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Ausgabe: | 1924 |
Spalte: | 81-82 |
Autor/Hrsg.: | Jahnow, Hedwig |
Titel/Untertitel: | Das hebräische Leichenlied im Rahmen der Völkerdichtung 1924 |
Rezensent: | Eissfeldt, Otto |
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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 4/5.
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die Erwartung eines Messias sondern) die ausdrückliche Betonung der
Alleinigkeit der Königswürde Jahväs (vergl. Jes. 33, 22)" S. 31)7) „die
ganz geläufige Weise, in der Ez 34,23 von dem wiederkommenden
David redet, spricht entschieden gegen die Annahme, daß er hier
etwa als erster einen neuen Oedanken ausspräche". „Dem Dtjes. war
der Messias im technisch-eschatologischen Sinne ein Datum." (S. 309.)
Daß aber die Erwartung des Messias sich aus der numinösen Natur,
die jeder empirische König für das Empfinden des Primitiven hat,
in Israel entwickelt habe, das hat mich nicht überzeugt. Wir haben es
hier mit einer Parallelvorstellung zu der von der Thronbesteigung Jahves,
mit einer gegenüber der soeben beschriebenen andersartigen Konservierung
einer mythischen Anschauung zu tun.
Wir sind dem Verf., den die Gießener theol. Fakultät
nach dem Erscheinen dieses Buches zum Doktor der
Theologie ehrenhalber ernannt hat, dankbar, daß er sich
die Mühe nicht verdrießen läßt, seine zunächst in seiner
Muttersprache erschienenen Studien regelmäßig auch in
deutscher Sprache ausgehen zu lassen. Es sind reiche
Geschenke, mit denen er so erwidert, was er als Student
in unserm Lande empfangen hat.
Qießen. Hans Schmidt.
Jahnow, Hedwig: Das hebräische Leichenlied im Rahmen
der Völkerdichtung. Qießen: A. Töpelmann 1923. (VIII, 272 S.) 8°.
mi Beihefte zur Zeitschrift f. d. Alttest. Wissenschaft. 30. Bd. Oz. 9—.
Eine von Gunkel angeregte und außer ihm auch
von Baumgartner geförderte Arbeit, der man die
gute Schulung, die die Verf. erfahren, zugleich aber auch j
ihre Befähigung zu selbständiger Forschung und eige- j
nem Urteil, anmerkt. Die erste Hälfte des Buches (Die
Totenklage im Zusammenhang der Trauerbräuche; die j
Totenklage als Zeremonie; das Leichenlied als Gattung
der Volkspoesie; die Göttertotenklage), ein weit ausholender
Beitrag zur Volkskunde und zur vergleichender.
Literatur-Geschichte, legt den Grund zu der in der zweiten
Hälfte gegebenen Untersuchung dessen, was im
A. T. an Leichenpoesie im eigentlichen und im übertragenen
Sinne („Leichenlieder" auf den Untergang von
Ländern und Städten, spöttische „Lcichenlieder") erhalten
ist. Das im ersten Teil in reicher Fülle gebotene
Material dient in der Tat zur Erklärung und Veranschaulichung
mancher Erscheinung in der hebr. Leichen-
Poesie. Bedenken habe ich nur dagegen, daß allzuviel
im A. T. aus animistischer oder präanimistischer Kulturstufe
abgeleitet, und daß die Entwicklung der Trauerbräuche
von gefühlsleeren Abwehrmaßnahmen zu Ausdrucksformen
des Schmerzes zu schematisch gezeichnet
wird (S. 12, 32, 46, 96, 107). Auch der mit der Heranziehung
von Vergleichsmaterial immer verbundenen Gefahr
, die zu erklärende Erscheinung im Licht des Vergleichsmaterials
zu sehen und ihre besondere Eigenart
zu verfehlen, ist die Verf. hier und da erlegen. (Z. B.
S. 143, Anm. 4). In der zweiten Hälfte des Buches werden
die für den Gegenstand der Arbeit in Betracht
kommenden Texte des AT. (|er. 38, 22; 2. Sam. 3, 33. 34;
1, 19-27; Arnos 5, 2; Jes. 23, 1-14; Hes. 19, 1-14;
26, 15-18; 27, 1-36; 28, 12-19; 32, 19-32; Jes.
14,4—21; 53, 1—12 u. a.) nach textkritischer Behandlung
in Übersetzung mitgeteilt und erklärt. Dabei
werden die von anderen vorgeschlagenen Textverbesserungen
sorgfältig berücksichtigt, und die Verfasserin
trägt auch ein paar eigene — beachtenswerte
— Konjekturen . vor. Zweifellos bedeutet die
hier gebotene Behandlung der Texte eine Förderung ihres
Verständnisses, die nicht ungenutzt bleiben darf. Auch
wo mir, wie bei Hes. 28, 12—19, die Textherstellung und
in ihrem Gefolge dann auch die Erklärung fraglich ist,
lohnt es sich, die von der Verf. gemachten Vorschläge in
Erwägung zu ziehen. Der hier gezeichneten literar-
geschichtlichen Entwicklung der hebr. Leichenpoesie und
dementsprechend der Anordnung der Texte wird man
im allgemeinen zustimmen. In Einzelheiten kann man
andrer Meinung sein. So halte ich Jer. 38,22 für ein
Spottlied, nicht wie die Verf. für ein Leichenlied. Zedekia
wagt es nicht, zu den Chaldäern üherzugehen, weil er
sich vor dem Spott der schon vorher zu ihnen übergelaufenen
Judäer fürchtet (38,19). Aber Jeremia entgegnet
ihm, daß gerade, wenn er mit dem Übergang zu
den Chaldäern zögere, ihn der Spott der Frauen treffen
werde (38, 22). Unwahrscheinlich ist mir auch, daß erst
die Propheten das Leichenlied in übertragener Form,
d. h. in Anwendung auf Länder und Städte, gebraucht
haben, und daß sich das erste Beispiel dieser Art noch
aufzeigen lasse, nämlich Arnos 5, 2. Micha 2, 4 (Nebeneinanderstellung
der Termini STO und TW) hätte
erwähnt und behandelt werden müssen. Der Verf., die
im übrigen auch entlegene Literatur herangezogen hat, ist
es entgangen, daß ich in meinem „Maschal" von 1913
das spöttische Leichenlied kurz behandelt und dabei auch
Micha 2, 4 erwähnt habe. Aber diese Ausstellungen
wollen mehr denn als Kritik als Dank für den wertvollen
Beitrag zur isr. Literaturgeschichte, den uns die
Verf. geboten, verstanden sein und als Bitte, dieser Erstlingsarbeit
weitere Beiträge folgen zu lassen.
Halle a.S. Otto Eißfeldt.
Torm, Prof. D. Frederik: Indledning til det Ny Testamente.
Kopenhagen: O. E.C.Oad 1923. (VIII, 452 S.) 8°.
Der Umfang dieser n. t. Einleitung ist durch ihre Bestimmung
als Lehrbuch für die Studenten festgelegt,
und der Verf. hat sich deshalb oft Beschränkung auferlegen
müssen. Als seine Aufgabe hat er es angesehen,
eine möglichst kurze, übersichtliche Darstellung des
gegenwärtigen Standes der Forschung zu liefern; die
Diskussion von mehr speziellen Fragen wird in Kleindruck
oder in Anmerkungen gegeben, und die gewöhnlichen
Inhaltsangaben der n. t. Schriften fehlen ganz;
der Verf. hat sich ferner in den Literaturnachweisen
hauptsächlich an die modernen wichtigen Arbeiten gehalten
; besonders hervorzuheben ist jedoch, daß neben
der deutschen einschlägigen Literatur auch die neuere
englische sehr sorgfältig ausgenutzt ist. Ungewöhnlich
in einer Einleitung ist § 3, der über die Sprache der
n. t. Schriften handelt; es ist tatsächlich eine kürzgefaßte
n.t. Grammatik, für Anfänger sehr nützlich; ebenfalls
sehr praktisch ist ein Anhang, wo — als Ersatz für
Preuschen's Analecta II — die wichtigsten patristischen
Texte in der Originalsprache wiedergegeben sind. Zwei
kurze Darstellungen der Geschichte des Kanons (S. 400
; bis 22) und des Textes (S. 423—440) sind beigefügt,
aber die spezielle Einleitung nimmt das Hauptinteresse
des Verf.s in Anspruch; die Behandlung der einzelnen
Schriften geschieht nach der Reihenfolge des Kanons, abgesehen
von den paulinischen Briefen, die chronologisch
geordnet sind. Die Urteile des Verf.'s sind sehr vorsichtig
gehalten, und er zieht in der Regel vor mit Wahrscheinlichkeiten
zu rechnen; sein Standpunkt ist doch
konservativ; nur bei 2. Pet. findet er, daß die Wahrscheinlichkeit
für Unechtheit spricht; 1. Pet. dagegen
stammt vom Apostel, und Jak. ist ihm ein Brief vom
Herrnbruder, vor 50 geschrieben; seine Anschauungen
über die Past. sind aus der Z.N.W. XVIII S. 225 ff. bekannt
. Besondere Sorgfalt ist dem synoptischen und dem
johanneischen Problem gewidmet; der Verf. hat immer
der Zweiquellentheorie gegenüber ziemlich skeptisch gestanden
, und eine Erklärung der synoptischen Verwandtschaft
durch Diegesen bevorzugt; diesen Standpunkt
findet er nun gerade durch die neuesten Arbeiten über
die Synoptiker bestätigt. Das vierte Evangelium leitet
er vom Zebedaiden Johannes her und versucht eine
ausführliche Widerlegung der gegenwärtig so verbreiteten
Theorie von dem frühen Märtyrertod desselben;
auch die Apokalypse lasse sich am besten als von demselben
Verfasser geschrieben verstehen, obgleich allerdings
hier „Zeichen gegen Zeichen stehe" (S. 395). Indessen
ist das Hauptgewicht im Buche nicht auf die
Resultate, sondern auf die Darbietung des Materials gelegt
; auch wer anders über die Echtheitsfragen urteilt,
wird es deshalb mit Nutzen zu Rate ziehen können.
Kopenhagen. Holger Mosbech.