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Ausgabe:

1924 Nr. 9

Spalte:

172-173

Autor/Hrsg.:

Wilke, Georg

Titel/Untertitel:

Die Religion der Indogermanen in archäologischer Beleuchtung 1924

Rezensent:

Kauffmann, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 9.

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keit erhalten, die vielfach die Problemstellung nicht gefördert
, sondern geradezu beeinträchtigt hat. Der bedeutsame
Wahrheitskern, den der Begriff gleichwohl enthält
, findet am besten in der Forderung Ausdruck, der
religiöse Glaube müsse vor jeder Rationalisierung geschützt
werden, die ihn — direkt oder indirekt — in verstandesmäßige
Erkenntnis umsetzt. Gerade eine solche
Rationalisierung des Glaubens zeigt aber die ganze
Denkweise Sch.'s in beträchtlichem Umfange. Daran
ändert auch der Umstand nichts, daß er sich in anerkennenswerter
Weise bemüht, der hier drohenden Gefahr
vorzubeugen.

In der anderen Hinsicht nenne ich z. B. die von
Sch. ausgegebene Losung: nicht bloßes „Erleben"
Gottes und der Religion; sondern „leben" müsse man
die Religion und Gott, um zu ihrer vollkommenen und
zuverlässigen Erkenntnis zu gelangen. Wenn ich selbst
im Anschluß an Luther und Schleiermacher die Ausdrücke
„religiöses Erleben", „religiöses Erlebnis" bzw.
„religiöse Erfahrung" gebrauche, so bedeutet diese Terminologie
nicht eine Verneinung und Ablehnung des
von Sch. in jene Parole gefaßten Gedankens; im Gegenteil
, sie bejaht und umschließt ihn ihrerseits. Aber die
Ausdrücke sind allerdings in der populären Literatur
zum Teil so abgegriffen und oberflächlich geworden,
daß es nützlich und nötig ist, jenen Gedanken zu betonen
. Religionspsychologische Arbeit im Sinne Schleiermachers
führt notwendig auf jenen Gedanken. Indes
von religionspsychologischer Arbeit nach der Art Schleiermachers
d. h. als Sinndeutung des Objektgehaltes
religiöser Vorstellungen unter Berücksichtigung der
Strukturverhältnisse des religiösen Bewußtseins ist bei
Schm. überhaupt nicht die Rede. Insofern ist der Untertitel
der Schrift irreführend, da er Erwartungen weckt,
die sie nicht erfüllt.

Güttingen. Georg Wo b b e r in i n.

Heiler, Friedrich: Die buddhistische Versenkung. F.ine reli-
gionsgeschicbtliche Untersuchung. 2. verm. u. verb. Aufl. München:
E. Reinhardt 1Q22. (IV, 100 S.) gr. 8°. Gm. 20-.

Die 2. Aufl. dieses sehr lesenswerten Buches des
bekannten Religionsforschers, der in so wenig Jahren
schon so viel geschaffen und sich einen Namen gemacht
hat, zeichnet sich gegenüber der ersten aus außer durch
eine Reihe kleinerer Verbesserungen und Hinzufügungen
durch ein Einleitungskapitel, in dem H. über das Eindringen
des Buddhismus ins Abendland und, wohl mit
Recht bejahend, über die Frage spricht, ob der Buddhismus
eine Religion sei, durch Hinzufügung dreier Register
und durch eine vollständige Umarbeitung des Kapitels
über das Nirväna. Von seinen Ansichten über das Nir-
väna fordern einige, falls man sie als im Ausdruck vollkommen
geglückt hinnimmt, zur Kritik heraus. Gerade
bei Begriffsbestimmungen des Nirväna, das so sehr
außerhalb alles natürlichen Denkens und also auch
Sprechens liegt, ist es schwierig, die richtigen, seinem
Wesen haarscharf adaequaten und nicht mißverständlichen
Worte zu finden. Sollte der Satz von S. 40 „Diese
Seligkeit dauert darum unvermindert fort, nachdem im
leiblichen Tode ,das Bewußtsein zerstört und das Erkennen
untergegangen ist' " genau so gemeint sein, wie
er klingt, so könnte nichts falscher sein. Nirvana ist
auch nicht „das ,Ewige' (am atarn)" (ebd.). amatam
heißt da nicht „das Ewige", sondern „das Freisein vom
Sterben", und zwar nicht etwa das Freisein davon durch
ein ewiges Leben. Ebenso sollte für den irreführenden
Ausdruck „ewige Seligkeit" (S. 42) ein zur Lehre passenderer
gefunden werden. Ich hoffe auch, H. meint nur,
daß lediglich für das Gefühl der Gläubigen Nirväna
etwas Positives sei (wie er in der Mitte von S. 41 zu
meinen scheint), wenn er S. 41 unten sagt: „Und doch
verrät uns ein leises Raunen der heiligen Schriften etwas
von dem Mysterium des Nirväna. ,Es gibt ein Ungeborenes
, Ungewordenes, Ungeschaffenes, Ungestaltetes;
gäbe es nicht dieses Ungeborene,..., so wäre kein Ausweg
zu finden des Geborenen,..." „Ungeboren" usw.
bedeutet hier „auf das die Begriffe ,geboren' usw., d. h.
empirische Begriffe, keine Anwendung finden, in dem es
„Geborenwerden", „Dasein" usw. nicht gibt. Begrifflich
ist nichts Positives damit gemeint. Man würde nicht
zu stutzen brauchen, wenn H. nicht S. 41 die Wendung
von der /zwischen Positivem und Negativem schwimmenden
Unbestimmtheit' von Oldenberg übernommen hätte.
Aber auch wenn H. das alles so gemeint hat, wie es dasteht
, ist er zu entschuldigen, da er Aufklärung über den
Inhalt der Originalquellen sich von anderen holen muß,
die also ihrerseits die Verantwortung für Entgleisungen
tragen. Über einige andere Begriffsbestimmungen will
ich, da sie schon in der 1. Aufl. standen und hier nur die
zweite zur Erörterung steht, nicht mit H. rechten. — Die
meisten Druckfehler der l.Aufl. hat H. hier richtig gestellt
. Für kommende Auflagen seien von stehen gebliebenen
alten und von neuen folgende von mir bemerkte
notiert: S. 4 zu korr. Monier statt Monnier,
S. 40 Z. 5/4 v. u. naihsreyasast. naihsreyaysa,

S. 41 Z. 10 Sankara st. S a n k a r a , Z. 1 2 s u n y a t a st.
sunyatä, S. 42 Z. 19 asi st. ase, S. 53 Z. 28
aj j hatta st. aj j hatta, S. 60 Z. 17 v. u. lässest st.
lassest. Statt Gotama Siddhartha (S. 2) sollte es entweder
Gautama Siddhärtha (Skr.) oder Gotama
Siddhattha (Päli) heißen. Und statt der wunderlichen
Modeschreibung seit Deussen Upanishad wollen
wir endlich entweder gut deutsch Upanischad oder
Sanskr. Upanisad einsetzen.

Königsberg i. Pr. R. Otto Franke.

Wilke, Georg: Die Religion der Indogermanen in archäologischer
Beleuchtung. Mit 278 Abbild, i. Text. Leipzig ■ Cnrt
Kabit/sch 1923. (254 S.) gr. 8° Mannu«-Bibllothek. Hrsg. v.
Gustaf Kossinna. Nr. 31.

Von „Religion" ist in diesem allerlei, kritisch mehr
oder weniger gesichertes Quellenmaterial zusammentragenden
und auf gut Glück an Hand der archäologischen
Denkmäler deutenden Buch nicht viel die Rede
(vgl. die Hauptstelle S. 203 ff.). Der Verf. beschäftigt
sich mit den vermeintlichen Vorstufen der Religion der
idg. Völker als da sind: Präanirnismus (S. 3 ff.), Tote-
mismus (S. 21 ff.), Beseelung der Natur (S. 69 ff.), Dämonenglaube
(S. 73 ff.; charakteristisch für den in rationalisierender
Mythendeutung befangenen Mediziner ist
z. B. die starke Anregung, die er von tierischen und
menschlichen Mißgeburten auf die mythenschaffende
Phantasie ausgehen läßt). Mit der Feststellung, „daß
eines der schwierigsten und meist umstrittenen Probleme
die Frage bildet, wie sich aus jenen älteren Vorstellungen
heraus die idg. G ö tt e r gestalten entwickelt
haben", wendet der Autor sich zu diesen (S. 94 ff.) und
findet ihre vornehmste Quelle in der Beobachtung der
Himmelserscheinungen (Astralmythologie). Er meint,
die in der allerältesten Zeit aus der Beobachtung von
körperlichen Anomalien hervorgegangenen dämonischen
Vorstellungen hätten sehr leicht auf die astralen Gottheiten
übertragen werden können, weil, nachdem von
der primitiven Menschheit die Moralbegriffe erfaßt
worden seien, deren Wurzeln im sozialen Zusammenleben
der Individuen liegen, von hier aus nur noch „ein
kleiner Schritt" notwendig gewesen sei, um in den ethischen
Forderungen das Gebot einer höheren übersinnlichen
Macht zu erkennen (S. 96 f.). Man wird dem
Verf. zugestehen, daß das konstitutive religiöse Grund-
problem nicht wohl auf ein einfacheres Rechenexempel
zurückgeführt werden konnte — schade ist nur, daß
„Religion" an dieser Entstehung der Religion gar nicht
beteiligt worden ist; vgl. den Abschnitt „Religion und
Ethik", in dem der Autor zwar nach dem ethischen,
aber nicht nach dem religiösen Kern der Religion der
Idg. fragt (S. 193 ff.). Die Reihe der in die idg. Vorzeit