob das Geschichtsbild
der Kritik oder das der Tradition mehr Vertrauen verdient
, wird doch von den alten Quellen aus gefällt werden
müssen, und hier ist des Verf. Position zweifellos
schwächer als die seiner Gegner.

Halle a. S. Otto Eißfeldt.

Kugler, Franz Xaver, S. J.: Von Moses bis Paulus. Forschungen
zur Geschichte Israels. Nach biblischen und profan-gcschichtl.,
insbesondere neuen keilschriftl. Quellen. Münster i. W.: Aschendorff
1922. (XVII, 535 S.) 4°. Rm. 28—; geb. 33—.
Dieses Buch ist erschienen 1922, geschrieben, wie
aus dem Vorwort hervorgeht, zum Teil erheblich früher.
Wer es heute bespricht — mir ist es erst im Dezember
1925 zugegangen —, muß im Auge behalten, daß auf
manchen Gebieten, die der Verf. bearbeitet, die Untersuchung
inzwischen nicht gerastet hat. Da und dort
sind neue Fragestellungen aufgetreten. Ich erinnere zum
Deuteron, nur an Hölscher und Östreicher und alles
was inzwischen für und wider diese beiden gesagt ist,
zu den Makkabäern an Willrichs Urkundenfälschungen
und Kolbes jüngste Schrift. Mehrfach wird daher die
Frage nicht so zu stellen sein: haben Kuglers Ausführungen
heute noch überzeugende Kraft?, sondern:
konnten sie 1922 nach dem damaligen Stand der gelehrten
Forschung als zwingend anerkannt werden?
Natürlich trifft diese Bemerkung nicht das ganze Kugler-
sche Werk. Die 534 Seiten größten Oktavformates mit
ihren fast l1/« Jahrtausende umfassenden Stoffen bieten
selbstverständlich auch eine Menge von Untersuchungen,
bei denen die Forschung nicht mit so raschen Schritten
weiterarbeitete wie in den genannten Fällen. Um dem
Leser einen Einblick in den Reichtum des Werkes zu
geben, nenne ich die Hauptthemen: 1. Einrichtung des
altisrael. und Technik des spätbibl. Kalenders (1—35);
2. Zum Alter der wichtigsten bürgerlichen und kultischen
Gesetzesbestimmungen des Pentateuch insbesondere
des P.C. (— 125); 3. Die Chronologie der
Könige von Juda und Israel und die Daten Ezechiels
(— 200); 4. Die Hauptfragen der Bücher Esra und
Nehemia (— 233); 5. Zur Glaubwürdigkeit der Chronik
(— 300); 6. Zur Geschichte und Chronologie der
Seleukiden und Parther, insbes. nach neuen keilinschr.
Quellen (— 344); 7. Chronologische und histor. Beziehungen
zwischen den beiden Makkabäerbüchern
(— 414); 8. Daten der Erober. Jerusalems durch Pom-
pejus, Herodes und Sosius (— 422); 9. Die Reise
Pauli von Philippi nach Jerusalem und seine Gefangennahme
(— 458); 10. Chronologie im Jüd. Krieg des
Flav. Josephus (— 496). 11 Nachträge. Es ist ebenso
durch den einer Besprechung zustehenden Raum wie
durch die mir zur Verfügung stehende Sachkunde ausgeschlossen
, hier jede dieser zum Teil recht umfänglichen
Untersuchungen einer Würdigung zu unterziehen.
So beschränke ich mich auf einige wenige, die mir für
die Eigenart und die Arbeitsweise des Verf. besonders
charakteristisch scheinen.

So mag den Leser interessieren, wie K. das Thema
„Einzigkeit der Opferstätte" behandelt (S. 52 ff.). Das
Bundesbuch denkt in Ex. 23, 14—19 (34, 23—36) mit
der Forderung, daß man 3 mal im Jahr vor Jahwe erscheinen
solle, „an ein bestimmtes Zentralheiligtum, zu
dem man von allen Seiten herbeiströmte". Dem widerspricht
das Altargesetz in Ex. 20, 24—26 nur scheinbar
. Dort ist keineswegs die „Vielheit der Altäre und
Opferstätten gesetzlich sanktioniert". Freilich die Deutung
van Hoonackers, daß es sich um „Privataltäre für
Laienopfer zwecks der Hausschlachtung" handle, lehnt
K. ab. Eine solche „gleichzeitige Vielheit der Kultstätten
hätte die Einheit und Reinheit des Kultus in kurzer Zeit
zerstört" (55). Vielmehr bezieht Ex. 20, 24 sich auf das
eine gesetzliche Heiligtum, an dem bei den großen
Jahresfesten der eine eherne Altar nicht genügte, sondern
durch zahlreiche Hilfsaltäre (vgl. 1. Reg. 8, 64)
ergänzt wurde. Die LA mpDn ist daher zu belassen

und zu deuten „im ganzen Bereich des Heiligtums" (59).
Eine Art Ergänzung hierzu bietet K. S. 88 ff., wo er vom
Kultus der nachmosaischen Zeit handelt. In der Tat
muß hier die Theorie die Probe der Richtigkeit bestehen
. Die Handlung Gideons in Rieht. 6, 11—27 ist
kein Opfer. „Auch die Wahl seiner mincha war nur
ein Versuch" (91). Freilich kann befremden, daß Gid.
Jahwe einen Altar errichtet. Aber es handelt sich in
Wahrheit nur um ein „Denkmal der Offenbarung und
Hilfe des Herrn" (91). Leider vergißt K. zu melden,

wieso ein solcherDenkstein |"DTD — Schlachtort heißen
konnte. Auch das „Opfer" Samuels in Rama ist gar kein
solches, sondern eine profane Schlachtung (99). Daß
er dort 1. Sam. 7, 17 einen Altar errichtet, tut

nichts zur Sache, denn es „läßt sich nicht beweisen, daß
er Opferzwecken diente". — In eine eingehende Kritik
dieser Aufstellungen möchte ich nicht eingehen. Es
genüge der Verweis auf meine unlängst erschienenen
„Gestalten und Gedanken in Israel" Leipz. 1926, S. 511.
512. Gesundes ist mit Ungesundem gepaart. Zum letzteren
rechne ich die gewaltsame Mißachtung der Bedeutung
von rOTD- Könnte K. sich entschließen, einer
vorgefaßten Meinung zuliebe nicht den klaren Tatsachen
Gewalt anzutun, so wäre seine oft ganz gesunde Kritik
an herrschenden Theorien viel wirksamer.

Das gilt in fast noch höherem Maße bei einem andern
Beispiel. K. hat sich vorgenommen zu beweisen,
daß die vielfach am Buch der Chronik geübte Kritik
im Irrtum sei und dessen Übereinstimmung mit Samuel
und Könige außer Zweifel stehe. Eine richtige Sisyphusarbeit
, die K. mit höchst achtbarer Ausdauer und
namhaftem Scharfsinn unternimmt. Aber auch hier kann
nur ein starker Mangel an offenem Sinn für die klaren
Tatsachen über die Gewalttätigkeit seines Verfahrens
wegtäuschen. 2. Sam. 24, 1: „Und abermal entbrannte

der Zorn Jahves gegen Israel, und er reizte riD1) David

V T ~

wider sie an, indem er sprach: Geh hin und zähle Israel
und Juda." Kann das Anreizen von Jahve ausgesagt werden
? Sicher nicht. „Er setzt den Menschen lediglich

der Anreizung zur sündigen Tat aus (das soll nD,l
heißen!), führt ihn in Versuchung", wozu Jac. 1,13ff.
zitiert wird. Aber eine rechte Freude hat K. an diesem
Eiertanz selbst nicht, und so zieht er vor zu übersetzen
„und man reizte".... Damit ist er aller Not enthoben
und ist der Weg frei für 1. Chr. 21, 1, wo bekanntlich
der Satan anreizt. „Allein man muß sich da doch die
Frage stellen: wird es einem alttest. Leser wirklich eingefallen
sein, jenem Wort einen solchen modifizierten
Sinn unterzulegen?" (242.) Das sind Worte Kuglers
selbst, mit denen er seine erste Deutung zurückweist.
Hat er nicht bemerkt, daß sie für die zweite ebenso
gelten? — Gegen die Auffassung der Chronik nennt
2. Sam. 20, 25 f. neben Zadok und Abjatar auch (Dj))

Ira den Jairiten Priester Davids. Aber „der Zusatz
-pHT1- zeigt an", daß jrp hier „nicht im religiösen,