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Ausgabe:

1924 Nr. 13

Spalte:

274-276

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Kurt Dietrich

Titel/Untertitel:

Die Nachwirkungen der spätmittelalterlichen Reformideen während der ersten Periode des Konziels von Trient 1924

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1924 Nr. 13.

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liehen Antrieb auszudrücken", daß die wahre christliche
Freude auf dem Grunde des tiefsten Ernstes ruht.
So ist zuerst an Ostern die Quadragesima xctt' l^o%rjv
herangetreten, dann an Pfingsten (wofür spater Peter —
und — Paul das Feld gewann) das Apostelfasten, an Weihnachten
das Adventsfasten, zuletzt an Mariae Tod und
Himmelfahrt das Marienfasten. Die römische Idee, die
Holl auf Papst Damasus zurückzuführen geneigt ist, von
den Quatembern, d. h. von der Weihe aller 4 Jahreszeiten
durch eine, wenn auch beschränkte, je 3 Wochentage
umfassende Fastenperiode, läßt eine Verbindung
mit der andern Vierheit zu. Sachgemäß beschreibt Holl
in der ersten Hälfte seiner Abhandlung S. 3—19 das
Werden der 4 Hauptfeste, in der zweiten das der angeschlossenen
Fasten; die Ergebnisse des einen Teils bestätigen
durchweg die des andern.

So wenig Aufhebens der Verf. davon macht, überrascht
er doch selbst den Kenner durch die Weite seines
Blicks über die Spezialliteratur hin; nicht bloß die abgelegensten
orientalischen Quellen verwertet er, armenische
, nestorianische, jakobitische Kalender, sondern
mit schönem Erfolg russische Werke wie die von Keke-
lidsc und Dmitriewski. Noch höher werden wir freilich
die Tiefe einschätzen, die ihn die Motive und die
Zusammenhänge erkennen läßt, wo Andre sich mit der
Konstatierung von Einzeltatsachen zufrieden geben. Kein
Kirchenhistoriker darf ignorieren, was er S. 7—10 über j
die Aktion des Papstes Anastasius II. in Constantinopel
zu Gunsten des Apostelfesttags ausführt, S. 32—35 über
die Abhängigkeit der britischen Kirche von der des heiligen
Landes, S. 36f. über die Bedeutung des r/^iog rrjg
iwekrewe von 920 und des Briefs von Papst Nicolaus I.
an die Bulgaren, S. 16 über die Bemühungen Roms um
Übernahme seiner liturgischen Bräuche in Antiochien.

Selbstverständlich sind nicht alle Ergebnisse Holls
gleich sicher; bei der Verwandlung der ursprünglichen
livijur der Maria in eine Feier ihres Todes, und der
Verschiebung aus der Epiphanien/eit in den August muß
er mit kühnen Hypothesen arbeiten. Aber des mit zureichender
Sicherheit Festgestellten, häufig nur durch
die glänzend geübte Methode des Rückschlusses aus
späten Quellen Festgestellten, ist unendlich mehr als des
Fraglichen; und so hat die kirchliche Archäologie mit
dieser Untersuchung einen Triumph gefeiert.

Was ich zu beanstanden habe, beschränkt sich auf
Folgendes: S. 16 ist zweimal Parmentier statt Bidez zu
schreiben. S. 7 wird die Sendung des Senators Festus
nach Konstantinopel in das Jahr 496 verlegt: da sie später
erfolgt ist als die der beiden Bischöfe Cresconius und
Germanus, die auch nicht vor Frühjahr 497 Rom ver- |
lassen haben werden, ist 497 der früheste mögliche Termin
. S. 35 würde ich aus dem angeführten Satz der I
vita Brendani nicht schließen, daß in der altbritischen
Kirche gelegentlich ein ganzer Gottesdienst auf Grie- |
chisch gehalten wurde; das Wunder scheint nur darin
zu bestehen, daß der des Griechischen unkundige Heilige
einen griechischen Text so lesen konnte, als wäre
es ein lateinischer, d. h. daß er den lateinischen Wortlaut
vorzulesen vermochte. Der Berichterstatter hält
nur — ohne sich wohl viel Gedanken darüber zu !
machen! — die griechische Messe jenes Meßbuchs für
(abgesehen von der Sprache) identisch mit der lateinischen
. S. 3 stellt Holl an die Spitze seiner Betrachtung
die These, um 300 wäre die Erstreckung der I
Fastenzeit vor Ostern auf 40 Tage bereits in der
Kirche üblich geworden, da der canon 5 von Nicaea sie '
als eingebürgert voraussetze. Da mir die Zeitschrift
Echo d'Orient, in der Bd. XIII p. 65—72 (laut Krügers
Kirchengesch. I 218) E. Salaville beweisen wollte, die
reaauQfiMaT^ der Nicäner bezeichne den Himmelfahrts-

■i uP7EU7^nglicn ist- kenne icn dessen Argumente
nicht; ich bin aber sehr geneigt, ihm zuzustimmen, weil
mir dafür zu sprechen scheint, was wir von datierten
Synoden der alten Kirche wissen, und weil noch Athanasius
in seinen früheren Festbriefen, worauf ich oft
hingewiesen habe, die 40tägige Fastenzeit nicht kennt.
In diesem Fall verschlägt das nichts; denn wenn wir
bei Holl „um 300" in „um 350" verbessern, bleibt
Holls Argumentation unerschüttert.

Nur auf S. 9, 5 ist Holl ein bei ihm sonst unerhörtes
Mißgeschick zugestoßen. Er zitiert ein 425 in
Constantinopel erlassenes Gesetz aus cod. Theodos. XV,
5, 5. Duchesne habe aus ihm schließen wollen, daß
damals schon das Apostelfest im Osten wie in Rom am
29. Juni gefeiert worden sei. Holl vertritt im Text die
Ansicht, daß erst Festus im J. 496 die Angleichung der
Byzantiner an den römischen Brauch durchgesetzt habe,
deshalb kann er Duchesne natürlich in der Auslegung
des cod. Theodos. nicht folgen. Er hat aber leider ein
entscheidendes Wort in dem betreffenden Gesetz ausgelassen
, nämlich passionis, das alle Texte hinter apo-
stolicae bieten. Holl liest quo tempore et commemoratio
apostolicae totius Christianitatis magistrae a cunetis
jure celebratur „jedenfalls ein Fest, das den Tod der
Apostel feierte, ist durch den Wortlaut geradeswegs ausgeschlossen
"! Auch ohne den Blick auf die Parallelüberlieferung
„et quo tempore" statt „quo tempore et"
würde ich aber Bedenken tragen müssen, das ganze auf
die vorher genannte quinquagesima zurückzubeziehen,
und an die in der Pfingstzeit übliche Lesung der Acta
App. zu denken, ist doch in einem Staatsgesetz eine
starke Zumutung. Die Auslegung ist so einfach wie
möglich: die Kaiser zählen die Tage auf, an denen
keine öffentlichen Spiele gehalten werden dürfen: 1)
Sonntags, 2) Weihnachten, 3) Epiphanien, 4 a) Oster-
fastenzeit (? paschae diebus) 4b) in der ersten
Woche der Quinquagesima (nach Ostern bis zur d. do-
minica in albis!), 5) Tag der Erinnerung an die aposto-
lica passio: kann man zweifeln, daß ein hinter Pfingsten
liegender Tag, also der 29. Juni gemeint ist? Nun
haben wir in cod. Justin. III 12,6 eine andere Rezension
dieser Verfügung, die, wie die einander widersprechenden
Ober- und Unterschriften schon ergeben,
zusammengesetzt ist aus einem Gesetz von 389 und
jenem von 425: den ersten Wortlaut des Gesetzes von
389 hat wieder cod.Theodos.il 8,19 erhalten. Wenn
Holl alle diese Parallelen mit samt der Interpretatio zu
118,19 und dem Fragment vom J. 392 in 118,21 in
Betracht gezogen hätte, so würde er seinen Belegstoff
um Einiges vermehrt haben (Interesse verdient doch die
Zähigkeit, mit der der Name dies paschae oder dies
paschales an den 15 um Ostern herum liegenden
Tagen hängen bleibt); auch das verdient Würdigung,
daß 389 die kaiserlichen natales noch höher als der
natalis Christi und Epiphanien, auf gleicher Linie mit
Sonntag und den 15 Ostertagen stehen. Denn erst die
Interpretatio zu diesem Gesetz schiebt den Satz ein:
Nec non et dies natalis Domini nostri vel (= et) epi-
phaniae sine forensi strepitu volumus celebrari. — Für
die Gesamtkonstruktion Holls hat aber auch die Rettung
des Wortes passionis keine weitere Wirkung, als daß sie
die Feier des Aposteltages als eines hochheiligen in
Constantinopel schon für 425 festlegt, und daß damit
die Bedeutung der Aktion Festus i. J. 497 sich etwas
verringert. Theodorus Lector wird eben Recht behalten,
wenn er durch die Römer damals eine glänzendere Feier
dieses Festes erfolgreich empfohlen werden läßt; übernommen
wird Byzanz das echtrömische Fest schon in
der Zeit des Theodosius I. und des Präfekten Rufinus
haben. Und zu echter Volkstümlichkeit ist es anscheinend
erst seit 497 gelangt.

Marburg. Ad. Jül ich er.

Sch m 1 d t, Priv.-Doz.l.ic.Kurt DietrichTÖleNachwirkungen der spät-
mittelalterlichen Reformideen während der ersten Periode
des Konzils von Trient. Oöttingen: Selbstverlag (Prinz Albrecht-
str. U I IW4; im Buchhandel durch J. C. Hinrichs, Leipzig. (XI,
119 Bl. Maschinenschrift.) 4°. Om. 12—.

Der Verfasser unterscheidet drei Reformgedanken

des ausgehenden Mittelalters: den demokratischen Kon-