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Ausgabe: | 1919 Nr. 2 |
Spalte: | 257-258 |
Autor/Hrsg.: | Fischer, Paul |
Titel/Untertitel: | Glaube. Ein Wort zum Frieden unter den verschiedenen Richtungen innerhalb des Protestantismus 1919 |
Rezensent: | Thimme, Wilhelm |
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Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 21/22.
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Kiefl, Domdek. Dr.: Foerfters Religionsphilofophie und der
Katholizismus. (Rev. S.-A. aus ,Pharus) (59 S.) gr. 8°.
Donauwörth, L. Auer 1918. M. 2.50
K. will in diefer fehr intereffanten Schrift nachweifen,
wie der Foerfterkult von katholifchen Kreifen ,eine Gefahr
für unfer einheitliches deutfches und chriftlicb.es
Schulideal' bildet. Zu dem Zweck weift er nach, wie
F. zwar die pädagogifchen Schätze des Chriftentums in
den höchften Tönen gefeiert und dem katholifchen Chri-
ftentum manche Verbeugung gemacht, aber doch die
chriftliche Religion in einem Geift aufgefa(3t und verwertet
habe, der ganz und gar dem der katholifchen
Kirche widerfpricht. Nicht nur daß er ein entfchiedener
Anhänger der konfeffionslofen Schule geblieben ift, wie
er es immer war, fondern vor allem: er faßt das Chriften-
tum im Sinn der amerikanifchen Religionspfychologie,
die den Nachdruck auf das individuelle Erlebnis legt
und in den Dogmen bloß Symbole fehen heißt.
Diefer Auffaffung gegenüber ftellt fich K. entfchloffen
und durchgängig auf den Standpunkt der fich auf
Ariftoteles ftützenden katholifchen Offenbarungstheologie,
die das Übernatürliche zum entfcheidenden Merkmal
der Religion macht. — Zwifchen diefen beiden äußer-
ften Enden eine Stellung zu finden, die dem Übernatürlichen
als dem Inhalt der Religion und dem perfön-
lichen Erlebnis als der Quelle der Erkenntnis gerecht
wird, bleibt für uns die wichtigfte Aufgabe, für die uns
die klaren und fcharfen Ausfuhrungen diefer Schrift von
Wert fein können.
Heidelberg. Niebergall.
Eucken, Rudolf: Was bleibt unfer Halt? Ein Wort an
ernfte Seelen. (29 S.) 8°. Leipzig, Quelle & Meyer 1918.
M. 1 —
R. Eucken ift je länger je mehr beftrebt — es ift
das Merkmal und Vorrecht des alternden Philofophen —
nicht nur den Sinn der Welt zu enträtfeln, fondern feinem
Volke ein Wegweifer, nicht bloß Denker, fondern auch
Prediger zu fein. Die Grundgedanken feines idealiftifchen
Glaubens und feiner Kulturverkündigung find bekannt,
fie begegnen uns auch in vorliegendem Schriftchen, das
im Hinblick auf Deutfchlands Kataftrophe unfers Volkes
Schuld ernft aufdeckt und die wahren geiftigen und
fittlichen Güter und Werte zeigt, auf die wir uns befinnen
müffen, wenn noch Hoffnung fein foll. Neben dem
Schlußappell an die deutfche Jugend, der freilich — man
verfteht wohl, warum — nicht unbedingt zuverfichtlich
klingt, fcheint mir am bemerkenswerteften folgender Aufruf
des Philofophen: Vereinzeltes und zerftreutes Arbeiten
genügt jetzt nicht. Es wird ,zur dringenden Forderung
, daß die ernßten Seelen fich mehr zufammenfinden
und zu gemeinfamem Wirken verbinden'. Schon vor dem
Kriege tat folche Sammlung und Scheidung der Geifter
not, weit mehr heute. ,Notwendig müffen die wefenhaften
und um das Ewige beforgten Gemüter einen Kern und
Grundftock bilden, von dem allein eine Rettung auch
unfers Volkes ausgehen kann', S. 25.
Iburg. W. Thimme.
Fi Ich er, Paul: Glaube. Ein Wort zum Frieden unter
den verfchiedenen Richtungen innerhalb des Proteftan-
tismus. (XI, 219S.) gr.8°. Tübingen, J. C.B.Mohr 1919.
M. 6 —
Verfaffer zeigt, daß die verfchiedenen Richtungen
evangelifcher Frömmigkeit auf gemeinfamem Grunde
ftehen, daß es darum nur Gläubige, keine ,Gläubige'
geben follte, daß, wenn nur Liebe und Verftändnis walten,
man fich die Hände reichen könnte zu gemeinfamer hoch-
nötiger Arbeit. Das warm und eindringlich gefchriebene
Buch, dem man nur eine etwas knappere Darftellung
wünfchen möchte, führt in feinem Hauptteil den Nachweis
, daß die Glaubensvorftellungen der FYeigläubigen
(Bibel, Gott, Welt, Jefus, Eschatologie) nicht die Bezeichnung
ungläubig verdienen, im Gegenteil vielfach einen
reineren und ftärkeren Glauben vorausfetzen als die der
Altgläubigen, deren Glaube nicht feiten (z. B. in der
Wunderfrage) auf das Schauen zu verzichten fich fträubt.
Im allgemeinen tritt die auf der religiofen Linken herr-
fchende Anfchauung trotz der irenifchen Tendenz des
Buches klar und ohne Vertufchung als Überzeugung des
Verfaffers hervor, eine notwendige Bedingung jeder wirklichen
Verftändigung, fo z. B. eindrucksvoll bei dem Problem
: Gott und die Sünde. Nicht ganz ohne Einfchrän-
kung kann das von feiner Beurteilung der Perfon Jefu
gefagt werden, wenn er einerfeits die Sündlofigkeit Jefu
betont, andrerfeits aber von ,bis zur höchften Gefährlichkeit
einfeitigen Ausfagen'Jefu fpricht oder von Worten
(etwa über Gebetserhörung, Gericht, Lohn), die nicht die
Höhenlage echt evangelifcher Frömmigkeit erreichen, oder
wenn erft bemerkt wird, es habe keinen Sinn darüber
zu ftreiten, ob das Sein Gottes in Chrifto fich der Art
oder bloß dem Grade nach von dem Sein Gottes in
andern Menfchen unterfcheide, während es bald darauf
heißt: Gott war in Chriftus fo wie eben Gott der Natur
der Sache nach in einem Menfchen fein kann. Das Buch
ift eine gute Apologetik ,liberalen' Glaubens vom ,liberalen'
Standpunkt aus; wenn man es lieft, kann der Wunfeh
auffteigen, es möchte auch einmal eine Apologetik liberalen
Glaubens vom ,pofitiven' Standpunkt, oder vielmehr
zunächft einmal eine recht warmherzige Apologetik ,po-
fitiven' Glaubens vom .liberalen' Standpunkt aus gefchrie-
ben werden.
Iburg. W. Thimme.
Di mm Ier, Emil: Sabbat-Ruhe. Gedanken über myrt. Gnadenleben
. (XVI, 284 S.) kl. 8". Kempten, J. Kölel 1917. M. 3 — ;
geb. M. 4 —
Das Buch will nicht einen Aufbau der Myftik geben, fondern
dem Leben dienen, durch Erkenntnis des Geheimniffes des Kreuzes
zu einem Glück führen , das jeden Begriff überfteigt, zur Ruhe
in Gott. Zuerft wird der Begriff der Sabbatruhe in feiner Anwendung
auf diemyftifche Begnadigung erläutert. Dann wird das Wefen
der Myftik beftimmt und als Kern des myftifchen Lebens
das feftgeftellt, daß der Menfch dem alten Leben abgeltorben mit
Chriftus in Gott lebt. Danach wird vor beftimmten Gefahren
und Verirrungen bei Pflege des myftifchen Lebens gewarnt und
auf die rechte Pflege hingewiefen. — D. verficht mit Nachdruck,
daß myftifche Begnadigung nicht etwas fei, was nur vereinzelten
Auserwählten zu Teil würde. Sie ift wohl etwas ganz Außergewöhnliches
, aber doch jedem Chriften erftrebbar, fchließlich nichts
anderes als die volle Entwicklung des Gnadenlebens felbft. Auch
die Grade myftifchen Lebens find nicht fchablonenhaft feftzuftellen,
weil Gott die Gläubigen fehr verfchieden führt.
Halle a. S. K. Eger.
Pefch, Heinrich, S J.: Ethik und Volkswirtfchaft. (Das
Völkerrecht. Beiträge zum Wiederaufbau der Rechts-
u. Friedensordng. der Völker hrsg. v. G. J. Ebers.
4. u. 5. Heft.) (164 S.) 8°. Freiburg i.B., Herder 1918.
M. 4 —
Die katholifche Theologie hat die Grenzgebiete der
Theologie durch gut vorgebildete Fachleute, fpeziell aus
dem Jefuitenorden, mit Umficht und Gründlichkeit bearbeiten
laffen. So wird man auch diefem kirchlich approbierten
Buch die Anerkennung nicht verfagen können.
Die (neu-)thomiftifche Auffaffung von Staat und Volkswirtfchaft
bildet die Grundlage. Beide Größen haben den
oberften Zweck, der allgemeinen .Wohlfahrt' zu dienen.
Die Wohlfahrt wird aber nicht äußerlich, eudämoniftifch
verftanden, fondern innerlich, fo daß fie das fittliche Gedeihen
einfchließt. Auf diefe Weife wird die Harmonie
zwifchen Volkswirtfchaft und Ethik leicht gewonnen: was
das fittliche Gedeihen des Volks hindert, kann auch nicht
volkswirtfchaftlich richtig fein. In meiner .Sozialethik',
der Pefch fich mehrmals anfchließt, habe ich ftärker die
Schwierigkeiten in der Durchführung der Ethik hervorgehoben
. Mein Buch ift daher etwas realiftifcher geftimmt;
aber im letzten Ziel ftimmen wir überein. _ Pefch vermag
das in der menfehlichen Natur liegende Streben
nach Glück, nach Wohlfahrt, nach Beherrfchung der
Natur, das Kulturftreben wie das Verlangen des Arbeiters
nach Befferung der Lage wohl zu würdigen, er erkennt