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Ausgabe:

1925 Nr. 16

Spalte:

384

Autor/Hrsg.:

Müller, Eugen

Titel/Untertitel:

Evangelische Lebenskunde 1925

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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Seite 1

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383

Theologische Literaturzeitung 1925 Nr. 16.

384

W. an („Rom hat seine eigene Prinzipienlehre"); nur Kirchen zur Kriegsschuldfrage. — Ein sehr wert

kommt diese Gedankenlinie bei ihm nicht zur deutlichen
Auswirkung (auch S. 169f. nicht); man spürt vielmehr
die Neigung durch, auch nach Rom hin die Hand
auszustrecken. Das hat ja auch die „Konferenz für
praktisches Christentum" getan; nur hat Rom abgelehnt,
m. E. zum Glück für die Konferenz und für alle Einheitsbestrebungen
. Daß die morgenländische Kirche sich
in Stockholm beteiligt, wird denen, die wie W. denken,
sehr willkommen sein; auffallend ist aber doch, daß W.
diesen „ökumenischen" Charakter begrüßt, aber dem
Titel seines Buchs hinzufügt: „vom evangelischen Glauben
aus". Auch sonst tritt die grundsätzlich evangelische
Anschauung z. B. in den Darlegungen über Reich
Gottes und Kirche erfreulich deutlich hervor; der ganze
3. Teil behandelt die Frage wirklich „vom evangelischen
Glauben aus". Der am Schluß angefügte Abschnitt über
die evangelische Katholizität (bei der W. zwischen
Söderbloms Losung und Heilers Deutung unterschieden
wissen will) mündet in den Satz, daß sie „wirklich
evangelisch" sein soll. Aber dazu stimmt eben, wie
mir scheint, die ökumenische, dem Prinzip nach alle
Kirchen umfassende Union, wie W. sie will, nicht. Hier
klafft eine Kluft zwischen Grundlagen und Zielen. Es
ist freilich dieselbe Kluft, die auch sonst in der Stellung
der deutschen kirchlichen Öffentlichkeit gegenüber dem
Stockholmer Kongreß zu beobachten ist. Ein Streifband
des Verlags zu Wallaus Buch bezeichnet diesen Kongreß
als das „erste protestantische Weltkonzil",
während er doch die römisch-katholische Kirche eingeladen
hat und die morgenländische in seiner Mitte begrüßen
wird.

Auch in anderer Hinsicht drängt bei W. gelegentlich
das Prinzip die Praxis zurück. ,,Nationale Hemmungen
in der Einigungsarbeit sind zu überwinden. Wir
fordern das von unseren Gegnern ebenso wie von uns":
so W. S. 223. Aber die Wirklichkeit! Man denke an die
evangelischen Kirchen in Polen. Wie sollen die evangelischen
Kirchen der von Deutschland gewaltsam abvolles
Heft.

International eingestellt ist auch die Protestantistische
Rundschau, von der ein Heft vorliegt,
aber sie geht ganz anders vor. Als Vierteljahrsheft des
Internationalen Verbandes zur Verteidigung des Protestantismus
geht sie etwa in derselben Richtung, wie bei
uns der Evangelische Bund; innerhalb des Protestantismus
aber erstrebt auch s i e die Anbahnung eines einheitlichen
Vorgehens.

Breslau. M. S c h i a n.

Müller, Stadtpfarrer Eugen: Evangelische Lebenskunde. Entwürfe
zu religiös-sittlichen Besprechungen in Konfirmandcnunterr.,
Christenlehre, Fortbildungsschule, Jugendverein. Stuttgart: J. F.
Steinkopf 1Q24. (VIII, 257 S.) 8°. geh. Rm. 5—.

Mit großer Freude zeige ich dies treffliche Hilfsbuch für Konfirmandenunterricht
, Christenlehre, Fortbildungsschule und Jugendvereine
an. Es stammt nicht bloß unmittelbar aus der pfarramtlicheu
Praxis, sondern auch — das merkt man auf jeder Seite — von einem
hervorragend tüchtigen Praktiker. Es enthält den Gedankengang von
fast 100 Unterredungen mit der heranwachsenden Jugend, und
zwar in 7 Reihen: 1) der Anfang des Lebens, 2) Kindheit, 3) Jugendzeit
, 4) aus dem Seelenleben, 5) das Ziel des Lebens, 6) Jesus,
7) Unterredungen für den Nachmittag des Konfirmationssonntags.
Als Anhang werden „Begleitstoffe", d. h. Geschichten, Gleichnisse
und Gedichte, für die behandelten Stoffe dargeboten, neben den
mancherlei Literaturhinweisen vielen gewiß wertvoll. In besonderer
Übersicht ist außerdem die Eingliederung in die Reihenfolge des
lutherischen Katechismus kenntlich gemacht.

Das Ganze ist mehr thetisch als apologetisch gehalten, praktisch
, ohne Rücksicht auf theologische Vollständigkeit und systematische
Ordnung. In Darlegungen, die dem Verständnis einfacherer
Zuhörer angepaßt sind, aber auch größeren Ansprüchen genügen,
wird den Jugendlichen für ihr jetziges praktisches Leben gesunde
Kost geboten, und die Wirklichkeit des Lebens vielseitig beleuchtet.
Die Ausführung ist knapp und schlicht, dabei aber überaus anregend
und fruchtbar. .Meisterhaft formuliert und von anziehender
Mannigfaltigkeit sind die Themata der einzelnen Unterredungen.
Man kann den Inhalt dieses Büchleins in der verschiedensten Form
und in der größten Freiheit verwerten, auch leicht in mancher Hinsicht
ergänzen, weiterführen oder umwandeln. Für Pfarrer, Lehrer
und Vereinsleiter ist es ein sehr geschicktes Handwerkszeug. Eingetrennten
Gebiete mit der fanatisch nationalistisch ein- ; zelnes kann leicht berichtigt werden. So ist z. B. die Konfirmation

die z. B. in Frankfurt bis nach 1813 nicht in den Kirchen und noch
bis lange nach 1858 nicht an Sonntagen vorgenommen werden durfte.
Außerdem ist für die evangelische Kirche nicht die Konfirmation, sondern
der Unterricht das Entscheidende und Unerläßliche. Aber abgesehen
von wenigen solchen Kleinigkeiten ist das Gebotene ausgezeichnet
.

Frankfurt a. M. W. Bornemann.

gestellten lutherischen Kirche Altpolens zusammen- j (vgl. S. 72 ff.) bis an die Wende des 18. und 10. Jahrhunderts überkommen
? Prinzipien sind schön, aber hart im Räume all nicht eine öffentliche, sondern eine private Handlung gewesen,
stoßen sich die Sachen. Und das wird überhaupt zu dem
ganzen, nach vielen Richtungen wertvollen, ausgezeichnet
lesbaren Buch zu bemerken sein: die grundsätzlichen
Erwägungen sind stark herausgearbeitet, die tatsächlichen
Hemmungen sind zwar durchaus nicht vergessen
, aber unterschätzt. Aber dazu soll W.s Buch auf
alle Fälle helfen, daß die deutschen evangelischen,
Kirchen sich in den Gesamtprotestantismus und in jede
Arbeit, die ihn zum Ausdruck bringt, kräftig hineinstellen
.

In diesen Zusammenhang gehört auch das von
Siegmund-Schultze herausgegebene Heft, daß die
Vorträge der Stuttgarter Jahresversammlung des Weltbundes
für Freundschaftsarbeit der Kirchen (Deutsche
Vereinigung) bringt. Ich hebe hervor den Vortrag von
J. Schöll über die Einigungsbestrebungen der christlichen
Kirchen, der Für und Wider sorgfältig abwägt
und zu Stockholm eine freundliche Stellung einnimmt.
Er erhofft eine heilsame Wirkung von einem gleichartigen
Vorgehen der Kirchen zur Geltendmachung
christlicher Grundsätze in Gesetzgebung und Verwaltung
der Völker. Diese Äußerung Schöll's ist sehr ernstlich
zu beachten. — Lang behandelt die Einigungsbestrebungen
vom Standpunkte der „Weltkonferenz für Glaube
und Kirchenverfassung" aus. Er stellt sich dieser Konferenz
, obwohl er keine raschen Erfolge erwartet, im
wesentlichen zustimmend gegenüber. Bischof Nuelsen
behandelt die Einheitsbewegung vom Standpunkt der
Freikirchen aus; Schöll hat sich dazu kurz kritisch geäußert
. Reichsgerichtspräsident Simons und Staatspräsident
a. D. v. Hieber besprechen die Stellung der

Soeben erschien:
DAS WIEDER ERSTEHENDE

BABYLON

Die gesamten Ergebnisse der deutschen Ausgrabungen
von Robert Koldewey

4., erweiterte Auflage
In die vorliegende Neuautlage des seit langer Zeit vergriffenen
Werkes hat der Verfasser die bis zum Schluß der Grabung hinzugekommenen
neuen Ergebnisse und Erkenntnisse noch selbst
hineinarbeiten können. Es handelt sich namentlich um den
Palast auf Babil, die Hauptburg des Kasr, wo die archaischen
Statuen gefunden wurden, und den westlichen Teil der Stid-
burg. Was in der ersten Auflage über den babylonischen
Turm gesagt wurde, ist durch die Ausgrabungen berichtigt
worden. Dieses weltbekannte höchste und größte Bauwerk
des Alten Orients ist jetzt erst wirklich wieder erstanden und
ist in Koldeweys überzeugender Ergänzung von packender
und man möchte fast sagen „moderner" Wirkung.
342 Seiten. Mit 271 [7 farb.j Abb. und Plänen.
Ausführlicher Prospekt mit Abbildungen kostenfrei.
M. 25.— ; elegant geb. M. 27.—.

J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung/Leipzig

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 22. August 1925.
Beiliegend Nr. 16 des Bibliographischen Beiblattes.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Bauratgerberstr. 19.
Verlag der J. C. Hinri chs'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.