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Ausgabe: | 1926 |
Spalte: | 370-371 |
Autor/Hrsg.: | Wenck, Karl |
Titel/Untertitel: | Johann von Göttingen. Arzt, Bischof und Politiker zur Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern 1926 |
Rezensent: | Ficker, Gerhard |
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Die heilige Schrift des Alten Bundes. Nach dem Orundtext
ubersetzt v. Paul Rieß ler. I. Bd.: Geschichtliche Bücher. Mainz:
Matthias-Grünewald-Verl. (Auslieferung H. Rauch, Wiesbaden.)
1924. (XVI, 992 S.) 8°. geb. Rm. 16—.
Auch bei den katholischen Christen Deutschlands mehrt sich
das Bedürfnis, die Bibel für den privaten Gebrauch in deutscher
Obersetzung zu besitzen, vor allem auch der Wunsch nach Obersetzungen
des A. T., bei denen nicht die Vulgata, sondern der hebräische
Urtext zugrundegelegt ist. Denn wenn auch „die Vulgata
für den lateinischen Teil der katholischen Kirche der amtliche
Schrifttext" ist, der für das öffentliche kirchliche Leben gilt, „so
verwirft doch die Kirche in keiner Weise den Urtext". Der katholische
Vertreter des A.T. in Tübingen hat sich die gewaltige Aufgabe
gestellt, das ganze A.T. (einschließlich der Apokryphen) allein
zu übersetzen, und man wird nicht leugnen, daß eine solche Übersetzung
aus einer Hand und aus einem Guß ihre besonderen Vorzüge
hat. R. will Texttreue und Sprachtreue verbinden und den Urtext
möglichst genau, sinngemäß, selbstverständlich unter Verbesserung
offenkundiger Verschen des masoretischen Textes wiedergeben. Den
zuerst zugeschickten 2. Band, der die Weisheitsbücher, Psalmen und
Propheten umfaßt, haben wir schon angezeigt; der vorliegende
1. Band gibt die „geschichtlichen" Bücher (Pentateuch, Josua bis
Nehemia, Tobias, Judit, Ester, 1. 2. Makk.). Im Unterschied vom
2. Band ist hier von der kolometrischen Einteilung der Übersetzung,
„vor allem aus Gründen der Raumersparnis" abgesehen. Kurze Sinnüberschriften
erleichtern das Verständnis; sie sind immer nur den Kapiteln
vorgesetzt. Die erläuternden Anmerkungen sind bei diesem
Band noch viel gedrängter als beim 2.; sie verzeichnen wichtigere
Abweichungen der Vulg. und der Septuag. vom Urtext und geben kurze
Sinnerklärungen und religionsgeschichtliche Parallelen. Für die eigenen
Abweichungen des Verf. vom Urtext gehen diese Anmerkungen keinen
Aufschluß; man wird dafür auf eine spätere Veröffentlichung in der
Fachliteratur verwiesen. Durchgängig bekundet sich die eigenartige
Auffassung des gelehrten Übersetzers; man wird ihr nicht überall
zustimmen, aber immer wieder von ihr angeregt werden.
Tübingen. P- Volz.
Greßmann, Prof. D. Dr. Hugo: Die Aufgaben der Wissenschaft
des nachbiblischen Judentums. Gießen; A. Töpelmann
1925. (32 S.) gr. S°. Rm. -60.
Der Titel, den Greßmann für seinen flott geschriebenen
Aufsatz gewählt hat, ist unglücklich gewählt
. Was soll „nachbiblisches Judentum" heißen?
Aus den Ausführungen Gr.s ergibt sich, daß damit das
Judentum in der Zeit nach Alexander bis zum Aufkommen
des Islam gemeint ist. Ungeschickt ist aber
auch „n a c h biblisch" zu sagen, wenn wir S. 3 hören,
daß dem „nachbiblischen" Judentum u. a. die Sammlung
der heiligen Bücher — d. h. eben zur Bibel! — zu verdanken
ist.
Mit den „Aufgaben" der Wissenschaft des nachbiblischen
(?) Judentums beschäftigen sich eigentlich
nur S. 1—8. Was nun aber hier als „Aufgaben" vorgeführt
wird, geht über Bekanntes kaum hinaus. Denn
daß wir zur Erforschung des Judentums innerhalb des
oben genannten Zeitraums die Pseudepigraphen und
Apokryphen des AT., den Talmud und was drum und
dran hängt und das archäologische Material nötig haben
— wem mußte das noch gesagt werden?
Grundsätzlich neu ist nur die im Anschluß an die
Arbeiten B o 1 1' s und Reitzenstein's von Greßmann
S. 6 gestellte Aufgabe: „das Wesen der astral
gefärbten iranisch-chaldäischen Mischreligion schärfer
als bisher zu erfassen, da sie es gewesen ist, die das
Judentum durch Anregung und Widerspruch aufs tiefste
beeinflußt hat." Als Nebenaufgabe lasse ich das durchaus
gelten — im Ganzen handelt es sich dabei um
Dokumente einer muffigen Gedankenwelt! Auch Greßm.s
Klage über die Unvollkommenheit der bisherigen Textausgaben
von Pseudepigraphen, Mischna u. s. w. ist billig
— für die Bücher des AT. läßt sich die gleiche Klna anstimmen
, und doch blüht hier — obwohl wir bekanntlich
keine kritische Ausgabe der hebräischen Bibel und der
LXX besitzen — eine überreiche Übersetzungs- und Kommentarliteratur
, an der Greßmann selbst lebhaft beteiligt
ist! Die nach Gr.s Andeutungen S. 6ff. zu erwartenden
kritischen Neuausgaben sollen uns willkommen sein,
wenn sie wirklich kritisch sind, oder den Text der bisherigen
Editionen wenigstens um 1/100 verbessern! S. 6
unterscheidet Gr. hübsch zwischen dem orthodox rabbi-
nischen und dem heterodox judenheidnischen und judenchristlichen
Arm innerhalb der „nachbiblischen (?)"
Literatur des Judentums. Gr. umschreibt die Aufgaben
der Wissenschaft des nachbibl. Judentums nur als Theologe
— vom allgemein kulturgeschichtlichen Standpunkt
aus ließen sich noch andre Aufgaben nennen. Will
man das theologische Interesse betonen, so wäre m. E.
eine der wichtigsten Aufgaben für die Erforschung
des Hauptstromes oder des orthodox-rabbinischen Judentums
(da wir für die Mischna Ausgaben und Kommentare
fast mehr als genug besitzen) eine energische Inangriffnahme
des Toseftaproblems. Eine andere Hauptaufgabe
wäre z. B. die Frage: Wieweit ist die Gesetzesentwicklung
der Mischna genuinjüdisch? Wie viel hat
die fremde Umgebung mitgewirkt? Wie viel hat die
jüdische Legislation auf andre Kreise eingewirkt?
S. 9—32 zeigt Gr. an Beispielen, wie sehr das
halbgläubige Judentum von den synkretistischen Religionen
des Heidentums beeinflußt worden ist und vice
versa sie selbst beeinflußt hat. Näher verbreitet sich hier
Gr. — reichste Proben seiner großen Belesenheit und
Gelehrsamkeit ausstreuend — über Jao und die Zauberreligion
, Jahwes Gleichsetzung mit Dionysos und Saba-
zios, das Astraljudentum (ein seltsames!), die mandäische
Religion, die Öden Salomos, Manichäismus und Islam.
Der Abschnitt über die Patenschaft des Judentums
bei der Geburt des Islam freilich ist knapp. Die Ausführungen
S. Off. habe ich mit vielem Nutzen
gelesen. Daß sie nicht recht zum Thema gehören,
war schon gesagt. Das eigentliche Thema ist viel zu
knapp behandelt. Man vermißt die Einfühlung in die
aktuellen Forderungen der in Rede stehenden Wissenschaft
. Bloße Liebhabereien für Nebendinge dürfen von
der Hauptsache nicht ablenken.
Heidelberg. G. Beer.
Wenck, K.: Die römischen Päpste zwischen Alexander III.
und Innocenz III. und der Designationsversuch Weihnachten 1197.
Sonderabdruck aus: Papsttum und Kaisertum. Forschungen zur politischen
Geschichte und Geisteskultur des Mittelalters. München:
Münchner Drucke 1926. 8°. (S. 415—474).
Ders., Johann von Göttingen. Arzt, Bischof und Politiker zur
Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern. Sonderabdruck aus: Archiv für Geschichte
der Medizin, 17. Bd., 4. Heft. Leipzig: J. A. Barth 1925.
gr. 8°. (S. 141—156).
Diese beiden Arbeiten des um die Kirchengeschichte
so hochverdienten Marburger Historikers müssen besonders
besprochen werden, weil sie es nicht verdienen,
dem Schicksale so vieler in Zeitschriften und Sammelwerken
vergrabener Arbeiten anheimzufallen. Sie sind
beide ungewöhnlich fördernd, bringen bisher unbeachtetes
Material zu voller Geltung und rücken schon verwertetes
Material in neue Beleuchtung.
In der ersten Arbeit hat es W. mit der Zeit vom
Siege Alexanders III. über Kaiser Friedrich I. bis zum
Regierungsantritt Innocenz' III. zu tun und zeigt, wie sie
eine zwanzigjährige Epoche des Niedergangs der Kurie
mit starker Einbuße ihrer Macht, mit drückender Verarmung
, mit peinlicher Minderung ihrer sittlichen Autorität
gewesen sei, anstatt eines fortgesetzten Kampfes um
die letzte Entscheidung im Ringen um die Herrschaft
über Italien, anstatt einer führenden Stellung im Kampf
um den Besitz des heiligen Landes; wie man sehe, daß
die Richtlinien der kirchlichen Leitung Schwankungen
unterworfen sind und man darum von der bewundernswerten
Einheitlichkeit und Folgerichtigkeit der päpstlichen
Politik nicht reden dürfe, wie diese vielmehr dem
Einflüsse von Körperschaften unterlegen sei, die ihre für
das Wohl der Christenheit durchaus nicht in erster
Linie maßgebenden Interessen durch den Vertreter der
apostolischen Vollgewalt zu verwirklichen suchen. So
werden Forschungen zur Geschichte der Stadt Rom, des
Cardinalkollegs, der Beziehungen zu den italienischen
Mächten und zu Frankreich geboten und ihr Einfluß auf
die päpstliche Politik im Einzelnen dargelegt. Hier