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Ausgabe:

1919

Spalte:

88

Autor/Hrsg.:

Pfannl, Heinrich

Titel/Untertitel:

Wenn Majas Schleier zerflattern 1919

Rezensent:

Steinmann, Theophil

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läuft in einer Auseinanderfetzung mit Heim, deffen Ver-
fuch, die Glaubensgewißheit am logifch mathematifchen
Denken zu meffen, mit gewichtigen, an Kants Kritik orientierten
Gründen zurückgewiefen wird. — Kattenbufch's
Effay gilt dem viel umftrittenen ,Momentwort' Luthers
pecca fortiter (fündige tapferen Sinnes), das der Vf. aus
dem Zufammenhang des ganzen an Melanchthon von
der Wartburg aus (i. Auguft 1521) gerichteten Briefs mit
Heranziehung weiterer Worte oder Ausführungen des
Reformators, nicht dogmatilch, fondern pfychologifch gewertet
haben will (56—75). — Literarifche Beobachtungen
über die Nomenklatur der theologifchen Disziplinen im
17. Jahrhundert (76—85) bietet Otto Ritfehl, der diefem
Gegenftand Erkenntniswert für die Gefchichte der theologifchen
Enzyklopädie abzugewinnen weiß. — Schlat-
ter's Ausführungen über die beiden Formen, die den
inneren Lebensbeftand des Menfchen befchreiben, der
aus dem paläftinenfifchen Denken flammende Begriff,Herz'
und das aus dem griechifchenIntellektualismus erwachfene
Gehirn, follen geeignet fein zu zeigen, ,wie die nach innen
gerichtete Beobachtung des Pfychologen und der auf
Gottes Willen behauende Blick des Syftematikers fich
wechfelfeitig erwecken und befruchten'(86—94). — Stange
will dartun und macht es wahrfcheinlich, daß Schieiermacher
, indem er den äfthetifchen Charakter des Chriften- i
tums beftreitet, einen ganz beftimmten Gegner, nämlich 1
Schiller, im Auge hat (95—101). — Die Synthefe der Dop- ]
pelformel ,der Sinn des Dafeins und die göttliche Vor-
fehung und Führung' (102—123) gewinnt Steinmann
dadurch, daß er zeigt einerfeits, wie die Erhebung über
das rein Tatfachliche und damit die Entdeckung eines
in allem Dafein enthaltenen Sinnes fich in der Form einer
wirklichen Forderung, eines geiftigen Sollens vollzieht,
andrerfeits wie die ethifche Betrachtung fich zur religiöfen
erhebt, fofern das Tatfächliche am Sinne allein fo Teil
nimmt, daß es durch den als Heil und Segen erfahrenen
und erlebten Gotteswillen durchweg auf die Erfüllung '
deffen, was fein foll, bezogen ift. — Die in unfern theo-
logifchen und philofophifchen Darftellungen der Ethik
beftehende Lücke über die Probleme, die dem fittlichen
Leben und Denken durch die weitverbreiteten Zuftände j
der geiftigen Erkrankung oder momentanen Störung erwachten
, fucht Titius erfolgreich durch feinen, ein reiches
Material verwertenden Auffatz ,Pfychiatrie und Ethik'
auszufüllen (124—161). — Die Wunderfrage, als rein dog-
matifches Problem, ohne Hereinziehung des hiftorifchen
Problems von den biblifchen Wundern, hofft Friedrich
Traub durch die Unterfcheidung von Naturgefetz und
Naturzufammenhang in der Weife zu fördern, daß jenes
unverletzt bleibt, diefer aber ein durchbrechendes Wirken ,
Gottes nicht ausfchließt, — eine Unterfcheidung, durch
welche die Wahrheitsmomente der beiden Typen der
Wunderbegriffe, des rationalen und des religiöfen, gerettet,
die Mängel beider aber überwunden werden (162—180). — 1
Emil Weber erläutert die Aufgabe der fyftematifchen
Theologie gegenüber dem Irrationalen (181—188) näher
dahin, daß die Theologie, als die rationale Bearbeitung j
der Glaubenswahrheit, ihre Erkenntnis des Irrationalen
bewähren muß, indem fie fich ebenfo abhängig weiß
vom Leben des Glaubens, wie feinem Dienfte verpflich-
tet. — Über dasfelbe Thema, Refbrmatorifcher Glaube
und deutfeher Idealismus fchreiben Wehrung (189—225) !
und Wendland (226—237), jener ausführlicher darftellend
und begründend, diefer aphoriftifcher andeutend; die
Urteile berühren fich nicht feiten, vgl. z. B. den Hinweis
auf Luthers Sermon von den guten Werken und Kants i
Metaphyfik der Sitten 204 und 230; das verfchiedene Ver-
hältnis zur Gefchichte 216—217, 234—235- — Wobber-
min bemüht fich um die Beftimmung des gemeinfamen
Glaubensbefitzes der chriftlichen Kirche, daher deffen
was rechtmäßig als ökumenifch gelten darf. Indem er

beim Nic.-Conft. einfetzt, behandelt er die Frage der
Ökumenizität nicht im impirifchen Sinne hiftorifcher Nachweisbarkeit
, fondern im religionspfychologifchen Sinne
innerreligiös berechtigter Geltung (238—261). — Das
Problem der Sozialethik (262—273) befpricht P. Wurfter:
nach einem Hinweis auf das, was Luther, Schleiermacher,
Wichern, Troeltfch in der fachlichen Ausgeftaltung oder
gefchichtlichen Beleuchtung diefer Disziplin geleiftet haben,
beftimmt er die Aufgabe derfelben dahin, daß fie die
weltlichen Kulturgebiete zu chriftlich-fittlichen Gütern und
Teilzwecken geftaltet und fie dem überweltlichen Zweck
des Gottesreiches unterordnet: von der Individualethik
unterfcheidet fich die Sozialethik nur quantitativ, nicht
der Art nach.

Ecke's Brofchüre, zum 70. Geburtstage D.Theod. Hä-
rings, ein Sonderabdruck aus der Beilage des Reichsboten,
muß als Ergänzung zum Sammeiband Erwähnung finden.
Sie behandelt kein wiffenfehaftliches Thema, fondern entwirft
eine lebendige Charakteriftik des Jubilars, deffen
Züge mit mancherlei perfönlichen Erinnerungen des Vfs.
zu einem Bild verwoben werden, deffen etwas eigentümlicher
mit kriegerifchen Arabesken gefchmückter Rahmen
zur irenifchen Geftalt des gefeierten Theologen nicht-
recht paffen dürfte.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Jentfch, Dr. Carl: Wie dem Proteftantismus Aufklärung über den
Katholizismus nottut und gegeben werden roll. Aus dem literar.
Nachlaffe v. J. hrsg. v. Dr. Anton Heinrich Rofe. 3. Aufl.
(66 S.) 8». Leipzig, F. W. Grunow 1917. M. 1.20

In jedem Fall ift die Schrift felbit ein Stück Aufklärung über
den Katholizismus, da man lieht, wie ftark Pietät für feine alte
Kirche und einige andere katholifche Empfindungen in J. noch
nachwirkten, obwohl er vor mehr als 40 Jahren Altkatholik geworden
war. So wird der Proteftant das Bild, das hier vom Proteftantismus
entworfen wird, oft als ungerecht anleiten müffen;
wie {Innlos ift es, wenn S. 9/10 Bebel und Haeckel unter der Reihe
proteftantifcher Vorbilder erfcheinen! Andereri'eits bedeutet z. B.
die Mentalreftriktion in der katholifchen Moral tatfächlich mehr,
als J. S. 37 entfchuldigend zugibt. Aber oft fpricht er auch fcharf
gegen die Schäden des römifchen Syftems, und da er es gut kannte
und, wie immer, vielfeitig und anregend fchreibt, wird die Schrift,
kritifch gelefen, manchem Proteftanten von Wert fein, auch wenn
er nicht die Zuverficht des Herausgebers teilt: ,Der Kampf der
Konfeffionen hat wie jeder Kampf feinen Grund lediglich in Miß-
verftändniffen' (S. 5). Als Anhang find zwei Artikel J.'s aus dem
gegenwärtigen Kriege mitgeteilt. S. 6 Z. 3 v. u. 1. akatholifch ft.
altkatholifch (übrigens follte man jenes Händig zu Druckfehlern
Anlaß bietende Wort durch nichtkatholifch erfetzen), S. 25 ft. S01-
vat 1. Servet, S. 29 Z. 4 ft. irdifche Büßer 1. indifche, S. 33 ft.
gaudosia 1. gaudiosa, S. 41 Z. 30 u. ft. 11, Jahrh. I. 17.
Kiel. H. Mulert.

Pfannl, Dr. Heinrich: Wenn Majas Schleier zerflattern. (63 S.)

8°. Wien, Orion-Verlag 1918.
Die kurzen Behauptungen diefes Weltanfchauungsbekennt-
niffes find immerhin intereffant genug, um von ihnen kurz Notiz
zu nehmen. Majas Schleier ift aller Glaube an Feftes, Abge-
fchloffenes, göttlich odermenfchlichlmmergiltiges. An einer Reihe
von Punkten wird gezeigt, wie diefe Schleier zerflattern. Wem
fie zeronnen find, der fteht da mit dem,Blick wunfchlofen Schauens,
begleitet von dem Bewußtlein der Relativität alles . . . Erkennens:
erlöft alfo vom Dogma — vom Wiffen — einerfeits, vom Wollen
andererfeits' (S. 57). Zugleich eröffnet fich allerdings gerade fo
auch der Ausblick in ,unausdenkbare Weiten der Entwicklung'
(S. 61). Befonders wichtig ift dabei die Befreiung von dem Truge
jedes ,Ich', wie es von uns allen erlebt v/ird, von einer Haut
umfchloffen und durch diefe Haut vom AU getrennt (S. 58). Trotzdem
befteht für ihn ,die Pflicht' — man begreift allerdings nicht
ganz, wie es hier fo etwas überhaupt geben kann — ,das eigene
Wefen fo tief und umfallend zu machen als möglich' (S. 53). Ja,
er wird ,mehr als der kühnfte Idealift als Altruismus zu fordern
wagt, einfach als Ausfluß feines' — recht erkannten — ,Wefens
. . . von fich fordern' (S. 60).
Gnadenfeld. Th. St ein mann.

Werbeck-Svärdftröm, L.: |m Kampf mit dem Schickrai.

Praktifches und Prinzipielles zur Frage der Philanthropie