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Ausgabe:

1926

Spalte:

225-226

Autor/Hrsg.:

Dubois, H.

Titel/Untertitel:

De Kant à Ritschl. Un siècle d’histoire de la pensee chrétienne 1926

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Seite 1

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226

„Faust"). Sittlichts Streben und kosmische Hingabe berühren sich
in Goethes Gemeinschaftsidee, wie sie am schönsten und gerade mit
ihrer religiösen Note in dem Fragment der „Geheimnisse" zur Darstellung
kommt. Der Abschluß von N.'s Arbeit ist dem Nachweis
gewidmet, wie diese Idee in diejenige der „Erlösung durch die göttliche
Liebe" einmündet (auch hier ist an den „Faust" zu erinnern),
womit Goethe „in der Tat aus dem Bereich der dichterischen Erlcb-
nissymbole in den Bezirk ganz tinanschaulicher Glaubensattssagcn hin-
ühergleitet".

N.'S Arbeit verfolgt nicht nur wissenschaftlich-theoretische
Ziele, sie will in ihrer Art der Gegenwart
dienen und kann es besser als alle die Schriften, die
eine unübersteigbare Kluft zwischen Religion und Idealismus
aufzureißen suchen. N. tritt mit seiner Grundtendenz
H. v. Schubert zur Seite. Auch wir sind mit
ihm überzeugt, daß „Goethe kein religiöser Genius
erster Ordnung" war, daß aber „der Weg, auf dem er
zu religiösem Erleben gelangte, die Art, wie er es formte,

tischen Theologie immer zugleich den Gesichtspunkt
festzuhalten, daß er erkenntlich machen müsse, „ob"
eine Theologenschule, ein „neues" System, im Geiste der
Kirche, die ohne das Evangelium nichts ist, es aber zu
hüten sich verpflichtet weiß, gehalten ist, in ihm
wurzelt oder nicht. Ich sehe in der neueren protestantischen
deutschen Theologie nach Schleiermacher bei
Albrecht Ritsehl diese Erkenntnis über die Theologie
zuerst wieder durchdringen, wobei mir
S c h 1 e i e r m a c h e r, (er in gewissem Maße dabei mitbestimmt
durch Kant, den doch Ritsehl tiefer und
völliger verstand),' als Methodiker wie der kaum zu entbehrende
Durchgangspunkt vom Rationalismus
her erscheint. Schleiermacher war vielseitiger, geistreicher
als Ritsehl und doch nur ein Wegbereiter für
diesen, der freilich seinerseits nur als Wegbereiter für
Luther, welcher endlich, endlich selbst gehört werden

die Voraussetzungen, von denen aus er es denkend ver- ; muß, zu bewerten ist d. h. fernerhin Geltung bean

arbeitete, für den Gegenwartsmenschen in hohem Maße j spruchen kann.

typische Bedeutung haben". Vielleicht wäre N. seiner Dubois aeeeptiert im Umriß das Schema, das ich

Aufgabe noch besser gerecht geworden, wenn er Goe- I in meinem Vortrage „Von Schleiermacher zu Ritsehl"

thes Dichtungen noch ausgiebiger herangezogen hätte, j zur Ordnung der vielen Zwischenerscheinungen zeich-

Sie laufen nicht einfach neben den „theoretischen" ; nen zu dürfen meinte. Im einzelnen festzustellen, wie

Äußerungen her, etwa in einer andern Schicht, sondern
sie sprechen letzte Goethische Wahrheiten aus, die er
der andern Form nicht anvertrauen mochte, wie er sehr
genau zwischen Brief und Gespräch zu scheiden wußte.
Wir müssen immer das Ganze seiner Äußerungen zusammenraffen
, um die Substanz seines Wesens wirklich
plastisch werden zu lassen.

Hamburg. Robert Ret seil.

weit er sich gerade mit mir in Bezug auf die Führer und
nachgeordneten Gestalter der systematischen Theologie
des 19. Jahrhunderts trifft, wäre zu anspruchsvoll, als
daß ich es mir gestattete. Er führt in lichtvoller Art,
der icli im einzelnen kaum irgendwo zu widersprechen
brauche, auch wenn ich die Lichter anders aufsetze, zunächst
ausführlich Kant und Schleiermacher, sowie Hegel
vor, dann die drei Schulen nach Schleiermacher und
Hege! bis auf Ritsehl, Männer wie F. Chr. Baur, R.
Dubois, Prof D.H.: De Kant ä Ritschi. Un siecle d'histoire : Rothe, auch Alex. Schweizer und J. T. Beck mit beson-
de ia pensee clirCaiennc. Neuchätel: P. AttinKcr 1025. (III, 115 S.) ; derem Eingehen charakterisierend, aber die Erlanger und
st. s" Memoire* de PUniversit^ de Neuchätel, Tome 4. Fr. ö-. : dje Vermittlungstheologen, vollends D. F. Strauß, her-
Der Verfasser ist Professor der systematischen nach A. E. Biedermann nicht etwa bloß nebenher vor-
1 heologie (in Neuchätel). Das begründet mir, der ich i führend. In voller Breite wird Ritschis Leistung als
von Beruf das gleiche war oder bin, kein Mißtrauen | Historiker so gut wie als Systematiker aufgezeigt. Die
gegen seine Fähigkeit, sich auch als Historiker, in- j Studenten erhalten ein wirklich lebendiges, gutes Bild
Sonderheit als D o g in e n historiker, zu betätigen. Und | von seiner Theologie, freilich mehr wie sie von Kant be-
ich glaube sein Buch, bescheiden an Umfang wie es ist, ; stimmt als von Schleiermacher abstehend, diesen über-
doch als gehaltvoll an Inhalt bezeichnen und deutschen , bietend, genannt werden kann. D. sieht in Ritsehl
Theologen zur sorgsamen Beachtung empfehlen zu ! hauptsächlich den Antimetaphysiker und den

dürfen, vielmehr zu sollen. Es ist ein Ä u s sch n i tt aus
den Vorlesungen, die D. über Dogmengeschichte als
Gesamtdisziplin zu halten pflegt. Glücklich die Stu-

ethisch orientierten Deuter des Christentums. In der
Kürze läßt er erkennen, daß er R. A. Lipsius mit seiner
Betonung der „Einheit" des Denkens (der Zusammen-

denten, die solch klare, ihrer jugendlichen Verständnis- gehörigkeit von Theologie und Philosophie) und des
Einigkeit angepaßte, dennoch nirgends oberflächliche j „mystischen Elements" der christlichen Religion als

Darstellung dieser verwickelten, überreichen Geschichte
„hören" durften. Es ist im Grunde zum Schaden des
gesunden Interesses an der Sache, den Begriff der
Dogmengeschichte einzuengen auf den letztlich doch
bloß „katholischen" Gedanken vom Dogma, sie also
aufhören („ausgehen") zu lassen mit den „Bekenntnissen
" der evangelischen Kirchen. Otto Ritsehl tat
recht, den Begriff wieder (denn die Väter der Disziplin,
zumal Münscher, hatten es auch getan, sie freilich
in unzulänglicher innerer Begründung) auf die Entwicklung
der protestantischen „Theologie" mit auszudehnen.
Die Arbeit der protestantischen Dogmatiker ist nicht
in dem Sinn Privatarbeit, daß sie wie die der Philosophen
rein unter persönlicher Fragestellung stünde;
so ist die „Geschichte" ihrer Arbeit auch nicht abzulösen
von der des Eindringens in die von der
Kirche, d. i. der Christenheit, vertretene
„Offenbarung" Gottes im „Evangelium". Daß der
protestantische Theolog sich berufen erachtet, „un-

den richtigen Kritiker Ritschis betrachte. Aber auf
die Entwicklung der Theologie „nach" Ritsehl will D.
nicht mehr eigens eingehen, deutet nur eben noch hin
auf die da aufgekommene religionsgeschichtliche Schule,
E. Troeltsch als den Führer in ihr, also gewissermaßen
nur mit einem Schilde hinweisend auf eine da be-
schrittene weitere Straße und den neuesten Charakterkopf
. Schade, daß D. seiner Schrift gar keine Kapiteleinteilung
, auch kein Register mitgegeben hat. Er berührt
, soweit ich gesehen, alle irgendwie namhaften
Systeinatiker bis zu Ritsehl irgendwo. Aber zu tun ist's
ihm doch nur um die typischen Gestalten, offenbar bemüht
multum und nicht multa zu bieten. Die „Ritschli-
aner" liegen über den Grenzpunkt hinaus, den er sich
gesetzt; genannt wird immerhin W. Herrmann. In
seiner objektiv sorgfältigen Haltung ist das Buch dankbar
zu begrüßen. Nicht ganz klar wird, weshalb D. bei
Ritsehl aufhört, wieweit er in ihm einen Endpunkt
oder aber Ausgangspunkt einer Entwicklung sieht. Ist

( h r !' S Evangehum auf sich und die einem er ihm wesentlich eine Marke zwischen den Zeiten, so

wirken »?n zustchende Gottes- und Weltanschauung i fragt man unwillkürlich: zwischen welchen ver-

; , f, lf as,cn' begründet noch nicht die Vorstellung, | schiede nen Zeiten? Ist er ihm das Ende etwa des

selbst Vtnhn au Verantwortlichkeit als der vor sich K a n t i a n i s m u s ? Aber wiefern war er fruchtbar für

Kirche dienen u W ? * zu w>*sen , daß er der . die Zukunft? Vielleicht nur in der Ergänzung durch

ist und was für sie i ' f u" 80,1 ™beSrLe,fS.n, was sie , die r e 1 i g i o n s g e s c h i c h 11 i c h e S c h u 1 e ? D. will

Nur da^trifft l „ h sokbe zun? Glauben „gehört". | diese eben nicht mehr schildern - mindestens für dies-

Nur das tnttt L u thers Gedanken von der „Lehre". mal noch nicht

Und in seinem Sinn hat der H i s t o r i k e r der protestan- I Halle a. s F

Kattenbnsch.