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Ausgabe: | 1919 |
Spalte: | 5-6 |
Autor/Hrsg.: | Eleutheropulos, Die Philosophie und die sozialen Zustände (materielle und ideelle Entwicklung) des Griechentums. 3. |
Titel/Untertitel: | vollst. neu umgearb. Aufl 1919 |
Rezensent: | Troeltsch, Ernst |
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Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 1/2.
fprachliclie Ausdrücke fo gut wie ganz vermieden. Dadurch 1 unfere Kenntniffe auf beiden Gebieten bei dem Zuftande
wird das Unternehmen feinem urfprünglichen Zwecke je- der Uberlieferung uns eine Beantwortung nur feiten ganz
doch einigermaßen entfremdet. Denn es ift weder nötig ermöglichen. Auch ift die Gefahr einer gründlichen Ver-
noch wünfchenswert, den Studenten das Eindringen in 1 kennung der felbftändigen Dialektik des philofophifchen
die Bibel allzu leicht zu machen. Gedankens nahe liegend, wenn auch in der bisherigen
Die Einleitung geht von Wort und Begriff ,Evan- Darfteilung in der Regel gerade in der umgekehrten Richtung
gelium' aus und verkündet die oft gehörte Wahrheit, daß gefündigt wird und die fehr zentralen fozialphilofophifchen
unfere Evangelien nicht Gefchichtswerke, fondern Erbau- Ideen und Syfteme mehr als Anhänge der Metaphyfik
ungsfchriften find, Erbauungsfchriften in erfter Linie im j behandelt werden. Der Verf. hat freilich wenig getan,
Dienfte der Miffiön. In das Schema der altchriftlichen | diefe intereffanten Fragen aufzuhellen. Die ,materielle
Miffionspredigt, das' durch einen Anhang über ,das Evan- und ideelle Entwicklung' erfcheinen ihm — trotz gegentei-
gelium in der Äpoftelgefchichte' (S. 50—52) noch befon- ; liger vornchtigerer Erklärungen — wie zwei Seiten der-
ders klar oeftellt werden foll, arbeiten die Evangeliften j felben Sache. Er fchildert in den vier von ihm ange-
ein was ihnen an Jefu Wirken und Worten geeignet zur nommenen Perioden jedesmal die fozialökonomifchen Ver-
Mitteiluno- erfcheint. Eine Darlegung der Gliederung und j hältniffe und zwar in den kahlften und oberflächlichften
des Inhaltes des Matthäusevangeliums fucht zu zeigen, Schlagworten von Ariftokratie und Demokratie, Armut und
wie fein Verfaffer die allen Evangeliften gemeinfame | Reichtum, Individualismus und Sozialismus, Profperität
Aufgabe angefaßt und durchgeführt hat. und Niedergang. Dem fügt er dann als Spiegelbild die philo-
Gottingen. Walter Bauer. fophifchen Theorien bei, wobei alle Philofophen zu Sozial-
ethikern und ihre Metaphyfik zu Begründungen von Arifto-
Bauer, Friedrich: Paulus. (31 S.) 8". Augsburg, Gebr. Reichel 1917. kratie oder Demokratie, Gleichheit oder Ungleichheit werft
!. — 50 den ufw. Aus den Quellen ift das Ganze überhaupt nicht
Man fieht weder, warum das Schriftchen veröffentlicht werden , gearbeitet. Als Beftandteil der Niedergangsperiode werden
mußte, noch was fem Verf. eigentlich bezweckt. Der Verf. redet & 1 T t .._. r>ö °,f , ^
im Anichluß an das eine Paulusbild von Lovis Corinth von der : ^uch die Jefuspredigt und das erft von Paulus geftiftete
Schwierigkeit, die ein moderner Menfch, namentlich ein jugend- i Chriftentum diefer Behandlung unterzogen. Das Chn-
licher Deutfcher, habe, einen Zugang zu Paulus, dem aufdring- i ftentum ift ein durch das foziale Elend ausgelöftes und
liehen, fanatirchen Juden, zu finden. Durch pfychologirche Re- j m,t der monotheiftifchen Löfung ,der Götterfrage' ver-
flexionen durch begeifferte Dek^ Wunfehbild: trottendes Jenfeits und für das
gütigen über objektive V.ffonen fucht der Verf. Paulus dem Ufer | Diesfeits Empfeh]ung der Liebesübljng an die Reichenj
woraus fich dann lchließlich die volle Verzweiflung an
der Welt, die Afkefe, und die auguflinifche Staatsverneinung
ergeben. Es hat die Wünfche der Maffe beffer befriedigt
als die fchließlich auf ähnliche Ziele ausgehende,
aber doch männlichere und ftolzere Philofophie. Das ift dann
Deißner, Priv-Doz. Lic. Kurt: Paulus und Seneca. (Beiträge zur ; natürlich das Ende, denn eine folche Weltflucht konnte
Förderg. chriftl. Theologie, 21. Bd., 2. Heft.) (44 S.) 8". Güters- j praktifch nichts wirken und beffern, weshalb auch alles
loh, C. Bertelsmann 1917. .. M. 1— beim Alten blieb. Die Darftellung meiner Soziallehren
ha °P-S VejT-Gr""^ ; lehnt der Verf mehrfach lebhaft ab; auf dem religiöfen
hängiskeit beweffen, Tondern vom Zentrum der Anfchauungdes Pau- ^ ,. . , .. r ,. ' ,.. , je
lusoderdesSenecabegriffenwerdenmülTen.unddaßdar.achihrVer- i Gebiete könne von einer felbftändigen Dialektik des reh-
hältnis beurteilt werden muß, ift im allgemeinen richtig. Aber ! giöien Gedankens nicht die Rede lein und fei jedenfalls
die Gedanken des Paulus wie des Seneca bilden doch nicht folche im alten Chriftentum faktifch nicht die Rede; gerade
Einheiten, daß fich nicht bei beiden Sätze fänden, die aus ; hier fei alles Spiegelung materieller Verhältniffe. Ein ver-
dem Zentrum nicht ableitbar find und damit die Möglichkeit frem- ! „,,;l.j„ .,_ j * „°i„„:r.7l„tÄ_u __u„„u:„„;o«,,,„ j • u
den Einfluffes darffeilten. Paulus wie Seneca werden vom Verf. | groberte'^P.?P"la"fier erFeuerbachianismus, derjaauch
zu einheitlich gezeichnet, und das tatfächliche Vorhandenfein ein- ln der Marxiltilchen Methode felblt fteckt, der aber bei
zelner ffoifcher Gedanken bei Paulus kommt nicht zu feinem Recht. 1 dem Verf. über die bloße Selbftverftändlichkeit der allein
näherzubringen, — zu welchem Zwecke, fleht man nicht. Übrigens
macht der Verf. den Eindruck eines fympathifchen Menfchen,
mit dem man fleh wohl einmal über folche Dinge, die er berührt,
unterhalten würde; aber die Veröffentlichung feiner Gedanken
ift durch nichts gerechtfertigt.
Breslau. Bultmann.
Ebenfo tritt nicht hervor, was bei Seneca dem ftoifchen Syftem
fremd ift und auf eine religiöfe Atmofphäre weift, in der er abermals
mit Paulus in einer gewiffen Gemeinfchaft fteht. Sonft ift
im allgemeinen (von der Pfychologie abgefehen!) das Verhältnis
des Paulus zu den ftoifchen Anfchauungen des Seneca über Gott
und Menfch, zu den fittlichen Gedanken und dem ,Gedanken
der Ewigkeit' (Unfterblichkeit bzw. Eschatologie) richtig und an-
fprechend fkizziert.
Breslau. Bultmann.
modern-wiffenfchaftlichen Theorie und den Beleg mit einigen
Lefefrüchten fekundärer Art nicht hinausgelangt ift. Pur
die Wiffenfchaft ift ein folches Buch gleichgültig, aber es
ift intereffant dadurch, daß es drei Auflagen erlebt hat
Berlin. Troeltfch.
Eleutheropulos, Prof. Dr.: Die Philofophie und die fozi-
alen Zultände (materielle und ideelle Entwicklung)
des Griechentums. 3. vollftändig neu umgearb. Aufl.
(Grundlegung e. wiff. Philofophie. II. Die geiftige
Natur. B. Völkerpfychifche Erfcheinungen I. Bd.:
Wirtfchaft u. Philofophie. 1. Abteiig.: Die Griechen.)
(X, 350 S.) gr. 8°. Zürich, Art. Inftitut Orell Füßli
l9i5- M. 7.20
Das Buch ift die Anwendung der Marxiftifchen ge- ,
fchichtsphilofophifchen Frageftellung auf die Gefchichte der j Jahre fpäter, in Gallien entftanden. Wenn doch die Per
Holl, Karl: Uber Zeit und Heimat des pfeudotertuliianilchen
Gedichts adv. Marcionem. (S.-A. a. d. Sitzgsber. d. kgL
preuß. Akad. d. Wiff. 1918.) (S. 514—559.) Lex. 8°.
Berlin, G.Reimer 1918. . M. 2 —
Die in dem letzten Menfchenalter viel verhandelte
Frage nach den Abfaffungsverhältniffen der keinesfalls
von Tertullian flammenden fünf poetifchen Bücher gegen
Marcion dürfte in diefer ausgezeichneten Unterfuchung,
trotzdem fie von den Vorgängern ftark abweicht, eine
befriedigende Antwort erfahren haben. Nach Holl ift
das Werk zwifchen 475 und 500, höchftens noch wenige
griechifchen Philofophie, wobei übrigens der Verf. die Ab- j fon des Verf. im Dunkel bleibt, könnte folche Feftftelluno-
hängigkeit der letzteren von den fozialökonomifchen Zu- ! unerheblich erfcheinen. Aber die nahe Beziehuno- des
Händen nicht allzu eng faffen will, fondern bloß eine ,Aus- Pf-Tertullian-Problems zu dem durch Commodian" auf-
löfung'metaphyfifcher und ethifcher, fozialphilofophifcher ! gegebenen macht den Erfolg an der einen Stelle recht
und religiöfer Ideen durch diefe behauptet; damit ift dann ] wichtig, und dem Beweisgang Holls zu folgen ift nicht
ein gewiffes Maß von individueller Beweglichkeit und Selb- : bloß an fich reizvoll wegen der muftergültigen Gefchloffen-
ftändigkeit, das in der jeweiligen .Anlage'begründet ift, wie | heit der Konftruktion, fondern es werden dabei eine
auch von geiftiger Eigengefetzlichkeit einmal begonnener 1 Reihe von dogmen-, überlieferungs- und literargefchicht-
ae,Vler Zufammenhänge vereinbar. Eine folche Frage- ' licher Erkenntniffen gewonnen, an denen jeder Hiftoriker
ftellung ift natürlich berechtigt und wertvoll, wenn auch 1 feine Freude haben wird.