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Ausgabe:

1916

Spalte:

201-203

Autor/Hrsg.:

Dersch, Wilh.

Titel/Untertitel:

Hessisches Klosterbuch 1916

Rezensent:

Lerche, Otto

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uefchaltet, aber dafür die von Thomas unter dem religiöfen
Gefichtspunkt behandelte Sakramentenlehre der Ethik
angegliedert. Im übrigen bewegt fich die Erörterung in
ziemlich engem Anfchluß an den von Thomas befolgten
Gang. Der erfte Hauptteil verläuft in folgender Ordnung:
Es wird der Zweck des menfchlichen Handelns entwickelt.
Dann wird das menfchliche Handeln befprochen. Die Maß-
ftäbe zu feiner Beurteilung und Regelung find das Gefetz
(das ewige und natürliche Gefetz, die göttlichen und
weltlichen Gefetze) und die Sinderesis famt dem Gewiffen.
Im Widerfprüch zu diefen Maßftäben fteht nun das Han- j
dein, das wir als Sünde bezeichnen. Dagegen entfpricht [
ihren das Handeln, das wir Tugend nennen. Zu den
Tugenden gehören die drei theologifchen Tugenden .
0 Kor. 13,13), zu denen Beziehung haben die heben Gaben
des heil. Geiftes (Jef. II, 2 ff.), die zwölf Früchte des Geiftes
(Gal. 5,22 f. nach der Vulgata) und die acht Seligkeiten
(Mt. 5,3 ff). Hieran ichließen fich dann die vier mora-
lifchen Tugenden, d. h. die antiken Kardinaltugenden,
unter ihnen mit befonderer Genauigkeit die Gerechtigkeit, !
bei der auch die fozialethifchen Pflichten erörtert und die i
vier erften Gebote als Ausdruck der religiöfen und Pietätspflicht
erklärt werden. — Der zweite Teil ftellt dann die
Sakramente dar, wobei naturgemäß befonderes Gewicht
auf das Bußfakrament fällt.

Der Lefer fleht auf den erften Blick, daß es die alten
Schemata der mittelalterlichen Ethik find, die für den
Verf. maßgebend geworden find. Aber in diefen unter
fo ganz anderen Verhältniffen entftandenen Rahmen fügt
der Verf. moderne und allermodernfte Probleme mit einem
gewiffen Gefchick ein.

Dafür einige Beifpiele. II, 8: in Germania (generatim loquendo) ;
operarii nomen dantes sectae Socialistarum non sunt digni absolutione 1
sacramentali, nisi promittant, quantocius sectam istam relinquere. — II,
251 f. de morali indole operstitii (Streik). II, 253 t. der Arbeitslohn. II,
235 t der Verfüch gegenüber dem alten Zinsverbot die Zinfen im modernen
Leben als notwendig zu erweifen. II, 76 Verbot an die Dienft-
boten, ohne Erlaubnis de vino Champagne zu trinken. II, gl. das Verbot,
Chartreufe nachzumachen, weil wider das Patentrecht verftoßend. II,
409 über Tifchriicken und Spiritismus. II, 457 f. fachliche Würdigung
der Frauenemanzipation. II, 465 die fittliche Pflicht bei polititchen
Wahlen. III, 627 f. ope telegraphi vel telephonii kirchliche Entfcheidungen
einzuholen. III, 297 h 510. 627 Mufterbriefe an kirchliche Behörden, wie
die S. Poenitentiaria, wobei man gut tut, includere in litteris expensas
postales, quae necessariae sunt pro responsi expeditione. — Von befon-
derem Intereffe ift die Stellungnahme zu der heute vielbefprochenen
Frage nach der künillichen Verhinderung der Empfängnis. Thomas
(c. gentil. III, 122) hat fie für die fchlimmfte Sünde nächft dem Morde
gehalten, denn fie ift wider die Erhaltung der Art wie jener gegen das
Leben des Individuums. Der Verf. ftimmt dem rückhaltlos zu. Wenn
er aber III, 502 erklärt, die Frau dürfe, um Hader und Streit zu entgehen
, dulden, daß der Mann derartige antikonzeptionelle Mittel anwende,
wie ja auch der Wirt Wein an Trunkenbolde verkauft oder ein Haus-
befitzer feine Wohnungen au Dirnen vermietet: fo erinnert das an gewiffe
üble Beifpiele jefuitifcher Kafuiftik. Aber im ganzen find die Urteile des
Verf. auf diefem Gebiete fittlich und verftändig gehalten.

Ich hoffe dem Lefer einen Einblick in dies ausführliche
Handbuch der Moral verfchafft zu haben. Der
Gegenfatz zu proteftantifcher Art und Wiffenfchaft tritt
überall deutlich hervor. Am empfindlichften berührt der
Mangel einer fcbärferen Beftimmung des Wefens der Sittlichkeit
fowie die Zerftückelung der fozialethifchen Probleme
nach den verfchiedenen logifchen Seiten des Begriffes
der Gerechtigkeit. Ich glaube, daß, wenn Thomas
heute lebte, er feine Aufgabe erheblich anders aufgefaßt
hätte als fein Ordensbruder Prümer. Aber auch für den
Proteftanten, der fich etwa in konfeffionskundliche Studien
vertieft, wird die Lektüre des Buches von Nutzen fein.
Er wird verftändnisvoller urteilen lernen, als es oft ge-
fchieht, und er wird vielleicht auch von der Klarheit angenehm
berührt fein, mit der der katholifche Theologe
auch komplizierte dialektifche Operationen auszuführen
verfteht.

Berlin. R. Seeberg.

Der Ich, Wilh.: Hellifches Klofterbuch. Quellenkunde zur
Gefchichte der im Reg.-Bez. Caffel, derProv. Oberheffen

u. dem Fürftent. Waldeck gegründeten Stifter, Klöfter
u. Niederlaffgn. v. geiftl. Genoffenfchaften. (Veröffentlichungen
der hiftor. Kommiffion f. Heffen u. Waldeck.
XII.) (XXXI, 160 S. m. 1 färb. Karte.) gr. 8". Marburg,
N. G. Elwert 1915. M. 6 —; geb. M. 7.50

Dies Klofterbuch ift fchlechthin das befte feiner Art.
Wenn wir es aber über die fehr nützlichen und brauchbaren
früheren Arbeiten von Schmitz-Kallenberg und
Hoogeweg Hellen, fo foll damit den Verdienften diefer
Arbeiten keinerlei Abbruch getan werden. Hoogeweg
gibt nur ein Verzeichnis aller Stifter und Klöfter Nieder-
fachfens, Derfch dagegen gibt feinem Buch den viel mehr
in fich fchließenden Untertitel Quellenbuch zur Gefchichte
der . . . Stifter, Klöfter und Niederlaffungen. Damit ift
dann auch gefagt, daß der Inhalt ein viel weitergehender ift
als bei ähnlichen früheren Werken. Die Nachweifungen
aller Art find faft fo ftark wie bei der Behandlung der
einzelnen Stifter etc. der provincia Salisburgensis in A.
Brackmanns Germania pontificia L 1, wobei allerdings
zu bemerken ift, daß manchmal aus Mangel an Stoff nichts
zu fagen ift. Die Einrichtung ift ftreng alphabetifch. Von
Beinamen, Nebenformen der Hauptnamen, Archaismen in
der Namengeftaltung wird verwiefen. Ift ein Ort Sitz
mehrerer klöfterlicher Siedelungen, fo wird eine Überficht
über alle geboten und dann werden die einzelnen nach
dem Jahr ihrer Gründung behandelt. Nach der Ortsbezeichnung
, wie fie heute üblich ift, folgen quellenmäßig
belegte abweichende Namensformen, dann die Angabe der
früheren und jetzigen weltlichen Herrfchaft bezw. Gerichtsbarkeit
, zu der der Ort gehört, und ferner Angabe der
Diözefe. Dann folgt unter Namennennung eine kurze
chronologifche Aufzählung der für das Stift wichtigen
Ereigniffe. Daran fchließen fich die eigentlichen Teile der
Quellenkunde, zunächft Mitteilungen über das Archiv, feine
Beftände, feinen Aufbewahrungsort, ferner etwa über die
Bibliothek und fonftige Nachweifungen. Dem folgen die
Quellen, gefchieden in gedruckte und ungedruckte, und
fodann die Aufführung der Literatur. Dabei ift nach
Möglichkeit noch im Einzelnen gegliedert, z. B. Quellen:
a) ungedruckte in Archiven und Bibliotheken, b) gedruckte
Urkunden und Regelten, c) Gefchichtsfchreiber, d) Nekrologe
. Die Literaturangaben enthalten zunächft einen Ab-
fchnitt Allgemeines, Darftellungen, dann etwa über Dig-
nitäten, Perfonalia, über die Kirche, die Schule, die Münzen,
den Grundbefitz, die Verfaffung ufw. Diefe Nachweifungen
find befonders bei Fulda, Hersfeld und andren größeren
Stiftern recht umfangreich und fehr ausführlich und voll-
ftändig, fodaß fie auch dem lokalintereffierten Forfcher
recht nützlich fein werden. Ein weiterer Vorzug des
heffifchen Klofterbuch.es ift, daß auch die Gründungen des
fpäten 19. Jahrhunderts, allerdings mit Ausnahme der zahlreichen
Filialhäufer der Fuldaer Vinzentinerinnen von St.
Paul, mit aufgeführt find und ferner, daß auch die Ter-
mineien, Klofterhöfe ufw. Aufnahme gefunden haben.
Sodann ift in einer Reihe von Tabellen der Anteil der
einzelnen weltlichen Herrfchaften, der Diözefen, der Orden
und der Patrone zufammengeftellt. Darauf folgt noch
eine Aneinanderreihung der Stifter nach ihrem Alter, fo-
weit fich das Gründungsjahr ermitteln läßt. Vorangehen
die Verzeichniffe der wiederholt genannten Archive und
Bibliotheken fowie der häufiger zitierten Literatur. Bedenklich
erfchien mir allein der Umftand, daß die Provinz
Oberheffen in dies Gebiet miteinbezogen war und doch
nicht das ganze Erzbistum Mainz Aufnahme finden konnte.
Wenn für diefe Provinz einmal das Arbeitsgebiet der
Kommiffion überfchritten war, fo hätte man fich nicht
fcheuen follen, weiterhin durch Miteinbeziehung von Rhein-
heffen noch einmal und recht gründlich das Arbeitsgebiet
der Kommiffion zu überfchreiten. Freilich hätte das eine
große Mehrarbeit bedeutet und die Ausgabe des Klofter-
buchs wäre verlangfamt. So dürfen wir uns des Geleifteten
I dankbar freuen und hoffen, daß die noch nicht bearbeiteten